Das Comeback der Volatilität

Am Montag sprang die Volatilität an den Aktienmärkten global massiv an. Nach einer Beruhigungsspritze durch die Bank of Japan am Dienstag gingen viele wieder zur Tagesordnung über. Im Ergebnis hat sich der Abwärtstrend fast überall verstärkt. Die Volatilität ist auch zum Wochenende hoch – und es gibt viele Gründe, dass das so bleibt.

Wochenbericht 31/24 Stuttgart, 10. Aug. 2024

Bereits der vergangene Hieronymus-Wochenbericht befasste sich mit der dynamischen Entwicklung der Volatilität an den Aktienmärkten. Diese Entwicklung setzte sich in dieser Woche fort.

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Abbildung 1: Preisentwicklung beim EuroStoxx 50 (Kerzen) und Implizite Volatilität (blau, 1 Jahr).

Im Vergleich zur Vorwoche hat sich ein entscheidender Faktor geändert: Die Volatilität hat sich oberhalb des bisherigen Maximalniveaus der „ruhigen Marktphase“ seit November 2023 etabliert. Obwohl sich die Kurse in den letzten Tagen leicht erholten und die Volatilität, gemessen am VStoxx, von 30 auf 20 Prozent zurückging, bleibt das erhöhte Volatilitätsniveau bestehen. Parallel dazu zeigt der EuroStoxx 50 einen dynamischen Abwärtsimpuls.

Der Rückgang der Volatilität ist größtenteils auf die „Erkenntnis“ zurückzuführen, dass im Zuge der Neuorientierung der japanischen Geldpolitik derzeit und in absehbarer Zukunft Yen-Carry-Trades im Umfang von 10 bis 20 Billionen Dollar aufgelöst werden. Diese Carry-Trades stellen hauptsächlich Liquidität für Investitionen und Spekulationen bereit, und infolgedessen müssen entsprechende Engagements aufgelöst werden. Dieser Zusammenhang wurde in der vergangenen Woche intensiv in der Finanzpresse thematisiert.

Damit ist nun auch dem Letzten klar geworden, dass die aktuellen Marktpreise, unabhängig von konjunkturellen Entwicklungen, nicht tragfähig sind.

TS Lombard estimates that investors may need to find up to $1.1tn to pay off yen carry-trade borrowing.
FT, 10.8.2024

Fiskalische Maßnahmen und Zinssenkungen in den anderen Industriestaaten können den Liquiditätsabfluss zwar abmildern. Die »Kosten« sind jedoch erheblich. Bei fiskalischen Maßnahmen tragen die Steuerzahler über die erhöhte Zinslast in den Staatshaushalten die Last. Eine zu lockere Geldpolitik hingegen treibt die Inflation an, wodurch die Verbraucher letztlich die vermiedenen Preisabschläge zahlen. Ohne solche Eingriffe würde die Kapitalseite die Belastungen tragen müssen, was weitreichende Konsequenzen für das Vermögen breiter Bevölkerungsschichten, insbesondere in angelsächsischen Ländern, hätte. Am Ende gibt es nur Verlierer!

Nach dem Preisrutsch am Montag beeilte sich die Bank of Japan die Märkte verbal zu besänftigen. Die Straffung der Geldpolitik in Japan wird in infinitimalen Dosen erfolgen. Die japanische Notenbank kennt sich mit der Moderation von Kapitalmärkten sehr gut aus …

Perspektivisch nutzen entweder langjährige Carry-Trader oder die Bank of Japan jede substanzielle Markterholung für den Abbau von Positionen bzw. für eine Straffung der Geldpolitik. Preisaufschlägen ist damit ein wirksamer Riegel vorgeschoben.

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Abbildung 2: Preisentwicklung beim Nikkei (1 Jahr).

Der Preisverlauf beim Nikkei gibt einen Vorgeschmack auf die Zukunft. Die Marktpreise in Japan sind an der Marke von 35.000 festgenagelt. Weitere Preiserhöhungen treffen charttechnisch sofort auf massive Widerstände.

Rezession!

Die Wochenendausgabe der Financial Times macht mit folgender Schlagzeile auf:

US junk loan funds suffer biggest outflows in 4 years

Demnach wurden in der vergangen Woche Fonds im Wert von 2,5 Mrd. Dollar zurückgegeben. Die Begründung: Furcht vor sinkenden Zinsen.
Das Marktsegment hat ein Volumen von etwa 1.300 Mrd. $.

Die Fonds übernehmen kurzfristige, variabel verzinstze Kreditlinien und kassieren die gezahlten Zinsen. Falls die Marktzinsen in den USA sinken, versiegen die Einnahmeströme. Sinkende Zinsen, so das neue Narrativ, zeigen eine sinkende ökonomische Aktivität (Rezession) an. In diesem Szenario steigen trotz geringerer Zinseinnahmen die Ausfallrisiken. Geshortete Loan Funds sind das Vehikel der Stunde, um auf eine US-Rezession zu spekulieren.

