Europa ist zurück. Das ist die Botschaft der vergangenen Woche. Angesichts multipler Herausforderungen reagiert Europa mit starken und flexiblen Institutionen. Die Strategie hat zwei Elemente: den Clean Industral Act und eine massive Aufrüstung. Mit der Kombination aus 2 Mrd. € pro Monat für Infrastruktur und unlimitierten Mitteln für die Landesverteidigung geht Deutschland voran. Sehr wahrscheinlich gelingt es, das Wirtschaftswachstum mittelfristig anzufachen. Entsprechend euphorisch reagieren die Finanzmärkte. Zeitgleich nehmen die Rezessionssorgen in anderen Teilen der Welt zu. Das spült zusätzliches Anlagekapital nach Europa.
In der kommenden Woche muss der irische Taoiseach (Premierminister) zum Appell antreten. Das ist kein freundschaftlicher Antrittsbesuch. Solche Reisen werden inzwischen mit Unterredungen der UDSSR mit ihren Vasallenstaaten verglichen. Der Bittsteller hat sich unterwürfig zu zeigen, ehrfurchtsvoll Danksagungen zu zelebrieren und widerspruchslos Anweisungen entgegen zu nehmen. Die irische Delegation soll sich zwei Ziele gesetzt haben: Erstens die europäische Botschaft zu kommunizierien, wonach Russland der Aggressor an der Ostflanke der Nato ist und dass die europäische Union im Kern ein multinationales Friedensprojekt ist und keine kriminelle Vereinigung zum Zwecke der Ausplünderung fremder Staaten (Irland ist kein Nato-Mitglied). Zweitens soll Micheál Martin das Gespräch danach so schnell wie möglich beenden, möglichst bevor die US-Vertreter mit ihren Beleidigungen beginnen um von Irland Zugeständnisse zur europäischen Handelspolitik abzupressen. Zeitgleich mit dem Besuch von Martin in Washington werden US-Handelszölle auf Aluminium und Stahl scharf geschaltet. Die EU setzt planmäßig Gegenzölle in Kraft, die die USA bereits 2018 nach sehr kurzer Zeit an den Verhandlungstisch zwangen. Das Ganze trägt bereits rituelle Züge. Man darf gespannt sein, wann die USA diesmal kalte Füße bekommen, welche ökonomischen Schäden toleriert werden.
Molltöne aus Asien
Der australische Aktienmarkt ist wegen seiner Zusammensetzung (Rohstoffe + Finanzwesen) und den Haupthandelspartnern USA und China analytisch interessant. Die Volkswirtschaft ist nur indirekt von der Zollpolitik der USA betroffen.

Am 13. Februar hat der ASX mit einer Notierung von 8.600 AUD ein Alltime High (ATH) ausgebildet. Seitdem gehen die Notierungen kontinuierlich zurück.
Der Austral-Dollar hat bereits am 1. Oktober 2024 mit 0,67 AUD/USD ein Top ausgebildet, wertete bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten auf 0,62 AUD/USD ab und pendelt seitdem um diese Marke. Die zwischenzeitliche Rallye am Aktienmarkt war der neuen Attraktivität australischer Assets angesichts der Abwertung des AUD geschuldet.
Der Preisrutsch seitdem ist eine Indikation der Auswirkungen der US-Handelspolitik selbst auf Volkswirtschaften, die nicht im Fadenkreuz der Maga-Jünger stehen.
Diese Vermutung stützt der japanische Aktienmarkt.

Der japanische Aktienmarkt reagierte bis zum 22. Februar nicht auf die Änderungen in den USA. Seitdem hat aber auch der Nikkei einen Abwärtstrend ausgebildet. Der Index hat die Tradingrange seit Oktober 2024 zur Unterseite verlassen und damit ein strategisches Verkaufssignal generiert.
Japan ist höchstwahrscheinlich von den angekündigten US-Strafzöllen ab dem 2. April betroffen. Dies »erklärt« die
jüngsten Preissenkungen. In der Berichtswoche stiegen auch in Japan die Marktzinsen deutlich. Die Marktreaktion unterscheidet
sich grundlegend von der im August 2024. Damals induzierten steigende Renditen am japanischen Rentenmarkt eine
Aufwertung des Yen von 162 JPY/USD auf 155 JPY/USD. Aktien wurden zeitgleich massiv
abverkauft.
