Paradies Lago d'Iseo

Dieser Wochenbericht trägt mediterranen Flair. Hieronymus weilt am Iseo-See, der sich jetzt im Frühsommer von seiner allerbesten Seite zeigt. Italien denkt nicht daran, eine Schuldenbremse einzuhalten. Statt dessen investiert man z.B. in Digital-, Schienen- und Radinfrastruktur und modernisiert das Land, während der deutsche Michel sparsam im 20. Jahrhundert verharrt.

Wochenbericht 18/24 Iseo, 10. May. 2024

Zinssenkungen

Die Notenbanken der Industrieländer sind unisono fest entschlossen, die Leitzinsen zu senken, auch auf Kosten einer dauerhaft höheren, allgemeinen Inflation.

Zuletzt bekräftigte die Bank of England ihre Absicht, den Leitzins im Sommer zu senken. Die Inflationsrate beträgt 3,2 Prozent – und liegt damit deutlich oberhalb des Inflationsziels. Die heimische Wirtschaft kann mit der Preisentwicklung offenbar gut leben: Zuletzt sprang das Wirtschaftswachstum auf 0,8 % an. Woraus speist sich die Besessenheit, die Geldpolitik zu lockern?

Die Argumentationen der Notenbanken gleichen sich: Die Inflationsrate ist (dank der hohen Leitzinsen) deutlich zurückgekommen. Dieser Trend kann fortgeschrieben werden. Weil Zinssenkungen erst mit einer Verzögerung wirksam werden, ist eine vorgezogene Zinssenkung scheinbar risikolos.

Je besser die Unternehmen mit der Geldentwertung klar kommen, desto tönender wird das Fundament dieser Begründung, desto größer ist die Gefahr, dass die Inflation durch (a) eine Abwertung der heimischen Währung und (b) die Stimulierung einer bereits boomenden Volkswirtschaft über das Potenzialwachstum hinaus nochmals angefacht wird.

Im Falle Groß Britanniens hat bereits eine Spekulation auf eine Abwertung des Pfunds eingesetzt. Trotz der Schwäche der Ökonomie in UK war der Markt bis März positiv für den Pfund eingestellt. Dies war der Erwartung geschuldet, dass die Bank of England erst nach der FED an der Zinsschraube drehen würde. Je mehr europäische Notenbanken ihre Geldpolitik lockern, ohne auf die FED zu warten, desto größer wird die Spekulation gegen das britische Pfund.

Gleiches gilt für die schwedische Riksbank. Diese senkte (mit obiger Begründung) den Leitzins am Mittwoch auf 3,75 Prozent.

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Abbildung 1: Leitzinsentwicklungen in den USA, der Eurozone und in Schweden

Die schwedische Notenbank hat eine gewisse »aktivistische« Tradition. Sie hat in der Vergangenheit häufig Zinszyklen der großen Volkswirtschaften überzogen. Das besondere diesmal: Die Notenbank geht bei Zinssenkungen voran. In der Vergangenheit senkte die Riskbank stets nach der FED und der EZB die Zinssätze. Das begründete sie mit ihrem Auftrag, die Währungsstabilität sicher zu stellen. Jetzt geht die Stabilität des schwedischen Immobilienmarkts vor.

Neben der Riksbank haben zuletzt auch die tschechische und die ungarische Notenbank die Leitzinsen gesenkt. Vorreiter war jedoch die schweizer SNB. Für den Markt ist die Sache damit klar: Europa senkt die Zinssätze vor der FED. Europa senkt die Zinssätze auch schneller, als die FED. Für Groß Britannien sind vier Zinsschritte bis zum Jahreswechsel eingepreist.

Das ist Rückenwind für

  • Aktienmärkte allgemein
  • Hochverschuldete Unternehmen im Besonderen.

Ob die Abwertung von Euro, Krone, Pfund etc. gegenüber dem US-Dollar entsprechend den Markterwartungen eintritt, darf bezweifelt werden. Die bereits bestehenden hohen Shortquoten in den Währungen deuten auf eine weitgehende Antizipation des Marktes für die divergente transatlantische Notenbankpolitik.

Marktkommentar

Die erneut aufgeflammten Zinssenkungsphantasien triggerten eine Fortsetzung der Aktienmarktrallye in Europa und in den USA. Die Outperformance der europäischen Aktienmärkte setzte sich fort.

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Abbildung 2: Preisentwicklung des S&P 500 (blau) und des EuroStoxx 50 (grün) im Vergleich

Die großen Indizes handeln wieder an der oberen Begrenzung der aktuellen Trading-Range. Wie vor sechs Wochen sind auch die Volatilitäten mit 11 Prozent extrem niedrig. Damals folgte eine Korrektur. Aktuell ist die Chance groß, dass die Märkte unisono neue Höchststände markieren und einmal mehr zur Unzeit (vor dem Sommer) trendfolgende Kaufsignale ausbilden.

Ein Marktkommentar fasste die Situation mit »Tanz in den Mai« anstatt »Sell in May« zusammen. Nach dem »Tanz in den Mai« folgt regelmäßig ein Kater …