Karl Marx dröselte die Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital umfassend auf. In der gegenwärtigen Inflationsphase gelingt es den Mitarbeitern, ihre Interessen zulasten der Kapitalseite durchzusetzen, in Europa und auch in den USA. Das schränkt die Spielräume der Kapitalanlage in Gestalt eines »Kaufens und Liegenlassens« stark ein. Der nichtspekulative Optionshandel profitiert hiervon.
Stuttgart, 26. August 2023.
ASX Option Trading
Zum Monatswechsel geht ein weiteres Handelssystem an den Start. Nach dem Muster des EuroStoxx-Optionshandels beginnt der systematische Verkauf von Optionspaaren mit dem australischen ASX-Index als Basiswert. Der Arbeitstitel lautet ASX Spread Trading. Wegen der Zeitverschiebung wird ausschließlich zur Eröffnung bzw. zum Handelsschluß gehandelt. Das neue Handelssystem ist vorallem eins: langweilig. Aber auch sexy: Die Renditeerwartung beträgt zwanzig Prozent auf das allokierte Depotvolumen. Das Schaufenster wird mehrmals pro Woche aktualisiert und liefert tagesaktuelle Schnappschüsse des Systemhandels.

Die Strikes der Optionen werden an den eingezeichneten Begrenzungen der Tradingrange platziert und dann wird einfach abgewartet.
EuroStoxx Optionshandel
Das Vorbild, der EuroStoxx-Optionshandel performt derweil planmäßig. Der zugrundeliegende Index kommt seit März nicht von der Stelle (Abb. 2). Das Optionshandelssystem hat mit nur wenigen Trades, bezogen auf die empfohlene Kontogröße, eine Rendite von 12 Prozent erwirtschaftet. Die Sommerkorrektur führte zu volatilen Tagesschwankungen im Buchwert. Zuletzt profitierte das Handelssystem vom kurzfristigen Abwärtstrend (gelbe Markierung in der Abb. 2).


Herausforderung September
Saisonal ist der September mit Abstand der schwächste Monat für Aktien. Entsprechend negativ ist die Markterwartung (der Sell-Side). Tatsächlich warten die Marktteilnehmer aber einfach ab: Die impliziten Volatilitäten, als Maßgröße für die Nachfrage nach Absicherungen gegen Preisrückgänge, sind über alle Laufzeiten bis weit in das Jahr 2024 niedrig, in Europa, der USA und auch in Australien.
An der Nachrichtenfront mangelt es derweil nicht an Molltönen:
- In Deutschland gehen die Erzeugerpreise deutlich zurück (YoY: 6%). Der IFO-Index fällt dynamisch auf 85,7 (100 = neutral).
- Für das zweite Quartal weist das hiesige Statistikamt ein Nullwachstum aus, nach zwei Quartalen mit negativem Wachstum.
- Der Staat feuert derweil fiskalisch aus allen Rohren: Das Haushaltsdefizit ist ähnlich hoch, wie zum Zenit der Corona-Pandemie. Anders als damals ist aktuell aber kein Ende der aktuellen Umbruchsituation in Sicht.
- Der Einkaufsmanager-Index für die Eurozone ist mit 47 tief in die Kontraktionszone eingetaucht. Dieses Niveau erreichte dieser Vorlaufindikator zuletzt während der europäischen Staatsschuldenkrise 2011-12, davor 2009 und 2002. Irritierend ist, dass die umfangreichen fiskalpolitischer Maßnahmen in fast allen Staaten der Eurozone diesen Trend nicht brechen.
- Es gelingt Unternehmen immer weniger, Preissteigerungen – ob gerechtfertigt oder nicht – durchzusetzen. Die Industriestaaten könnten vor einem branchenübergreifenden Käufer-Streik stehen. In der aktuellen ersten Phase gehen die Umsätze zurück, die Margen werden verteidigt. Die Börsennotierungen fast aller Markenhersteller haben ihren Zenit durchschritten. In einer zweiten Phase werden die schwächsten Unternehmen aus dem Markt gedrängt. Dieser Prozess kündigt sich gerade mit steigenden Risikoprämien für Unternehmensanleihen an. Erst dann steigt die Arbeitslosigkeit, das Kriterium der Notenbanken für eine Abkehr der restriktiven Geldpolitik.
- Im 20. Jahrhundert galt: Wenn der Automobil- und der Immobilienmarkt schwächelt, ist Rezession. Angeführt von China kippen weltweit die Immobilienmärkte. Die langen Zinsbindungen bestehender Hypotheken entschleunigen diesen Prozess. Gleichzeitig zeigt der Kapitalmarkt den Automobilherstellern die rote Karte. Die VW-Aktie zeigt gerade den Weg, Ford und GM stehen charttechnisch vor strategischen Verkaufssignalen.
- Schließlich (siehe unten) steigen die Lohnstückkosten deutlich und nachhaltig.
Jenseits der puren Lust an der Spekulation gibt keinen objektiven Grund, perspektivisch steigende Aktienpreise zu antizipieren.
Aber auch taktisch spricht aktuell nichts für steigende Marktpreise. Nähme man den Mittelwert der impliziten Volatilitäten der vergangenen drei Jahrzehnte als Maßstab für die geforderten Risikoprämien für spekulative Assets, dann gelte es, jede Erholung der Marktpreise für den Aufbau von Shortpositionen zu nutzen. Dies mag die nur sehr zaghafte Stabilisierung in der Berichtswoche erklären.

