Politische Börsen

Saisonal bedingt geht das Handelsvolumen in den kommenden Wochen deutlich zurück, gleichzeitig ebbt der Newsflow ab. Zugespitzte politische Rhetorik im Umfeld diverser Wahlentscheidungen ersetzt Wirtschafts- und Unternehmensmeldungen. Der Sommer­handel des Jahres 2024 steht ganz im Zeichen volkswirtschaftlicher Weichenstellungen beiderseits des Atlantik.

Wochenbericht 24/24 Stuttgart, 22. Jun. 2024

In der kommenden Woche treffen sich Donald Trump und Joe Biden zu einem ersten Fernsehduell. Diesem wird eine zentrale Rolle für den weiteren Verlauf des US-Wahlkampfes beigemessen. Beide Kontrahenten können sich Verstrickungen in laufende juristische Ermittlungen vorwerfen, einer ist ein verurteilter Straftäter. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass Tim Mellon, Enkel des ehemaligen Finanzministers Andrew Mellon(1921 - 1932) und Erbe des Mellon Bank Empires, unmittelbar nach dem Schuldspruch gegen Donald Trump 50 Mio. $ für dessen Wahlkampagne gespendet hat. Der Apfel fällt in diesem Fall nicht weit vom Stamm: auch Andrew Mellon konnte nur durch einen kostspieligen Vergleich einer Verurteilung wegen Steuer­hinter­ziehung entgehen. Das Familienvermögen der Mellons wird auf 12 Mrd. $ geschätzt. Insgesamt unterstützt die Familie D. Trump inzwischen mit 100 Mio $.

Die Mellon Familie weiss sich in ihrer Unterstützung der Trump Kampagne in guter Gesellschaft. Insbesondere Finanzinstitutionen zählen zu den Großspendern. In gewissen Kreisen gilt es wieder als Chique, Verbrecher und Staatsfeinde in Amt und Würden zu hieven. Zur Erinnerung: Auch Adolf Hitler war ein verurteilter Verbrecher.

24 Tage dauert das Verfahren vor dem “Volksgericht München”, bevor am 1. April 1924 das Urteil verkündet wird.
Rein rechtlich gesehen hätte der Richter auch die Todesstrafe verhängen können, zumindest aber hätte dem landfremden Adolf Hitler nach seiner Haftentlassung die Ausweisung aus Deutschland gedroht. Stattdessen verurteilt Landsgerichtsdirektor Georg Neithardt den überführten Hochverräter Adolf Hitler zu fünf Jahren Haft – von denen der Anführer des Putsches lediglich neun Monate tatsächlich im Gefängnis in Landsberg absitzt.
Die Hitler Show, Bayrischer Rundfunk

Deshalb steht in den USA im November genauso viel auf dem Spiel, wie in aktuell in Frankreich und im Herbst in Deutschland — was eignet sich besser für Spekulationen über die Entwicklung einzelner Branchen und Unternehmen, als politische Großereignisse? Expect the unexpected!

Hexensabbat

Am Freitag verfielen Optionen und Futures. Große Preis­bewegungen waren die Ausnahme. In Europa leiteten Blue-Chips und die großen Indizes nach den Europawahlen eine Korrektur ein, was mit größeren Preis­veränderungen einher ging. Danach kehrte wieder Ruhe ein. In den USA passierte die ganze Zeit wenig.

Das Open-Interest beim SPX betrug am Freitag 5 Millionen Kontrakte. Diese verfielen völlig geräuschlos.

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Abbildung 1: Preisverlauf des SPX-Index in der vergangenen Woche

Bemerkenswert war das hohe Open-Interest bei Nvidia. Hier verfielen 10 Mio. Kontrakte. Es ist sehr ungewöhnlich, dass Einzwelwerte ein höheres Options-Open-Interest aufweisen, als der Gesamtindex. Dies sagt sehr viel über den Grad der Spekulation in dem Einzelwert aus. Die meisten offenen Optionen waren Call-Optionen, also aggressive Kurzfristwetten auf steigende Marktpreise.

