brat summer

In der vergangenen Woche gingen allerlei Formate und Institutionen »brat«. Die westliche Welt hat einen – ausnahmsweise mal schlauen – Sommerhit und die USA die Chance auf einen Generationswechsel im Weißen Haus. Die Finanzmärkte sind unentschlossen. Da ist der Trump-Trade: niedrige Zinsen, corporate USA, fossile Industrien, Krypto. Und der Harris-Trade: nachhaltige Geschäftsmodelle, Regulierung der Internet-Giganten sowie eine Portion Unsicherheit und Mißtrauen. Beide Lager sind gleichauf, also was tun?
Die Volatilität steigt, hochkapitalisierte Werte stehen auf den Verkaufslisten und an weitere Preisaufschläge glauben nur noch wenige.

Wochenbericht 29/24 Stuttgart, 27. Jul. 2024

Mit einem Geniestreich hat sich Mr. Biden aus dem aktiven Berufsleben zurückgezogen. Zuerst lies er (bzw. seine Berater) es zu, dass der Optimismus beim politischen Gegner bereits drei Monate vor dem Wahltermin in Euphorie übergeht. In diesem Überschwang liess sich Donald Trump sogar dazu hinreißen, einen noch konservativeren, radikaleren, »fringe» Kandidaten für den Vizepräsidenten zu nominieren.

Wahlen werden auch in den USA in der Mitte entschieden. Mit dem »Ticket« versuchen die Republikaner die Mitte nach rechts zu verschieben. Das kann nur gelingen, wenn die politische Alternative extrem schwach ist.

Das hat sich nun geändert.

Bereits am Dienstag ging das Meme »brat summer« viral. Eine zu den Pop-Songs von Charli XCX tanzende Kamala Harris, die erfrischende Einsichten über Kokuspalmen zum Besten gibt und den Mood für einen historischen Sommer für die USA vorgibt. Größer könnte der Gegensatz zur rückwärtsgewandten Rhetorik des nun sehr, sehr alt wirkenden Mr. Trump nicht sein. In den USA ist man sich der Tragweite der Ereignisse sehr wohl bewußt. Hieronymus vertrat seit einigen Wochen die Auffassung, dass die Demokraten mit jeder Schießbudenfigur gegen Trump gewinnen können, sobald sich Biden den Realitäten gebeugt hat.

Kann der US-Wahlkampf die Dynamik der letzen Wochen hinsichtlich überraschender Wendungen und Drehungen halten oder ist das Meme »brat summer« bereits der Abgesang auf die Exotik des frühen Wahlkampes? Der größte Fehler der Republikaner ist, dass Nikki Haley, die ernsthafteste Konkurrenz zu Donald Trump, nicht nominiert wurde. Ein Ticket Trump/Haley hätte auf Augenhöhe zum Wahlkampf von Frau Harris operieren können. Nun droht sich der Wahlkampf zu einer Schlacht um Ideologie und Dogmen zu entwickeln, für Argumente und weitere vorwärtsgerichtete, lebensbejahrende Memes/Entwicklungen bleibt kaum Raum.

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Abbildung 1: Zustimmungswerte für die US-Präsidentschaftskandidaten.

Aktuell ist das Momentum klar auf der Seite der regierenden Demokraten. Hieronymus ist gespannt, welches Kaninchen die finanziell üppig ausgestattete Trump-Kampagne nun aus dem Hut zaubert, um das zu ändern. Vermutlich werden wir uns bald ernsthaft mit den Drohungen auseinander setzen müssen, dass die MAGA-Republikaner einen Wahlsieg Harris niemals akzeptieren werden. Jetzt ist aber erstmal brat summer!

Tesla: Widersprüche und Fragezeichen

Elon Musk spendet wöchentlich 45 Mio. Dollar für die Trump-Wahlkampagne. Die Beweggründe sind unklar. Schließlich hat die MAGA-Front elektrisch betriebenen Fahrzeugen den Kampf angesagt. Die Wertschöpfung der fossilen Industrien in den USA ist einfach zu bedeutend. In welcher Rolle sieht sich Musk zukünftig? Hat er den Anspruch aufgegeben, Tesla als den weltweit führenden E-Fahrzeughersteller zu entwickeln? Sieht er sich nun gleichauf mit den anderen vermögenden AI-Entrepreneuren aus dem Silicon-Valley bzw. Texas und bläst deshalb ins reaktionäre, libertäre Horn?

