The Day after

Wie angekündigt, hat die USA nun globale Handelszölle verhängt. Europa wird mit 20 Prozent bestraft. Auch das war vorab kommuniziert. Trotzdem sind die Kapitalmärkte in heller Aufregung. Besonnene Kommentare sind Mangelware. Statt dessen: Forderungen, die Bazooka herauszuholen und es der Trump Administration heimzuzahlen.
Am Freitag reagierte China mit Gegenzöllen – und löste damit eine Verkaufswelle aus. Dabei sinkt die Bedeutung des Handels mit der USA im globalen Maßstab stetig. Trotzdem: Wenn in den USA massenhaft MarginCalls ausgelöst werden und die Marktpreise purzeln, bekommt auch der Rest der Welt einen FinanzSchnupfen.

Wochenbericht 14/25 Stuttgart, 05. Apr. 2025

In der letzten Ausgabe fragte Hieronymus ob der Liberation Day »eine Trendwende am US-Aktienmarkt orchestrieren würde«.

Zumindest für den europäischen Aktienmarkt kann eine Ausverkaufssituation konstatiert werden.

  • Der EuroStoxx50 ist seit dem 25. März um 600 Punkte gesunken (5.400 – 4.800; 12,5 %).
  • Der Titelzeilenindikator ist aktiv: Börsenkurse sind Thema auf auf den Titelseiten von Tageszeitungen und werden prominent in den Hauptnachrichten erwähnt.
  • Die Marktbreite ist extrem. Selbst defensive Werte werden massiv abverkauft. Weit und Breit sind keine Schnäppchenjäger sichtbar.
  • Die globalen Handelsplätze sind wieder hoch korreliert. Überall werden Renten teurer und Aktien preiswerter.
  • Die Volatilität ist sprunghaft über die 30 Prozent-Marke angestiegen.
  • Der »sichere Hafen« Gold wird abverkauft. Am Donnerstag und Freitag standen auch Edelmetallpreise unter Druck.
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Abbildung 1: Implizite Volatilität (30 d) des EuroStoxx50

Den Anstieg der Volatilität über die 30 Prozent-Marke in Europa (40 % beim US-Pendant[VIX]) wurde von der Entscheidung Chinas getriggert, die verkündeten US-Zölle (37%) mit Importzöllen in gleicher Höhe zu beantworten.

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Abbildung 2: US-Exporte nach China (2024: 143 Mrd. $, Quelle: FT)

Mit dieser Maßnahme zeigt China den »Stinkefinger«. Es trifft die USA kaum. Ausnahme: Ausfuhren von Agrargütern. Hieronymus interpretiert dies als Zeichen für die strategische Abkehr Chinas vom US-Handel. Beide Seiten schotten ihre Märkte durch unüberwindbare Zollmauern ab.
Die Trump-Administration ließ Peking kaum andere Optionen, die Importzölle der USA addieren sich inzwischen zu durchschnittlich 54 Prozent. Die durchschnittlichen Zölle für US-Güter nach China betragen jetzt 50 Prozent, notiert das Peterson Institute of International Economics. Der Einfuhrzoll von 34% betrifft Importe aus China im Wert von 440 Mrd. $ (Quelle: FT).

Auf einmal ist China die weltoffene Großmacht und die USA eine abgeschottete Diktatur. China schickt sich an, den Automobilmarkt der Zukunft zu dominieren, liefert sich bei der Robotik mit Japan ein Kopf-an-Kopf-Rennen, ist in der Quantenforschung Weltspitze und zeigt der Welt bei AI, wie sich Effizienz und Exzellenz ergänzen. Xiaomi, BYD, Alibaba, Tencent und Baidu sind chinesische Entsprechungen der US-Technologiegiganten, die immer noch an der staatlich verordneten Kette liegen und jederzeit freigelassen werden können.

OffTopic: Der »Neue Westen« hat mit der Abwendung von den USA die einmalige Chance, die strategische Kooperation Chinas mit Russland zu durchbrechen und eine Intervention zugunsten der Ukraine zu erreichen. Im Gegenzug müssten die europäischen Staaten, Kanada und Japan mit Israel brechen.

Exkurs: Strafzölle auf Bier

In der letzten Ausgabe stellte Hieronymus die Stillhalterposition mit der Molson Coors als Basiswert vor.
Dahinter stand die Idee, dass Bier und Softdrinks im wesentlichen Vorort produziert werden, also kaum von der Zoll-Manie betroffen sein dürften.

