Zurück zur Normalität

Seit 2021 wird der Optionshandel in Deutschland vom Gesetzgeber bestraft. Absicherungen dürfen nur in kosmetischen Dosen eingesetzt werden. Dies stellt eine unzulässige Benachteiligung dar, hat der BFH gerade entschieden. Für die Risikosteuerung der Handelssysteme können zukünftig aktiv absichernde Optionen und Futures eingesetzt werden. Das ist die bislang beste Nachricht des Jahres.

Wochenbericht 26/24 Stuttgart, 06. Jul. 2024

Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte

Bereits am 7. Juni veröffentlchte der 8. Senat des BGF (Bundesfinanzhof) ein befreiendes Urteil:

Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung ist die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) nicht mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar.
(Bundesfinanzhof, VIII-B-113/23-AdV)

Seit 2021 können Verluste aus Termingeschäften (Long-Options, Futures) nur bis zu einer Höhe von 20 k€ mit gleichartigen Erträgen verrechnet werden. Hieronymus verzichtet seitdem vollständig auf den Einsatz von Futures und setzt absichernde Long-Options nur sporadisch ein.

Mit dem Urteil des BGF ist das Gesetz zwar nicht ausgesetzt, Steuerbescheide können nun aber erfolgreich mit Bezug auf dieses Urteil angefochten werden. Es gibt folglich keinen Grund mehr, im Rahmen der Handelsstrategien auf den Einsatz von Futures und Long-Options zu verzichten. In der Steuererklärung können Verluste vollständig gegen Erträge aufgerechnet werden – auch rückwirkend.

Im konkreten Fall hatte der Steuerpflichtige ca. 250 k€ Erträge aus Termingeschäften erzielt. Diesen standen Verluste über ca. 227 k€ entgegen. Der Steuerpflichtige erhielt einen Steuerbescheid über 52 k€ an Einkommenssteuer. Der Steuerschuld standen nur die besagten 23 k€ Realerträge entgegen.

Der Steuerpflichtige bat den BGF festzustellen, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung nicht mit dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes (Artikel 3 Absatz 3) vereinbar ist – und damit nichtig.

Dieser Bitte ist der BGF vollumfänglich gefolgt. In 23 Sätzen nimmt das Gericht hierzu Stellung. Hier ein Auszug:

  • § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG bewirkt eine doppelte Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen
  • Steuerpflichtige, die Verluste aus Termingeschäften erzielt haben, werden durch § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG gegenüber Steuerpflichtigen mit Verlusten aus anderen Kapitalanlagen (…) ungleich behandelt, als die Verluste aus Termingeschäften nur mit Gewinnen aus Termingeschäften (…) nicht aber mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen ausgeglichen und verrechnet werden können
  • Die Ungleichbehandlung negativer Kapitalerträge aus Termingeschäften gemäß § 0 Abs. 6 Satz 5 EStG wird dadurch verschärft, dass die Vorschrift entgegen den Vorgaben des objektiven Nettoprinzips zu einer asymmetrischen Besteuerung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften (…) führt
  • Die Regelung widerstreitet auch den grundsätzlichen Einkünfteermittlungsregeln für Kapitalerträge
  • (Es) werden nur positive Kapitalerträge aus Termingeschäften dem Steuerabzug unterworfen (§ 43 Abs. 1 Nr. 11 EStG)
  • § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG (…) führt zu einer Nachschusspflicht des Steuerpflichtigen aus anderen Einkünften oder versteuertem Vermögen, wenn die anfallende Einkommensteuer nicht aus den durch Termingeschäfte erwirtschafteten Einnahmen entrichtet werden kann
  • Die Verlustausgleichs- und -verrechnungsbeschränkung hält (…) auch einer Prüfung am Maßstab des Willkürverbots nicht stand
  • Der Senat sieht bei der gebotenen, aber ausreichenden summarischen Prüfung keine tragfähigen sachlichen Rechtfertigungsgründe für die dargelegten Ungleichbehandlungen.
  • Entgegen der Annahme in der Gesetzesbegründung sind Termingeschäfte im Sinne des Paragraphen 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht in jedem Fall hochspekulative Anlagen, sondern dienen regelmäßig als Absicherungsgeschäfte, etwa zur Absicherung von Kurs-, Währungs- oder Zinsrisiken, und entfalten als solche risikomindernde Wirkung

