The Damage is done. Die erratische US-Handelspolitik bremst nun auch die Rentenmärkte aus. Die Kombination aus Abwertung des US-Dollar und deutlichen Renditeanstiegen bei US-Treasuries rief am Freitag die FED auf den Plan. In einem ersten Statement deutet die FED an, dass sie bereit ist, die Rentenmärkte zu stützen. Aber wie? Anleihenkäufe wirken aktuell inflationär, Aktienkäufe wären möglich, würden aber die Krise des US-Dollar und der US-Staatsanleihen nicht mildern. Zinssenkungen und Interventionen am Währungsmarkt wären kontraproduktiv. Die gute Nachricht: Diese Krise ist auf die USA begrenzt. Der Rest der Welt schaut zu, ob und wie die US-Institutionen mit dem Fallout klarkommen.
Am Freitag wertete der Euro nochmals um mehr als einem Prozent gegenüber dem US-Dollar auf. Seit dem Jahreswechsel ist die europäische Einheitswährung gegenüber dem US-Dollar um 10 ct. teurer geworden. Zeitgleich stieg die Rendite für US-Treasuries um 0,19 auf 4,58 Prozent. Die Rendite für deutsche Staatsanleihen mit ebenfalls 10 Jahren Laufzeit ist trotz der geplanten hohen Schuldenlast stabil bei 2,48 %. Das widerspricht aller Logik. Der US-Dollar als Weltreservewährung müsste ob des Zinsunterschieds zwischen Europa und den USA aufwerten.
- Der Status des US-Dollar als Leitwährung ist fragwürdig
- Die Inflationsaussichten in den beiden Währungsräumen divergieren
- Die ökonomischen Perspektiven laufen auseinander.
Erstmals intervenierte die FED – zunächst verbal:
The Federal Reserve “would absolutely be prepared” to deploy its firepower to stabilise financial markets should conditions become disorderly,
zitiert
die FT Susan Collins, Präsidentin der Federal Reserve Bank of Boston
.
Nach der Veröffentlichung des Statements sank die Rendite für US-Treasuries auf 4,48 %.
Kurz vor dem Interview von Collins mit der FT äußerte sich John Williams, Vorsitzender der NewYork FED öffentlich zu den Konsequenzen des Handelskriegs der USA: Er erwartet bis zum Jahresende einen Anstieg der Inflation auf 3,5 bis 4%, einen Rückgang des Wirtschaftswachstums auf 1% und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf 4,5 bis 5%. Das ist eine wenig verklausulierte Aufforderung, US-Staatsanleihen zu verkaufen.

Das ganze Drama der Trump’schen Chaospolitik bilden die Abbildungen eins und zwei ab.
Die Preisentwicklung der US-Langläufer (Preise und Renditen verhalten sich invers) war vermutlich der Auslöser der Aussetzung der reziproken Zölle.
Seit dem 27. März gehen die Marktpreise für Aktien zurück, beschleunigt seit dem 3. April. Die Preise für US-Staatsanleihen stiegen zunächst (die Rendite sank): Es wurde Kapital
aus dem Aktienmarkt in den Rentenmarkt umgeschichtet. Das ist das »normale« Marktmuster. Das Muster hielt bedingt bis zum 7. April.
Danach sanken sowohl die Preise für Staatsanleihen als auch bei Aktien. Insbesondere langlaufende Renten waren betroffen.

Die Dramatik der Entwicklung wird im direkten Vergleich deutscher und amerikanischer Staatsanleihen sichtbar. Die Abb. 2 zeigt den Verlauf der entsprechenden Futures. Hohe Preise entsprechen wiederum niedrigen Renditen. Die Renditen der Staatsanleihen sind trotz der eh schon hohen Differenz von 2,1 % nochmals weiter auseinandergelaufen. Dieser Prozess läuft trotz des Aussetzens der reziproken Zölle ungebremst weiter.