Im Wochenverlauf meldeten die Nachichtenagenturen, dass Nvidia zum wertvollsten Unternehmen der Welt avanciert war. Unmittelbar danach setzten Gewinnmitnahmen ein. Der Aktienpreis sank von 140 auf 125 $. Dieser Prozess egalisierte Bucherträge offener Long-Optionen. Der starke Preisverfall geht wesentlich auf das Schließen dieser spekulativer Optionen zurück. Am Verfallstag selbst wurden hauptsächlich Out of the Money Optionen abgerechnet, große Schlieflagen bestanden nicht mehr. Nvidia folgt der Statistik, wonach die überwiegende Mehrzahl eröffneter Optionen wertlos verfallen. Deshalb tritt Hieronymus meist als Verkäufer dieser Derivate auf.

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Abbildung 2: Preisverlauf der Nvidia-Aktie bis zum Optionsverfall

Sowohl das ungewöhnliche Optionsvolumen als auch die große Preisspanne der Aktie befeuern Spekulationen um ein Auslaufen der AI-Manie. Dazu trug auch die Pressekonferenz von Softbank am Donnerstag bei. Die japanische Investmentgesellschaft hatte den Einstieg in das AI-Geschäft verschlafen und musste sich zuerst durch einen Teilverkauf seiner ARM-Beteiligung Liquidität zum Plazieren von Wetten auf den AI-Trend beschaffen. Seither schwärmt das Management bei jeder Gelegenheit vom Potenzial bereits eingegangener Beteiligungen. Die Marktteilnehmer sind allerdings kritisch. Genauso hatte Softbank auch über das Geschäftsmodell der inzwischen abgewickelten WeWork geschwärmt. Nach den vollmundigen Äußerungen über die Potenziale von AI-PKW’s, AI-Drohnen und AI-Modellen, die »intelligenter« sind, als die derzeitige Avantgarde, verbilligte sich die Aktie um drei Prozent.

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Abbildung 3: Preisverlauf der IBM-Aktie in den vergangenen 11 Monaten

Der Kursverlauf der IBM-Aktie könnte eine Blaupause für die aktuell überkauften AI-Aktien darstellen. Die Aktie hatte im Frühjahr von der Aussicht auf neue AI-bedingte Ertragskanäle profitiert. Aktuell ist der Wert kaum wertvoller, als zu Jahresbeginn und mäandert trendlos vor sich hin.

Fragezeichen in Europa

Der Preisrutsch nach dem Ausgang der Europawahl und den neuen Risiken durch unerfahrene, populistische Politiker, die plötzlich in Regierungsverantwortung kommen könnten, pausiert aktuell. Der EuroStoxx schloß am Freitag knapp oberhalb 4900.

Eine Normalisierung ist das jedoch nicht. Der Unterschied der Volatilitäten diesseits und jenseits des Atlantik spricht Bände.

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Abbildung 4: Volatilitätsverläufe in Europa und den USA(blau)

Der Markt teilt die im letzten Wochenbericht vertretene These, dass die Schwäche der Legislative in Paris und Berlin in ganz Europa deutliche ökonomische Bremsspuren hinterlassen könnte. Dies wird durch die relative Schwäche des italienischen und spanischen Aktienmarkts bestätigt, die inzwischen zum Epizentrum des Ausverkaufs geworden sind. Am Freitag nutzten internationale Investoren die höhere Liquidität des Verfallstags zum Verkauf spanischer und italienischer Banken. Da die Unsicherheit in Frankreich mit den Wahlen erst richtig beginnen könnte und aus der deutschen Politik kaum mehr als sinnfreie Durchhalteparolen kommen, sind weitere Abgaben absehbar – es sei denn, die Volatilitäten VStoxx + VIX konvergieren zur Unterseite. Der Einfluß der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft auf die Kapitalmärkte dürfte hingegen vernachlässigbar sein.