Die Risikowahrnehmung ist zurück. Die Geopolitik ist an den Finanzmärkten angekommen. Der Verfallstag an den Terminmärkten in Kombination mit einem dysfunktionalen US-Repräsentantenhaus und einer explosiven Lage im Nahen Osten zwingt die Aktienmärkte in eine Korrektur, die trotz einiger Gemeinsamkeiten nicht mit dem Crash im Jahr 1987 vergleichbar ist.
Vor 36 Jahren, am 19. Oktober 1987, einem Montag, sackte der Dow-Jones-Index um 22,6 Prozent ab.
Gefragt, was danach geschah, erhielt
- Oktober 1987: Der S&P 500 verliert 20 %. Die Anleihenkurse steigen um 2,4 %
- November 1987: Der Abwärtstrend an den Aktienmärkten setzt sich fort. Der Dow Jones Industrial Average fällt um weitere 11,9 %. Der S&P 500 verliert in diesem Monat 10,4 %. Die Anleihenkurse steigen im November um weitere 1,4 %.
- Dezember 1987: Der Markt beginnt sich zu erholen. Der Dow Jones Industrial Average steigt im Dezember um 9 %. Der S&P 500 legt in diesem Zeitraum 8 % zu, Anleihenotierungen klettern nochmals um 0,9 Prozent..
Eine Erinnerung zur Demut gegenüber extremen Marktereignissen. Der Anlass des Kurssturzes war ein mangelhaft regulierter Computerhandel. Die Ursache war die Diskrepanz zwischen Marktzinsniveau und Aktienmarktbewertung. Ersetzt man Computerhandel durch AI-Handel sind die Rahmenumstände durchaus mit der Gegenwart vergleichbar.
Geopolitik ist ein »Dirty Business«
Joe Biden flog extra nach Israel, um die dortige Staatsführung persönlich vor Langzeitfolgen ihrer Reaktion auf den Terror der Hamas zu warnen. Es gab keinen besseren Botschafter dieser Message, schließlich hatte die unbedachte Reaktion der Bush-Administration nach dem 9/11-Event nachhaltig negative Konsequenzen, die bis heute nachwirken. Genützt hat es wenig. Israel bestraft die Palästinenser kollektiv. Menschen im Gaza-Streifen wird das Lebensrecht per Se abgesprochen, die Bewegungsfreiheit der Bewohner der übrigen besetzten Gebiete wurde nochmals deutlich eingeschränkt.
Trotzdem gelingt es dem israelischen Staat irgendwie, die westlichen Staaten weitgehend kritiklos für seine Sache einzuspannen. Wer vorsichtig darauf hinweist, dass die Gewaltspirale durch die permanente und immerfort verschärfte Diskriminierung der Palästinenser immer weiter befeuert wird, ist wird stigmatisiert, wie zuletzt bei der Eröffnung der Buchmesse in Frankfurt zu beobachten. Plötzlich fühlt sich unser Land wieder an, wie in den Zeiten der Studentenunruhen, wo jede kritische Äußerung massiv abgekanzelt wurde. Trotzdem fanden am Samstag überall in Europa kraftvolle Demonstrationen mündiger Bürger statt, die ihre Solidarität mit den eingeschlossenen Menschen im Gaza-Streifen ausrückten.
In den USA sind die Fronten ebenso verhärtet. Das jüdische Establishment ist vermögend und staatstragend. Immerhin ist es möglich, sich z.B. über das global ausgestrahlte CNN eine ausgewogene Meinung zu bilden. Jede öffentliche Kritik hat aber Konsequenzen. Das spüren gerade die eigentlich weltoffenen Universitäten. Sie sind Spendenfinanziert. Schon die Drohung, die Untersützung auszusetzen, unterbindet jede aufkeimende Kritik.
Der Graben zwischen der westlichen und der arabischen Welt ist krass. Auf der einen Seite eine allumfassende Repression kritischer Äußerungen zum Verhalten Israels, auf der anderen Seite protestieren so viele Menschen wie seit dem arabischen Frühling nicht mehr vereint gegen die Brutalität der Atom- und Besatzungsmacht Israel. Zwischen den Fronten: Zwei US-Flugzeugträger, die quasi als Schiedsrichter die Welt vor einer Eskalation der Gewalt bewahren, die Menschen Gaza’s aber opfern.
Wirkung auf die Finanzmärkte
Die Finanzmärkte haben in der vergangenen Woche die geopolitischen Risiken »eingepreist«.
- Die Volatilität ist um ein Viertel auf 22 (Europa) bzw. fast 24 Prozent (USA) gestiegen.
- Aktienindizes sind im Wochenverlauf um drei bis vier Prozent preiswerter geworden.