Das finale Puzzleteil: Der Währungsmarkt. Seit dem 3. März wertet der Euro gegenüber dem USD auf. Australdollar (und auch schweizer Franken) machen diese Entwicklung zunächst nicht mit. Mit Einführung des globalen Zollregimes in der Vorwoche beschleunigte sich die Aufwertung des Euro. Der Wert des Australdollar ging plötzlich um insgesamt 4 ct. zurück. Mit der Rücknahme der US-Zölle egalisierte sich die Wertentwicklung in Australien scheinbar.

Bezieht man das Währungspaar CHF/USD in die Betrachtung ein, zeigt sich der wahre Prozess: Euro, Schweizer Franken und Australdollar werteten in den vergangenen Tagen synchron und dynamisch gegenüber dem US-Dollar auf!
Die Kombination mit den Entwicklungen an den Renten- und Währungsmärkten lässt nur einen Schluß zu: Es wird massiv Kapital aus dem USD-Raum abgezogen.
Der Fallout der Zündung der Atombombe auf den globalen Handel zeigt sich an den Renten- und Währungsmärkten. Bis zum Wochenschluß setzten sich trotz temporärer Aussetzung der reziproken Zölle disruptive Prozesse fort.
- Die Liquidität im Handel mit US-Staatsanleihen betrug am Freitag gerade noch 20 Prozent des Üblichen.
- Die Preisdynamik an den Renten- und Währungsmärkten ist hoch.
- Der US-Dollar wertet gegen die Haupthandelswährungen (Ausnahme: Yuan) stark ab.
- Die Renditen für US-Staatsanleihen steigen.
- Europäische Staatsanleihen sind (bisher) stabil, japanische Staatstitel sind stark gesucht.
Fazit: Die De-Dollarisierung hat begonnen. Konservative Investments werden aus den USA abgezogen. US-Staatsanleihen verlieren ihren Status als »sicherer Hafen«. Das Kapital wird über die Welt verteilt. Vermutlich ist die De-Dollarisierung mit dem Prozess der Repatriierung des Kapitals in den Herkunftsländern überlagert.
Lex Apple
Die Implementation des neuen Zoll-Regimes der USA zeigt die häßliche Fraze der Gilded Age II. Die Nähe zum Monopolkapitalismus zeigt sich in der von Apple erwirkten Zollfreiheit für dessen in Asien gefertigten Geräte. Die Drohung des Apple-Managements, die Preise für Smart-Watches, Smartphones, Tablets und Computer zollbedingt zu verdoppeln, genügte um eine umfangreiche Ausnahmeregelung zu erwirken.
Nun beginnt vermutlich ein »Hauen und Stechen« der Lobbyisten von Unternehmensverbänden und großen Einzelunternehmen, ebenfalls von Handelszöllen befreit zu werden.
Auf der Strecke bleibt »Corporate America«, dass sinnhafte, internationale Wertschöpfungsketten aufgebaut hat und keinen direkten Zugang zum Handelsminister hat. Welche Wunder, dass US-Small- und Midcaps erneut underperformen (Abb. 5).