Tatsächlich gingen die großen Marken (AB InBev, Heineken, Molson Coors, Carlsberg, Asahi, etc) davon aus, dass transatlantische Warenströme »nur« mit dem Minimaltarif von 10 % (bzw. EU: 20 %) belegt werden. Statt dessen werden Bierimporte in die USA nun aber mit 45 Prozent Zoll belegt. Die Argumentation des US-Handelsministeriums: Das Bier wird in großen Aluminium-Kanistern transportiert. Dafür fällt der Strafzoll für Aluminium und Stahl an.

Das hat offenbar massive Auswirkungen. Die Konzerne verlagern die Produktion in die USA, stellen dort Arbeitskräfte ein. In Europa stehen gemäß des Verbands europäischer Brauereien 100.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. 2024 importierte die USA Bier im Wert von 870.000 $ aus Europa. Größer sind die Auswirkungen auf Mexiko. Constellation Brands importiert 85 Prozent seiner Verkaufsware aus Mexiko.

Brauereien waren in den letzten Tagen trotzdem absolute »Felsen in der Brandung«. Der Aktienpreis von Molson Coors ist konstant geblieben, Constellation ist um drei Prozent preiswerter geworden.

Auf den ersten Blick ist die Verlagerung der Produktion zu den Orten des Verzehrs eine positive Entwicklung, fördert es doch lokaler Wertschöpfungsketten. Diese Logik versagt aber bei den USA. Die Produktion in einer modernen Brauerei 50 Km hinter der mexikanischen Grenze für den Vertrieb im angrenzenden Texas ist »lokaler« als die nun preiswertere Produktion in Vermont, 50 Km vor der kanadischen Grenze. Das internationale Biersorten in großen Mengen über die Ozeane der Welt transportiert werden, ist allerdings eine Fehlentwicklung, die abdinglich ist. Die Zollpolitik hat in diesem Fall wünschenswerte Nebenwirkungen.

Währungsmärkte signalisieren Entkopplung

Das Währungspaar Euro/US-Dollar spiegelt längerfristig neben unterschiedlichen Zins- und Inflationserwartungen die Handelsströme zwischen den beiden Wirtschaftsräumen. Je enger die Wirtschaftsräume untereinander vernetzt sind, desto weniger schwankt das Währungspaar. Je stabiler das Währungspaar, desto risikoärmer ist der transatlantische Handel.

Bereits während der ersten Amtszeit Trump’s stotterte der transatlantische Handel – das Währungspaar EUR/USD schwankte stark. Unter Biden wertete der USD zunächst (bis Herbst 2022) kontinuierlich auf. Dann senkte die FED die Leitzinsen und das Währungspaar kehrte in die Tradingrange zurück.

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Abbildung 3: Wertverlauf des Währungspaares Euro/USD

Nach den US-Wahlen schienen sich die Märkte zunächst an das übliche Drehbuch zu halten: Die wirtschaftsfreundliche Agenda der Republikaner stärkt den US-Dollar, der Euro handelte in der Spitze bei 1,025 $. Als dann die wirtschaftspolitischen Pläne deutlicher wurden, wertete der USD deutlich ab. Hieronymus interpretierte dies als Kapitalverschiebung aus dem USD-Raum heraus.

Mit der Aktivierung des Zoll-Regimes gegen die EU hätte eine Gegenentwicklung stattfinden sollen. Statt dessen setzte sich die Abwertung des USD fort. Ein Euro kostete am Freitag etwa 1,10 USD. Der Währungstrend verstärkt die Wirkung der US-Zölle auf Exporteure aus der EU.

Mit einer deutlichen Verzögerung reagierte der Australdollar. Nachdem China Gegenzölle verkündete wertete der AUD um über 5 Prozent ab.

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Abbildung 4: Wertverlauf des Währungspaares AUD/USD – mit Kollaps des AUD am Freitag

Kleiner Exkurs Australien:
Warum Australien überhaupt von US-Strafzöllen belegt ist, ist nicht nachvollziehbar. Das Land weist ein Außenhandelsdefizit über 18 Mrd. $ aus, wird also dafür bestraft, dass es mehr aus den USA importiert als andersherum.
Die einzige Logik dieser Maßnahme der USA: Wir wollen gar keinen Warenaustausch mit einem anderen Staat!