Zum gleichen Thema wurde bereits 2021 eine Verfassungsklage eingereicht, die zur Entscheidung angenommen wurde. Das Urteil des BFH liest sich in weiten Strecken wie die Ankündigung eines positiven Urteils auch des Bundesverfassungsgerichts. Diese Entwicklung ist ein Arbeitsauftrag an Hieronymus, die Optionshandelsysteme einem kritischen Review zu unterziehen und z.B. bei sehr kurzen Restlaufzeiten und/oder sehr geringen Volatilitäten ergänzende Futures einzubeziehen.

Pragmatismus bei der Preisfindung in Europa

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Abbildung 1: Zurück zur Normalität auch beim EuroStoxx 50 – Marktpreise und Volatilitätsverlauf(blau) in den vergangenen drei Monaten.

In der Abb. 1 ist der Preisverfall nach der Europawahl und der gleichzeitige Anstieg der Volatilität dargestellt. Die Volatilität spiegelt die Unsicherheiten bezüglich des Wahlausgangs in Frankreich. Mit der Bekanntgabe der Ergebnisse des ersten Wahlgangs am vergangenen Montag ist die Phase der Unsicherheit abgeschlossen. Die Normalisierung der Volatilität und der Preisanstieg um (immerhin) 100 Punkte im Wochenverlauf ist entweder die »Belohnung« für die demokratischen Kräfte, ein Bollwerk gegen den RN zu errichten oder der Erkenntnis geschuldet, dass ein Wahlsieg des RN Frankreich zu einem Abbild Italiens machen würde. Dort vollzieht sich der gesellschaftliche Rechtsruck bei gleichzeitiger ökonomischer Prosperität.

BTW: Der italienische Faschismus war und ist weder im besonderen Maße ausgrenzend oder xenophob, noch antikapitalistisch. Unter Mussolini strebte Italien nach einer Einheit von Volk, Führung und Unternehmertum. Der RN ist zwar viel zu stolz, die Konzepte der italienischen Postfaschisten zu übernehmen. Die Marktteilnehmer schreckt eine von dem RN beherrschte französische Nationalversammlung aber trotzdem nicht. Hieronymus ist gespannt, ob sich das Muster auf Deutschland im Herbst 2024 übertragen lässt, wenn absehbar eine braune Welle die Osthälfte bedecken wird, die weitaus radikaler auftritt, als die italienischen und französischen Pendants.

Microsoft mit neuem Allzeithoch

Microsoft ist unangefochten das wertvollste Unternehmen der Welt: Die Marktkapitalisierung beträgt aktuell 3,475 Billionen US-Dollar. Es folgen Apple mit 3,47 und Nvidia mit 3,095 Billionen Dollar. Der Chart spricht Bände.

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Abbildung 2: The Trend is your Friend: Microsoft

Der Titel hat einen stabilen Trend ausgebildet; die Tageskerzen verteilen sich symmetrisch um das Zentrum des Trendkanals. Die Volumenentwicklung ist unspektakulär. Es gibt aber Warnzeichen: Neue Höchststände ziehen keine neuen Käuferschichten in den Wert. Das durchschnittliche Handelsvolumen ist während der gesamten Trendphase konstant. Aktuell zieht nicht einmal der Monatswechsel neue Käufer in den Wert. Das war im Juni und auch im Mai anders. Jeweils zum Monatswechsel werden viele Sparpläne aktiv. Die erste Handelswoche eines jeden Monats trägt aus diesem Grund einen positiven Bias. Zwar werden Hauptsächlich ETF’s bespart. Die hohe Gewichtung Mirosofts erfordert Nachkäufe von replizierenden ETF’s. Das geringe Handelsvolumen der jüngsten positiven Tageskerze mag dem Brückentrag in den USA geschuldet sein (am Donnerstag waren die Finanzmärkte wegen dem Independent-Day geschlossen). Die Divergenz zwischen Volumen- und Preisentwicklung ausgerechnet bei der Ausbildung eines neuen Allzeithochs ist auf jeden Fall ein Warnsignal. Höchstwahrscheinlich geht der Wert aber »nur« in eine sommerliche Seitwärtsphase über.