Podcast Empfehlung: Die Entflechtung der Cloud-Industrie
Die aktuelle Folge des stets hörenswerten DLF-Podcast Computer und Kommunikation beschäftigt sich mit der Repatriierung von Cloud-Anwendungen.
Brisant: Viele europäische Unternehmen verarbeiten personenbezogene Daten in öffentlichen Clouds, möglicherweise auf Servern in den USA. Das ist aktuell erlaubt, weil Biden eine entsprechende Executive-Order unterzeichnet hat. Diese kann von D. Trump jederzeit und auch nicht-öffentlich verändert werden. Der Handlungsdruck ist hoch, Anwendungen von den Servern on Microsoft, Amazon, Google, IBM, usw. zu europäischen Cloudanbietern oder zurück ins eigene Rechenzentrum zu migrieren.
Nicht erwähnt wurde
die bemerkenswerte Initiative von Lidl&Schwarz (Kaufland). In Kooperation mit SAP betreibt der Handelsgigant
in der Nähe der Firmenzentrale in Neckarsulm eine rechtssichere FullService-Datenheimat. Das Projekt
startete aus der Notwendigkeit, die Datenverarbeitung der Lidl + Kaufland-Infrastruktur zu vereinheitlichen. Daraus ist
ein neuer lokaler Cloud-Champion erwachsen.
Geht doch! – möchte man einwerfen.
Der Podcast zeigt, dass der heimische Mittelstand durchaus Lehren aus Trump1 gezogen hat. Es scheint, als ob für den Fall der Fälle Strukturen gelegt wurden, auf denen man nun bequem aufbauen kann. Die Abhängigkeit von den USA ist möglicherweise viel geringer, als es Statistiken zeigen.
China National Team
China geht in die Offensive. Als einziges Land lehnt China Verhandlungen über Veränderungen der Handelsbedingungen uns sonstiger politischer Forderungen der USA nach der Einführung von Handelszöllen ab. Statt dessen erhebt das Land ebenfalls absurd hohe Einfuhrzölle für US-Waren.
Die Verantwortlichen sind der Meinung, dass sich die USA mit den Zöllen selbst schaden. Die aktuelle Aufhebung der Zölle für Apple-Produkte bestätigt diese Auffassung.
China moderiert auch aktiv die Finanzmärkte. Der Landeswährung wird erlaubt, moderat gegenüber dem USD abzuwerten. Aktienpreise werden aktiv gestützt. Dafür bedient sich die Staatsführung eines »National Team’s«, eine Gruppe von staatsnahen Institutionen, die gemeinsam Aktienpreise moderieren.
Das passiert meist verdeckt über das Market-Making, aktuell aber auch öffentlich. So verkündete China Chentong Holdings, die chinesische Entsprechung von Black Rock, für 13,6 Mrd. $ chinesische Aktien aufzukaufen. China Reform Holdings verkündete separat, etwa 12,5 Mrd. $ für Aktienkäufe auszugeben. Börsengelistete chinesische Unternehmen wurden aufgefordert, verstärkt eigene Aktien aufzukaufen. Hierfür bietet der Staat sogar Subventionen an. Insgesamt stellt der Staat chinesischen Unternehmen für Aktienrückkäufe 105 Mrd. $ zur Verfügung. Die Idee dahinter: Das Aktienangebot verknappt sich signifikant. Unter normalen Marktbedingungen steigt der Marktpreis allein aufgrund der Aussicht auf signifikant höhere Dividendenzahlungen. Die Mittelvergabe verlangt von den Unternehmen ein Bekenntnis zum Shareholdervalue. Wer die Subventionen beansprucht verpflichtet sich, Investoren entweder über hohe Dividenden einen Mehrwert zu bieten oder über steigende Aktienpreise.
Internationale Investoren begrüßen die kapitalmarktfreundliche Wirtschaftspolitik. Trotz der massiven Strafzölle waren China-ETF’s in der letzten Woche gesucht.
Die Kapitalanlage hat viel mit Diplomatie gemein. Diplomaten diskutieren nicht über Standpunkte und Maßnahmen ihrer Gegenüber, sie halten diese stattdessen in ihren Notizen fest und handeln viel später nach einer Konsultation mit anderen.
Der aktuelle Beitrag von Dirk Specht spricht
Insgesamt sieht
Das US-Handelsministerium versucht die Handelspartner der USA gegeneinander auszuspielen. Gelingt dies nicht, haben die übrigen Staaten gemeinsam viel Potenzial, sinnvolle Lieferketten zum gegenseitigen Nutzen fern der USA aufzubauen. Hierfür kommt Europa und insbesondere der transatlantisch geprägten März-Regierung (siehe Koalitionsvertrag) eine Schlüsselrolle zu. Sie hat die Aufgabe, Europa aus der selbstverschuldeten Abhängigkeit von den USA zu führen, dafür zu sorgen, dass das Fallout der US-Chaospolitik auf den amerikanischen Kontinent begrenzt bleibt und eine Kapitalanlage in Europa sinnhaft, zielführend und profitabel ist.