Zurück zum AustralDollar. Die abrupte Abwertung erinnert an die Preisentwicklung im Zuge der Auflösung von AUD/JPY-Carrytrdes im Herbst 2022. Der japanische Yen zeigt auf der anderen Seite ebenso wie der Euro aktuell keine auffälligen Preisabrisse. Auch das Währungspaar USD/CNY (China) zeigt nach der Ankündigung der Gegenzölle keine Auffälligkeiten. Die Preisentwicklung muss beobachtet werden! Sie hängt möglicherweise mit dem nächsten Thema zusammen:

Margin Calls

Die Verschärfung des Handelskriegs durch China triggerte einen Ausverkauf. Die FT berichtet am Freitag, dass – wie im Februar und März 2020 – viele Hedge-Fonds mit Margin-Calls konfrontiert wurden und Positionen zwangsliquidieren mussten. Das Ergebnis ist deutlich in Abb. 5 sichtbar. Bereits am Donnerstag waren Verkäufe von Hedgefonds die größten Triebkräfte des Abverkaufs.

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Abbildung 5: Preisverlauf des Nasdaq-ETF mit Handelsvolumina

Der Abwärtstrend hat sich beschleunigt. Die Kombination aus großer Trenddynamik, hohem Handelsvolumen und einem Volatilitäts-Spike(Abb. 1) rollt einer Phase mit starken Preisausschlägen den roten Teppich aus.

Mittelfristig dürfte der Abwärtstrend bei US-Equities aber anhalten. Dazu ist der Schaden der US-Wirtschaftspolitik zu umfassend.

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Abbildung 6: Konjunkturprognose der Atlanta FED

Die Abb. 6 wird gerade auf LinkedIn herumgereicht. Danach blinkt der ‘GDPNow’-Indikator aktuell tiefrot und der USA steht ein Rezessionsschock bevor. Die am Freitag veröffentlichten Arbeitsmarktdaten sprechen zwar eine andere Sprache (neugeschaffene Stellen im März: 228.000, deutlich mehr als prognostiziert). Andererseits meldet die Tourismus-Branche einen deutlichen Buchungsrückgang und erste Fluggesellschaften reduzieren ihr Flugangebot für Destinationen in den USA. Bürger Kanadas besuchen London anstatt NewYork und buchen ihren Winterurlaub in Mexiko anstatt in Florida.
Der Landwirtschaftssektor wird absehbar in sehr naher Zukunft massiv gegen die Zollpolitik intervenieren. Getreide und Soyabohnen-Futures handeln in intakten Abwärtstrends. Weizen ist beispielsweise seit dem 10 Februar um 15 Prozent preiswerter geworden, Mais seit Februar 13 % und Soya ebenfalls seit Februar um 8 %. Diese Entwicklung allein beeinträchtigt die Profitabilität, US-Farmer haben wenige Optionen, zollbedingte Aufschläge für Exporte nach Kanada, China und absehbar weitere Staaten zu kompensieren.

Die Abb. 6 weist einen »Gold adjusted GDPNow«-Indikator aus. Dieser korrigiert einen statistischen Fehler. Aktuell repatriieren US-Fonds Gold-Lagerbestände. Gold wurde aus Angst vor Importzöllen rasch in US-Läger transportiert. Dies ging negativ in den GDPNow-Indikator ein (»Bullion« ist explizit von Strafzöllen ausgenommen, die Vorsichtsmaßnahme war teuer und sinnlos!). Selbst nach dieser Korrektur prognostiziert der Indikator einen Konjunkturabschwung auf -1% des US-GDP, also bereits für den Sommer eine Rezession (Definition Rezession: Rückgang der Wirtschaftsleistung in drei aufeinanderfolgenden Monaten).

Fazit

Der Preisrückgang in den USA hat sich beschleunigt. Auch in Europa sind Aktienpreise auf breiter Front gesunken. Die Aufwertung des Euro ist aber intakt. Es bleibt bei der Einschätzung einer Outperformance europäischer Werte. Ob asiatische Aktienmärkte angesichts einer größeren Abhängigkeit zum Exportmarkt USA die Belastung der aggressiven US-Zölle mittelfristig wegstecken können, ist ungewiss.