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Abbildung 2: Preisentwicklung typischer Autowerte: Tesla(weiss), BYD(magenta) und GM(blau)

Der Rechtsruck von Elon Musk tut der Tesla-Aktie jedenfalls nicht gut. Seit November 2021(!) performt die Aktie schlechter als General Motors, zuletzt läuft sogar die BYD-Aktie besser. Zudem schwankt der Marktwert deutlich stärker, als bei der Konkurrenz. Typisch für einen Wert in einer übergeordneten Korrektur: spekulativ steigt der Aktienpreis immer wieder dynamisch an, um danach genauso schnell und hefig wieder abverkauft zu werden.

Auf der Präsentation der Quartalszahlen holt Elon Musk schließlich die »große Keule« hervor: Tesla wird den Markt für humanoide Roboter erschließen. Jeder Mensch benötigt mindestens einen. Die neue Sparte soll das aktuelle KGV von 94 begründen. Aktuell verdient Tesla 2,35 $ pro Aktie und Jahr. Für 2029 geht der Konsens von einem Ertrag von 9,5 $ pro Aktie und Jahr aus.

Was heisst das konkret, fragte Robert Armstrong im FT-Blog »Unhedged«. Die Antwort blieb er glücklicherweise nicht schuldig und formulierte folgende Managementziele:

  • Die Fahrzeugsparte erzielt 2029 einen Umsatz von 150 Mrd. $. Das entspricht einem Wachstum des Fahrzeugabsatzes um 15 Prozent pro Jahr.
  • Der Umsatz der Speichersparte steigt auf 34 Mrd. $. Das ist derzeit der einzige Wachstumsbereich bei Tesla..
  • Bei humanoiden Robotern gelingt es, bis 2029 einen Umsatz von 1,6 Mrd. $ zu erzielen.
  • Die Softwaresparte generiert einen Umsatz von 32 Mrd. $. Musk prahlt immerfort damit, dass Tesla beim autonomen Fahren die Poleposition inne hat. Die Software wird an andere Hersteller verkauft.
  • 12 Mrd. $ Umsatz werden die durch neue Produkte erwirtschaftet.
  • Schließlich gelingt es Musk, die Steuerlast für den Konzern weltweit auf 10 Prozent zu begrenzen.
  • Last not Least werden keine neuen Aktien mehr ausgegeben werden, die den Wert immer wieder verwässern.

Als Ergebnis kommt Unhedged zur Erkenntnis, dass die Bewertung für Tesla nur dann einen Sinn macht, wenn die Company als Ganzes als Venture Capital Sammelstelle mit einem hervorragenden Track-Record betrachtet wird und die öffentlichkeitswirksamen Aktionen einzig dem Ziel dienen, die Investoren immer wieder ruhig zu stellen.

Tesla gehörte bis 2021 in den exklusiven Club der Big-Seven. Im Rahmen der Underperformance der Aktie ist sie dort herausgefallen.

Volatilitäten

Die angelaufene Quartals-Berichtsaison, Unsicherheiten bezüglich des weiteren Pfads der Geldpolitik sowohl in den USA, Japan und auch Europa, divergente ökonomische Entwicklungen diesseits und jenseits des Atlantik und schließlich die Saisonalität führten zu einem signifikanten Anstieg der Volatilität.

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Abbildung 3: Entwicklung der Volatilität in den vergangenen 12 Monaten (30 Tage, Underlying: S&P 500)

Optionen verteuern sich mit steigender Volatilität. Da die Optionshandelssysteme stets Optionen verkaufen, ist es bereits ein Erfolg, wenn die Wertentwicklung in dieser Phase stabil ist.
Da die Marktpreise leicht gesunken sind, wurde das Estx-Handelssystem moderat zur Preisunterseite angepasst. Der Volatilitätsanstieg ist auf die kurzen Optionslaufzeiten beschränkt. Übergeordnet geht der Markt von einer Fortsetzung eines impulsarmen Handels aus. Weitere moderate Preisrückgänge sind aber wahrscheinlich.