Kapitulation

In München degradiert ein furioser J.D. Vance mit wenigen Worten das gesamte versammelte Establishment der EU. Anstatt den deutschen Bundeskanzler trifft er anschließend AFD-Weidel. Das politische Europa ist in der Schockstarre. Ganz anders die Kapitalmärkte. Dort ist die Euphorie mit Händen zu greifen. Selbst stoisch bullische Sell-Side-Kommentatoren finden kaum noch Argumente, für Aktienpositionen zu werben. Erfahrene Eisläufer wissen um die Adrenalinschübe bei Mutproben auf zugefrorenen Marschflüssen kurz vor Frühlingsbeginn.

Wochenbericht 7/25 Stuttgart, 15. Feb. 2025

Der Vizepräsident der USA liest auf der Sicherheitskonferenz in München den Staaten Europas die »Leviten«, bescheinigt ihnen eine Verachtung der Demokratie, unterstellt den Anwesenden »Angst vor dem Wahlvolk« zu haben und droht unverholen mit einem Bruch der Zusammenarbeit, falls die Wahlergebnisse nicht im Sinne der USA ausfallen. Der amtierende Bundeskanzler hat nichts besseres zu tun, als zeitgleich dem deutschen Staatsrundfunk sein Abschiedsinterview zu geben. Später schließt der Sonderbeauftragte des Weißen Hauses für die Ukraine die Beteiligung Vertreter europäischer Staaten bei der geplanten Friedenskonferenz in Saudiarabien kategorisch aus. Die Machtverhältnisse waren seltener klarer.

Doge live

Täglich veröffentlicht das DOGE-Ministerium von Elon Musk, wie viele Verträge gekündigt wurden und wie hoch die Einsparung ist, die an diesem Tag erzielt wurde. Am Donnerstag rechnete er in typischer Consultant-Sprache vor, dass er innerhalb eines Jahres 1 Bio. USD einsparen und zusätzlich durch Deregulierung die Wirtschaft anfeuern wird, was dann nach einem Jahr nochmals 1 Bio. USD mehr an Steuern generieren wird. In der Vision von Musk wäre das US-Haushaltsdefizit ab 2026 Geschichte, die Geldmenge wächst dann nicht mehr, Inflation hört auf und die USA sind wieder ein funktionierender Staat. Dazu fällt auch Hieronymus nichts mehr ein.

Am Freitag traf sich J.D. Vance mit AFD-Weidel. Vermutlich haben beide beraten, wie man die Merz-CDU dazu bringt, auch ein DOGE-Ministerium einzurichten, unter der Verantwortung der AFD natürlich. Das hieße dann wohl »Ministerium für effiziente Administration und Streichung unnötiger Staatsausgaben«, also MASS. Und wehe, liebes bundesdeutsche Wahlvolk, wehe ihr wählt nicht wie es die USA vorschreiben. Dann …

Unbedingt lesen: Krasse Links Nr. 41 https://mspr0.de/krasse-links-no-41/

(und alle vorherigen Ausgaben auch!)

Der Newsletter gibt den Diskurs in einer speziellen Sub-Blase wieder und ist eine tolle Ergänzung zur Mainstream-Berichterstattung im Deutschlandfunk.

Berkshire Hathaway reduziert Investmentquote

Berkshire, which owned a 13 per cent stake in the bank and has for years been the bank’s biggest shareholder, waited for BofA and the wider US financial system to weather the regional banking crisis before it began cutting its position. But starting last July, it began to aggressively cut its stake, sometimes dumping shares on the open market in consecutive trading sessions.

Quelle: Financial Times

Das klingt dramatisch. Die neue US-Administration arbeitet mit Hochdruck an einer massiven Deregulierung des Bankensektors. Berskshire Hataway schafft Platz für neue Engagements.

Zur Erinnerung: Während der Finanzkrise 2008 stand die Bank of America kurz vor dem Bankrott. Niemand war bereit, der Bank kurzfristig ein langfristiges Darlehen zu geben, niemand war bereit, die Verkaufsorders zu absorbieren. Warren Buffet gab der Bank triumphierend einen hochverzinsten Kredit und nahm auch gern sehr preiswerte Aktien ins Berkshire Depot.

Nun gibt Buffet die Position wieder auf. In Erwartung einer neuen Investmentopportunität in absehbarer Zukunft? Weil nach der Abschaffung der Finanzmarktregulation die Wahrscheinlichkeit für eine Finanzkrise 2.0 stark gestiegen ist?

Brookfield kauft unterbewertete Regenerative Energie Unternehmen

Getreu dem Motto »Wir sind die Guten« verkündete Connor Teskey, Präsident der Vermögens&spy;verwaltungs&spy;sparte der kanadischen Investmentgesellschaft, der FT in der vergangenen Woche, dass Buy-Side-Teams unterwegs wären, nach Panikverkäufen nun wirklich preiswerte Perlen im Bereich der erneuerbaren Energien in die Vermögensverwaltungsmandate und Fonds einzubuchen.