Die USA stecken möglicherweise bereits in einer Rezession. Es ist unwahrscheinlich, dass Europa sich diesem Trend komplett entziehen kann. Die Marktpreise dürften auch hierzulande sinken – wennauch weniger stark als in den USA. Die aktuell in Europa deutlich niedrigere Volatilität spricht eine deutliche Sprache.

Jardines

Im Jahr 2021 begann Ben Keswick eine längst überfällige Restrukturierung des legendären Konglomerats Jardine Matheson. 2023 übernahm er die Rolle des Taipan’s. Die Jardines sind ein fast 200 Jahre bestehendes Beteiligungsunternehmen (Marktkapitalisierung. 53 Mrd.$) mit einem sehr diversifizierten Portfolio. Entsprechend hoch ist der Konglomeratsabschlag beim Aktienpreis (20 – 40 %).

Ikea Möbelmärkte in Hongkong, Taiwan und Vietnam werden von der Tochter DFI Retail betrieben. Die Jardines sind größter Investor im indonesischen Konglomerat Astra. Weltweit sind die Jardines mit Mandarin Oriental Luxus-Hotels vertreten. Hongkong Land gehören DIE TOP-Immobilien in Hongkong.

Das Konglomerat ist ein klarer Value-Titel. Es generiert einen CashFlow von 5 Mrd. $ im Jahr und schüttet eine Dividende von 5,25 % aus. Die Jardines sind weiterhin ein Familienunternehmen: Die Keswick-Familie und das Management halten 45 Prozent des Aktienkapitals. Die Aktie wird in Singapore gehandelt, Firmensitz ist Bermuda und die Firmenzentrale befindet sich markant in Hongkong.

Im Zuge der Umstrukturierung wurden externe Manager eingesetzt, was US-Managementmethoden in die Unternehmenskultur einfließen liess. Nun macht das Management das nächste Fass auf: Man bekennt sich zu »Financial Engineering« um den Konglomeratsabschlag zu reduzieren. Dazu will man die Firmenstruktur weiter vereinfachen und die Kapitalmarktkommunikation stärken. Noble House, die Mini-TV-Serie aus den 1980ern, zeigt die Abgeschlossenheit der Firmenkultur der Jardines in der Vergangenheit. Genau damit bricht das Management. Zur Stützung des Aktienkurses kauft das Management fast kontinuierlich eigene Aktien auf. Ein Ergebnis der Neuausrichtung der Jardines sind häufigere Presseberichte; ob es bald auch eine Neuauflage von »The Noble House« gibt?

Fazit: Wer fernab eines ETF-Depots ein marktbreites, liquides Exposure in Asien sucht, ist bei den Jardines sehr gut aufgehoben. Die Aktie weist einen Konglumeratsabschlag von etwa 30 Prozent auf, den das Management über eine klare ShareholderValue-Orientierung adressiert. Die Dividendenrendite ist interessant.

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Abbildung 7: Aktienpreisentwicklung und Dividendenausschüttungen der Jardine Matheson

Die Risiken sollten nicht verschwiegen werden. Der Standort Hongkong trägt alle China-Risiken. Das dortige Immobilienportfolio macht einen wesentlichen Bestandteil der Assets der Jardines aus. Der Immobilienmarkt in Hongkong ist stets sportlich bewertet und kann jederzeit heftig korrigieren. Die Entscheidung, die Börsennotierung nach Singapore zu verlegen, die Firma aber weiter aus Hongkong zu managen, macht das Management erpressbar. Sollte China die Exklave Hongkong weiter eingliedern, könnten die Jardines gezwungen werden, komplett nach China umzusiedeln. Die Beteiligungen in den Nachbarländern begrenzen dieses Risiko aber wirkungsvoll. Die Jardines sind weiterhin stark von der Nachfrage chinesischer Kunden nach europäischen PKW abhängig. Die Währungsrisiken sind aktuell unkritisch, da die Aktie in USD denominiert ist.

Im Wochenbericht 45/24 stellte Hieronymus die Aktie als Trump-Profiteur vor. Die Rolle als Distributeur amerikanischer Marken (zb. KFC) ist aktuell eher eine Last. Das Konglomerat leidet augenscheinlich aber nicht unter diesen Geschäftsbeziehungen. Der Aktienpreisverlauf ist wenig mit den großen Indizes korreliert.