Am 13. Januar notierte der Yen bei 158 JPY/USD. Seitdem wertet die japanische Landeswährung auf 148 Yen pro Dollar auf.
Trotz der numerisch sogar größeren Aufwertung des Yen, blieben die Notierungen am Aktienmarkt stabil. Das änderte sich erst vor zwei Wochen.
Sowohl in Australien als auch in Japan reagierten zunächst die Währungsmärkte auf die veränderte US-Handelspolitik. Das ist sinnvoll, weil in ersten Schritt exportorientierte Firmen betroffen sind.
Der Aktienmarkt zog in beiden Ländern erst sehr viel später nach. Dies interpretiert
Europa gibt Gas
Der Legende nach hat der deutsche Übergangs-Finanzminister nach der Wahl dem zukünftigen Kanzler die bundesdeutsche Haushaltslage schonungslos offengelegt. Danach galt es, in der nächsten Legislaturperiode ein Haushaltsloch über 130 Mrd. € zu stopfen. Friedrich Merz scheint in diesem Briefing die Realität erkannt zu haben. Kurz danach brach die US-Führung vor den Kameras der Welt mit der Ukraine. Innerhalb weniger Stunden soll das Team um Merz die neue Fiskal-Strategie entworfen haben, inklusive einer Grundgesetzänderung durch den alten Bundestag. Die Strategie ist kein reines CDU-Projekt, die heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute waren offenbar eng eingebunden.
Die Öffentlichkeit wurde am Montag Abend informiert: Deutschland reiht sich ein in die Riege hochverschuldeter Staaten, krempelt die Ärmel hoch und steigert das Bruttosozialprodukt. Wahlgeschenke gibts auch: Mehr Geld für Rentner, Bauern und Pendler.
In der letzten Februarwoche stellte die EU-Kommission den »European Clean Industrial Act« vor, der allein das Potenzial hat, den Kontinent zu Reindustrialisieren. Vor der bundesdeutschen Kehrtwende war der Clean Industrial Act eine typische strategische Kopfgeburt engagierter aber machtloser EU-Bürokraten. 500 Mrd. € allein aus Deutschland ändern alles!
In der abgelaufenen Woche setzte die EU zudem die Schuldengrenzen für Investitionen in Rüstungsgüter aus. Einige fühlten sich in die Zeit der erfolgreichen Krisendiplomatie während der Corona-Pandemie zurückversetzt. Die EU wächst in Krisenzeiten über sich hinaus.
Es gibt aber keine Alternative. Adam Tooze erinnert in einem Beitrag für die FT an 1919. Der US-Kongress verweigerte seine Zustimmung zum Versailler Friedensvertrag. Die USA war deshalb kein Mitglied des Völkerbundes, dieser konnte sein Potenzial nie ausschöpfen. Europa musste die Trümmer der Schlachten des ersten Weltkriegs allein aufsammeln. Die USA verlangte unbeirrt die Rückzahlung der Kriegsanleihen, was die dortigen Kapitalmärkte für 10 Jahre antrieb und in Europa massive soziale Ungleichgewichte hervorbrachte. Der Rest ist Geschichte.
Die Maßnahmen der aktuellen US-Administration tragen eine identische Handschrift: History repeats itself.
Europa kann sich eine Wiederholung des Mißmanagements der 1920er Jahre einfach nicht leisten.