Die Finanzmarktteilnehmer haben im Rahmen des »Trump-Trades« konsequent Unternehmen mit Bezug zu Regenerativen Energien aus ihren Depots entfernt. Wie stark der Verkaufsdruck ist, war gerade bei der Fluence Energy zu beobachten. Das Unternehmen hatte (erneut) die eigenen Prognosen verfehlt. Die Quittung: Ein Tages-Preisabschlag von 35 Prozent.
Man könnte den Eindruck gewinnen, das Unternehmen stände unmittelbar vor der Pleite. Dabei sind 50 Prozent des Aktienbestands in den Händen der Siemens AG (30%), der Siemens Pensionskasse und des Staatsfonds Qatars.
Der Preisabschlag hat die Verschuldungsquote natürlich drastisch erhöht. Eigentlich ist eine Kapitalerhöhung kaum vermeidbar. Die Gretchenfrage lautet also: Sind die strategischen Investoren bereit, neues Eigenkapital zu zeichnen? Ein Wiedereinstieg kann bis zur Klärung dieser Frage aufgeschoben werden.

Höchstwahrscheinlich hat Brookfield eher Unternehmen, wie die dänische Ørsted, im Blick. Der weltweit größte Hersteller von Windrädern ist massiv vom Rückzug der USA aus der Windenergie betroffen. Da Wind-Energie die mit Abstand günstigste Energiequelle ist, macht die derzeitige US-Politik keinerlei Sinn. Es ist absehbar, dass sich die ökonomische Vernunft durchsetzt und man auch dort nachhaltige Energieerzeugungsprojekte wieder hochfährt. Allerdings hat Ørsted mit dem Standort Dänemark einen kaum bewertbaren Risikofaktor. Einzig, weil sich Europa weigert, Grönland an die USA abzutreten, droht dänischen Firmen ein massiver globaler Wettbewerbsnachteil. In der letzten Woche hat die US-Administration zudem das Bestechungsverbot für US-Firmen aufgehoben. Nun können dort Bestechnungsaufwendungen sogar steuerlich geltend gemacht werden. Das könnte eine scharfe Waffe gegen das globale Geschäft von Ørsted sein.

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Abbildung 1: Preisentwicklung des dänischen Windanlagenherstellers Ørsted

Draghi fordert ein Aufräumen in Europa

Die Wochenendausgabe der FT ist interessant. Mario Draghi veröffentlicht einen Meinungsbeitrag, in dem er unverblümt eine radikale Marktreform in der Eurozone fordert. Schon die Überschrift ist pure Provokation: »Europe has successfully imposed tariffs on itself«.

  • Der internationale Währungsfonds hat nachgerechnet. Die internen Handelsbarrieren summieren sich zu Handelszöllen von 45 Prozent für Waren und 110 Prozent für Dienstleistungen.
  • Interne Handelsbarrieren führen zur absurden Situation, dass Unternehmen in der Eurozone insgesamt genausoviel Außenhandel betreiben, wie Binnenhandel.
  • Europa hat ikonische Freihandelsabkommen mit vielen Ländern abgeschlossen, es aber vermieden, die internen Barrieren niederzureissen.
  • Im Wachstumsmarkt «Digitale Kommunikation« summieren sich die Aufwände für die GDPR auf 12 % des Gesamtumsatzes. Diesen Wettbewerbsnachteil können europäische Firmen nirgends kompensieren. Im Ergebnis gibt es keine europäische Suchmaschine, keine AI-Angebote und auch nur Nischen-Einzelhändler. Es ist symptomatisch, das Temu und Shein aus China zu unschlagbaren Konditionen operieren können und es keine rumänischen oder bulgarischen CopyCat-Startups gibt.
  • Trotz aller Investmentversprechen im Rahmen des »Green New Deals« und des Post-Covid-Investitionsprogramms, investiert die EU nur ein Fünftel dessen, was die USA seit 2020 in die Binnenwirtschaft gesteckt hat. Die Konsequenz: Eine blühende Startup-Kultur in vielen Staaten der USA, vergreisende Landschaften im überwiegenden Teil der Eurozone.

Schaut man sich die Replik der Vertreter europäischer Staaten in ihren Vorträgen auf die provokanten Thesen des Vize-Präsidenten der USA in München an, wird klar wie groß der Handlungsbedarf in Brüssel wirklich ist. Der Artikel von Mario Draghi ist scharfzüngig wie immer und exzellent platziert. Man fragt sich allerdings: wer könnte die Fäden aufnehmen?

Schaut man sich die aktuelle Börsenentwicklung an (EuroStoxx: +13% seit Jahresbeginn) könnte man auf die Idee kommen, dass die Finanzmärkte den Abbau der internen Handelsbarrieren bereits eingepreist haben. Das Enttäuschungspotenzial wächst mit jedem weiteren Tag fortgesetzter, selbstverordneter Lethargie in den Hauptstädten Europas. Hinzu kommt: Je größer der Druck aus den USA wird, den transatlantischen Handel nach den Vorgaben der USA neu auszurichten, desto größer dürften die nationalen Einigelungsreflexe werden.

Aber wer weiss: vielleicht genügt ja schon die Perspektive auf eine CDU/AFD-Regierung in Deutschland, um den Knoten zu durchtrennen. Die Finanzmärkte glauben fest daran.

Microstrategy CopyCats

Im Blog zum Bitcoin Optionshandelssystem geht es eine Begleiterscheinung des Bitcoin-Booms: Wenig erfolgreicher Unternehmen versprechen, eine Bitcoin-Treasury anzulegen und zukünftig in der Kryptowährung zu bilanzieren. Dann steigt der Unternehmenswert mit dem Börsenwert der Kryptowährung und alle werden reich. Arbeiten muss man dann wirklich nicht mehr, so das Versprechen. Bisher geht das erstaunlich gut auf. Keine Frage: Manische Zeiten!