Dies stellt eine dramatische Veränderung der Wahrnehmung an den Finanzmärkten dar. Bis vor einer Woche begrüßten die Marktteilnehmer Zinssenkungsabsichten der FED. Nachdem die Marktpreise an den Aktienmärkten deutlich nachgegeben haben und auch die Inversion der Zinsstrukturkurve beendet ist, werden Nachrichten anders interpretiert.

Zinssenkungen sind nun eine Reflexion auf eine Rezession, die man bekannlich erst im Rückspiegel als solche erkennt. Je stärker die FED die Zinsen senkt, desto deutlicher könnte sich rückblickend die tatsächliche Schwere der Rezession herausstellen

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Abbildung 3: Korrelation oder Zufall?.

Als zusätzliche Unsicherheit lastet die US-Wahl auf den Marktpreisen. Wallstreet hat sich mit D. Trump arrangiert und finanziert seinen Wahlkampf großzügig. Das aktuelle Popularitätshoch bei den Demokraten stellt die Sinnhaftigkeit der Ausgaben in Frage.
Sinkende Volatilitäten sind bis zu den US-Wahlen kaum zu erwarten. Die Marktteilnehmer fordern höhere Risikoprämien – sinkende Marktpreise sind die Konsequenz – auch wenn die konjunkturelle Lage stabil bleibt.

Warren Buffet des Mittleren Ostens

n den USA liquidiert Berkshire Hathaway derzeit massiv strategische Positionen. Apple und Bank of America, über viele Jahre hinweg Kernbestandteile des Portfolios, wurden von Warren Buffett nun teilweise abgestoßen. So hat Berkshire Hathaway 50 % seiner Beteiligung an Apple verkauft, und es scheint, als ob die Position in der Bank of America vollständig aufgelöst wird.

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Abbildung 4: Warren Buffet hortet Cash.

Die Abb. 4 suggeriert, dass Phasen mit größeren Cash-Quoten bei Berkshire Hathaway mit schwankenden und/oder sinkenden Marktpreisen einher gehen. Es könnte allerdings auch sein, dass eine sehr umfangreiche Akquisition vorbereitet wird.

Bei der Recherche stolperte Hieronymus über die aktuelle Nummer zwei der weltweit größten Beteiligunsgesellschaften: International Holding Company (IHC) aus den Emiraten.

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Abbildung 5: Preisentwicklung der IHC-Aktie.

Die Marktkapitalisierung ist mit fast 250 Mrd. $ deutlich höher, als die der Prosus (155 Mrd. $). Dennoch ist die Aktie nur an der Abu Dhabi Securities Exchange (ADX) gelistet. Ein Handel über Interactive Brokers sollte nach der Freischaltung dieses Handelsplatzes möglich sein.

Die IHC investiert massiv in AI. Die Preisentwicklung der Aktie ist (vermutlich wegen der Intransparenz der Beteiligungen) wenig mit anderen Aktien korreliert. Interessant auch: Der Wert ist nicht im MSCI UAE enthalten (und deshalb auch nicht in den Portfolien der UAE-ETF’s)! Der MSCI UAE tritt seit Jahren auf der Stelle und ist unter Chance-Risiko-Aspekten wenig interessant.


Zum Abschluß ein aktueller Hörtip. Im Interview der Woche des Deutschlandfunks ist aktuell Adam Tooze zu Gast. Es lohnt sich, dort eine halbe Stunde zu verweilen. Das Thema: Die USA vor den Wahlen und die Konsequenzen für Europa.

https://www.deutschlandfunk.de/idw-mit-dem-wirtschaftshistoriker-adam-tooze-dlf-e9a22f85-100.html


Unterbrechung der Updates für die Handelssysteme

Nach zwei Serverausfällen und erfolgloser Ursachensuche ist es an der Zeit die Infrastruktur neu aufzusetzen. Die Ereignisse des vergangenen Wochenendes haben die Risiken reiner Stillhalterpositionen sehr deutlich aufgezeigt. Da das faktische Verbot von Absicherungspositionen in Deutschland von mehreren Gerichten erheblich in Zweifel gezogen wird, erweitert Hieronymus die Handelsysteme. Mit der Migration der Serverinfrastruktur legen wir die Grundlagen für diversifizierte Handelsstrategien. Wegen der absehbar weiterhin höheren Marktvolatilität dürften die Stillhalterhandelssysteme in der zweiten Jahreshälfte gut performen.

Die Schaufenster der Handelssysteme können voraussichtlich erst wieder in einer Woche aktualisiert werden.