Die Maßnahmen der angehenden Merz-Administration können in diesem Licht gar nicht überschätzt werden. Die Schroedersche Illusion ist Geschichte. Friedrich Merz hat akzeptiert, dass er nun Farbe bekennen muss. Die Stringenz der Entcheidungsfindung überrascht aber. Das hat höchstwahrscheinlich auch die Strippenzieher hinter den öffentlichen Lautsprechern in der US-Administration kalt erwischt. Anders sind die undiplomatischen Äußerungen von JD Vance zu den Plänen Europas zur militärischen Sicherung der Grenze nach Russland und Belarus nicht zu deuten (Jetzt wollen Staaten, die seit 50 - 60 Jahren keinen Krieg mehr geführt haben, der Ukraine Sicherheit versprechen …). In Washington ging man offenbar fest davon aus, dass Deutschland zu träge, die EU zu tief gespalten sei, um zeitnah wirksame Maßnahmen zu beschließen; dass Europa zu abhängig ist von den USA, um Russland militärisch substanziell entgegen treten zu können und dass in Deutschland Transatlantiker niemals mit den USA brechen würden. Zusammen mit Groß Britannien und der Türkei ist Europa plötzlich schlagkräftig. Die neuen skandinavischen Militärpartner bringen zudem eine kritische Menge moderner Militärtechnik ein, die lokal gefertigt wird.
Das Besondere an dem deutschen Vorstoß: Man setzt seine gesamte Reputation an den Finanzmärkten ein, um sowohl die Transformation der Industrie beschleunigt durchzuführen und den Kontinent zeitgleich bis an die Zähne aufzurüsten. Das unterscheidet den heimischen Vorstoß von der nicht nachhaltigen Kriegswirtschaft in Russland.
Die ökonomischen Konsequenzen sind Profund:
- Trotz massiver fiskalischer Impulse ist Kapital knapp. Die Zinsstrukturkurve ist steil, Investments müssen sich trotz unlimitierter Kreditlinien rechnen.
- Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum Deutschlands wurden bereits unmittelbar nach der Bekanntgabe der Pläne von 0,2 % auf 0,7 % für 2025 heraufgesetzt. Für die nächsten 10 Jahre werden 2 bis 5 Prozent Wachstum prognostiziert.
- Im Rahmen der verabredeten Konsolidierung des europäischen Rüstungssektors dürften die Bereiche mit der höchsten Wertschöpfung in Deutschland und Frankreich verbleiben. Osteuropa und Polen sind für die niedrigmargige Massenproduktion prädestiniert.
- Investments in Zukunftstechnologien werden auf absehbare Zeit nicht mehr durch die Konkurrenz durch die Instandhaltung der Infrastruktur ausgebremst. Das legt die Fundamente für langfristige Spillover-Effekte. Erstmals könnte sich eine ausreichend finanzierte Startup-Szene im Herzen Europas entfalten.
Eine besondere Verantwortung haben die Frontfiguren der geschrumpften Grünen. Ihnen obliegt es, die langfristige Finanzierung klimagerechter Transformationsprojekte durchzusetzen und deren Umsetzung aus der Opposition heraus zu überwachen.

Der heimische und der europäische Aktienmarkt hat viele positive Perspektiven bereits eingepreist. Anders als in den USA und Asien hat sich ein zeitweise dynamischer Aufwärtstrend ausgebildet.
Der DAX ist bereits recht teuer und kann sich zudem vermutlich nicht nachhaltig globalen Trends entgegenstellen. Strategische Investments in MDAX und Stoxx-600 sind dagegen für den Kapitalerhalt interessant.
Falls die Inflation nicht ausufert, dürfte ab Sommer/Herbst der Rentenmarkt sehr attraktiv werden.
Diese Entwicklung hat Konsequenzen für die Handelsstrategie.
Die Volatilität am europäischen Aktienmarkt ist deutlich angestiegen. Das liegt zum einen an der Nachfrage nach trendfolgenden gehebelten Engagements: Insbesondere Call-Optionen sind teurer geworden. Zugleich steigt das Mißtrauen gegenüber der Nachhaltigkeit der divergenten Preisentwicklung.

Verlangen Marktteilnehmer höhere Prämien für Absicherungen, liegt meist eine Korrektur in der Luft. Wenn allerdings eine Mehrheit gehebelt auf steigende Notierungen setzt, setzt sich der Trend mit höheren Preisamplituden fort. Derzeit schauen alle auf den April. Falls die USA dann wegen der hier erhobenen Mehrwertsteuer EU-Importe pauschal mit Strafzöllen von 20 Prozent belegt, ist eine Fortsetzung des Trends fraglich. Bis dahin könnte die derzeitige Tradingrange (5400 – 5600) Bestand haben.