Es ist offiziell: Die Zinsen gehen überall runter, außer in Japan. Das kann als
gefährliche Divergenz angesehen werden oder als überfällige Harmonisierung der
Zinslandschaft. Die Finanzmärkte neigen aktuell zu Letzterem.
Seit Freitag ist auch klar: Der US-Arbeitsmarkt ist längst nicht so robust,
wie gedacht. Das lässt Spekulationen über weitere Zinssenkungen viel
Raum zur Entfaltung. Mangels Alternativen, wertet nun der US-Dollar ab.
In der letzten Ausgabe dieser Wochenberichte prognostizierte
Kuzuo Ueda, derzeit Vorsitzender der Bank of Japan, stellte sich den Fragen der Abgeordneten im Parlament. Er warb für die eingeleitete Änderung der Geldpolitik. Die BoJ würde ungeachtet der Turbolenzen der letzten Wochen die Zinsen weiter anheben, konstatierte Ueda. Die gegenwärtige Instabilität an den Kapitalmärkten ist für die BoJ Teil des Prozesses der Normalisierung ihrer Geldpolitik. Seine Botschaft: Ueda lässt sich nicht von den Marktteilnehmern aus dem Konzept bringen.
Am Freitag Nachmittag sprach Jaw Powell, der Vorsitzende der US-FED, auf dem internationalen Notenbankertreffen in Jackson Hole. Seine Botschaft gleicht der von Ueda: Die FED ist auf Zielkurs und geht unbeirrt ihren geldpolitischen Weg. Dieser unterscheidet sich diametral von dem in Japan. In den USA werden die Zinsen im September gesenkt. Wie stark, liess Powell offen.
Am Freitag wurden zudem Revisionen zu den US-Arbeitsmarktstatistiken (Non-Farm Payrolls) veröffentlicht. Danach hat die vorläufige Schätzung in den letzten Monaten den tatsächlichen Arbeitsplatzaufbau deutlich überschätzt: In den 12 Monaten von März 2023 bis 2024 wurde die Anzahl neu geschaffener Stellen um 810.000 reduziert. Anstatt 274.000 neu geschaffener Stellen pro Monat wurden »nur« 174.000 Stellen aufgebaut.
In der Konsequenz beeilten sich die Finanzmarktteilnehmer, weitere Leitzinssenkungen einzupreisen. Da Aktien- und Rentenmärkte bereits vorgelaufen waren, passierte hier wenig. Die Anpassungslast trug am Freitag der US-Dollar. Dieser wertete gegen alle Handelspartner deutlich ab. Der Euro notiert aktuell mit fast 1.12 EUR/USD auf einem Drei-Jahres Höchstand.
Seit dem 24. Juni wertete der Euro um 5 ct. auf, fast 6 %.
Die Finanzmärkte sind auch in Japan wieder zur Tagesordnung übergegangen. Die scharfen Ausschäge sind egalisiert und auch die Volatilität ist wieder zurückgekommen. Die Aufwertung des Yen, die die Aktienmärkte Anfang August so stark belastete, pausierte fast zwei Wochen. Seit dem 15. August setzt sich der Aufwertungsprozess des Yen fort, diesmal bleiben die Aktien- und Rentenmärkte stabil. Die BoJ hat die Finanzmärkte ein weiteres Mal gezähmt.
Ölpreis im Wechselspiel der Kräfte
Am Freitag erreichten Bilder eines brennenden Öltankers im Golf von Aden die Weltöffentlichkeit. Der unter griechischer Flagge verkehrende Tanker hat ca. 1 Mio. Barel Rohöl geladen, die in das Rote Meer fließen könnten. Das Öl sollte nach Israel verschifft werden.
Die Nachricht unterbrach den jüngsten Abwärtstrend beim Ölpreis. Vorher strebte der Ölpreis dynamisch das bisherige Jahrestief an.
Für die zentralen Mächte im Mittleren Osten ist ein hoher Ölpreis essentiell. Der Haushalt Saudiarabiens legt einen Durchschnittspreis von 112 $/Barel zugrunde. Etwa 15 % der Einnahmen aus dem Ölexport gehen in den Staatsfonds (PIF). Damit stellt das Land den Finanzmärkten Liquidität in Form von Petrodollar bereit. Sinkende Ölpreise könnten diese Liquiditätsquelle zum Versiegen bringen. Anstatt den Staatshaushalt mit den Überschüssen von Saudiaramco zu finanzieren, könnte Saudiarabien natürlich auch Staatsanleihen emittieren oder Einkommenssteuern erheben. Das würde allerdings die Stellung des Könighauses schwächen, die Normenkatura entmachten, und wäre zudem extrem unpopulär.
Auch der Iran, der hinter den Houthi-Attaken auf den Schiffsverkehr im Roten Meer steht, ist auf die Einnahmen aus dem Öl-Export angewiesen. Der Krieg mit Israel ist ein willkommener Anlass, die Energiemärkte mit Guerilia-Methoden zumindest kurzfristig zu drehen.
Die USA und in derem Schlepptau auch die westlchen Industriestaaten profitieren auf der anderen Seite von stabilen Energiekosten. Insbesondere in den USA sind hohe Ölpreise signifikate Inflationstreiber. Präsident Biden hat mehrfach die strategische Öl-Reserve angezapft, um kurzfristig die Inflation zu senken. Weiter sinkende Marktpreise wird die USA zum Auffüllen der Öllager nutzen.
Weiter sinkende Ölpreise sind höchst unwahrscheinlich.
Möglicherweise ist dieser Zusammenhang für die Stagnation der Preise am Rentenmarkt verantwortlich. Obwohl nun überall Zinssenkungen angekündigt sind, stagnieren die Notierungen.
Weiter Volatilitat
Auch wenn sich das Marktgeschehen in der vergangenen Woche weiter beruhigt hat, stehen die Zeichen weiter auf eine Fortsetzung der Sommerkorrektur. Im besten Fall beschert der Herbst ein munteres, orientierungsloses Auf und Ab, das durch die Frontverläufe im US-Wahlkampf determiniert wird.
Bisher interpretieren die Finanzmärkte die Zinssenkungsabsichten der meisten Notenbanken als Zeichen des Sieges der Zentralbanken über die Inflation. Das kann sich allerdings rasch ändern. Schwächere Wirtschaftsdaten können genauso als Hinweise auf Stagnation oder gar als Käuferstreik (demand driven slowdown) interpretiert werden. Dann wären die Notenbanken gezwungen, die Leitzinsen genauso rasch zu senken, wie sie vor zwei Jahren angehoben wurden. Für dieses Szenario spricht z.B. die Ankündigung der schwedischen Risksbank, die Leitzinsen in diesem Jahr dreimal zu senken.