Stimmt diese Betrachtung, dann müssten die Handelssysteme in den kommenden vier Wochen passiv bleiben. Ende September sollten danach die Verkaufspreise für Optionen deutlich höher sein.
Karl Marx – Das Kapital, Band Eins
Zufall oder nicht? Der Deutschlandfunk hat das gleichnamige geniale Hörspiel aus dem Jahr 2007 aus dem Archiv befreit. 2007 war die Ausstrahlung ein Vorbote der Finanzkrise. Das Hörspiel ist eine Ohrenweide, es gibt zudem einen unterhaltsamen Einblick in die Basislektüre eines jeden aufgeklärten Studenten im 20. Jahrhundert.
Marx unterscheidet zwischen zwei Arten von Arbeit: notwendiger Arbeit, die zur Herstellung des Werts der Ware erforderlich ist, und Mehrarbeit, die zur Produktion von Mehrwert führt. Mehrwert ist die Quelle des kapitalistischen Profits. Marx argumentiert, dass der Kapitalist die Mehrarbeit der Arbeiter ausbeutet. Die Arbeiter erhalten nur einen Lohn, der den Wert ihrer notwendigen Arbeit abdeckt. Der Mehrwert, den sie produzieren, wird vom Kapitalisten angeeignet. Quelle: Bard, die öffentliche Google-KI.
Aktuell sind die Arbeiter in der stärkeren Position. Das lässt sich exemplarisch am Beispiel des gerade beendeten Arbeitskampfes bei UPS zeigen. Dort hat die Gewerkschaft Gehaltserhöhungen um bis zu 25 Prozent durchgesetzt. Das Durchschnittsgehalt eines Paketfahrers wird 2025 gemäß dem US-Fernsehsender CBS 170.000 $ (einschließlich geldwerter Leistungen, wie Kranken- und Altersvorsorge) betragen. Die Zustimmungsrate der Gewerkschaftsmitglieder mit den ausgehandelten Vergütungen ist historisch hoch. Dies ist das klarste Zeichen der Macht der Beschäftigen und der gegenwärtigen Ohnmacht der Kapitalseite.
Gerade in den USA sind die marx’schen Prämissen auch heute noch gültig.
Das Nachsehen haben Aktionäre. Der Aktienpreis ist per Saldo seit dem Herbst 2020 konstant (ca. 170 $); im Februar 2022 kostete eine Aktie kurzzeitig 220 $. Der aktive Handel mit Optionen im Rahmen einer Stillhalterstrategie ist in diesem Sinne natürlich auch als mehrwertstiftende Arbeit einzuordnen, die von den gegenwärtigen Rahmenbedingungen profitiert und ebenfalls von der Kapitalseite finanziert wird.
Ressourcen
- Ifo-Institut – Geschäftsklimaindex August 2023