- Anleihenpreise sind weiter gesunken, insbesondere bei Langläufern. Die Zinsstrukturkurve ist in den USA nun ausgeglichen, langfristige Anleihen bieten gleiche Renditen, wie Kurzläufer.
Das in der Vorwoche anvisierte Kursziel von 3.500 beim EuroStoxx-Index ist ein ganzes Stück näher gekommen.
Positiv ist zu vermerken, dass die Marktteilnehmer nun vermehrt einen Absicherungsbedarf erkennen. Die deutlich gestiegene Volatilität ist ein Proxy für die Nachfrage nach Put-Optionen. Längerfristig sind die Investoren aber weiterhin tiefenentspannt. Es werden ausschließlich kurzlaufende Optionen nachgefragt. Die Volatilität bei Fälligkeiten im Januar oder März 2024 ist unverändert bei 15 Prozent.
USA: Terminmärkte sorgen für Verkaufsdruck
Geopolitische Risiken und die weiterhin ungelöste Frage, wann das Repräsentantenhaus wieder arbeitsfähig ist, waren in Kombination mit Zinsängsten und verhaltenen Quartalszahlen ein hervorragender Anlass, die Marktpreise zum monatlichen Optionsverfall am Freitag auf ein neues Monatstief zu drücken. Seit dem Jahreshoch Anfang August ist der S&P 500 jetzt auf Wochenschlußkursbasis zehn Prozent preiswerter geworden.
Zum Wochenschluß kreuzte der Preis des S&P 500 die 200-Tageslinie (gleitender Durchschnitt). Das gilt als trendfolgendes Verkaufssignal.
Die Trefferquote dieses Handelssignals ist allerdings so niedrig, dass erfolgreiche Handelssysteme dies sogar als Einstiegssignal nutzen.
Nasdaq: Make or Break
Charttechnisch steht beim US-Technologie-Index eine Richtungsentscheidung an. Seit Juni handelt der Index in einer Tradingrange zwischen 14.600 und 15.800 Punkten. Sollten die Assetpreise weiter sinken, etabliert sich ein Abwärtstrend. Kursziel ist dann das Preisniveau des Frühjahrs.
Die Abb. 3 zeigt auch das Ausmaß des aktuellen Volatilitätsanstiegs. Gelänge es, die kritische Situation im Nahen Osten einzuhegen, böten sowohl das Preis- als auch das Volatilitätsniveau gute Einstiegsgelegenheiten für eine offensive Positionierung bis zum Jahresende.
OpenAI 86 Mrd. $ wert
Die Firma hinter ChatGPT und Dall-E ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft. Zur Finanzierung der Entwicklung der Systeme werden regelmäßig Aktien ausgegeben. Die Anzahl der verfügbaren Aktien multipliziert mit dem letzten Verkaufspreis ergibt den Marktwert der Firma.
Das Management bietet gerade ein weiteres Aktienpaket zum Kauf an. Das Interesse muss gigantisch sein. Seit der letzten Finanzierungrunde vor sechs Monaten hat sich der Wert des Unternehmens verdreifacht.
Dies steht in einem Kontrast zu den Marktpreisen börsennotierter AI-Unternehmen, namentlich der C3, die als inoffizieller Proxy für die AI-Branche dient.
Deren
Kursticker lautet AI
. Der Aktienkurs hat sich per Saldo kaum verändert.
Handelssysteme
Auch wenn einiges für eine baldige Erschöpfung des Abwärtsimpulses beim EuroStoxx-Index spricht, bleibt der Systemhandel bei einer trendfolgend moderat bärischen Positionierung(Delta: -0.09) Die veräußerten Optionspaare verhalten sich Antizyklisch: Mit zurückgehenden Marktpreisen wird die Positionierung immer offensiver. Das ist in Seitwärtsmärkten optimal, in Trendmärkten hingegen unerwünscht. Deshalb werden Optionen konsequent geschlossen, wenn das Preisziel erreicht ist; die Ausrichtung wird danach wieder »geradegezurrt«. Im Dezember-Kontrakt konnte der dritte Call-Kontrakt planmäßig beendet werden. Dem stehen leider zwei Put-Kontrakte entgegen, die ins Risiko gelaufen sind.
Bereits im Oktober- und November-Kontrakt wurden die Erträge fast ausschließlich in Call-Optionen erzielt.
In den letzten Quartalen markierten die Indizes häufig am Verfallstag von Optionen charttechnische Wendepunkte.
Nach dem Oktober-Verfall steht ein Positionsaufbau im Februar-Kontrakt an. Im Falle einer Kurserholung wird dieser offensiv aufgebaut.