Gilded Age Handelsstrategie

Welche Handelsansätze funktionieren im Monopolkapitalismus des 21. Jahrhunderts? Schauen wir der Realität ins Auge: Auf absehbare Zeit ist Ungewissheit die einzig verbliebene Konstante. Auch wenn die Bedeutung der USA weiter zurückgehen wird, ist die ganze Welt von der Renaissance der Gilded Age betroffen. Das defensive Bitcoin-Handelssystem profitiert vom derzeitigen Marktumfeld. Kann dies als Blaupause für andere Handelssysteme verwendet werden, um das Einzelwertrisiko zu reduzieren?

Wochenbericht 16/25 (Osterausgabe) Stuttgart, 18. Apr. 2025

Wer dachte, mit dem Liberation Day hätte sich die US-Administration erstmal »ausgekotzt«, wird beinahe täglich mit dem Gegenteil konfrontiert. Hier eine unvollkommene Auswahl der Schlagzeilen der vergangenen Woche:

  • Handelszölle für die gesamte Wertschöpfungskette Seltener Erden.
  • Ein Quasi-Exportbann für KI-Chips nach China (betrifft Nvidia, AMD, Intel und indirekt auch ASML).
  • Einstellung genehmigter und bereits begonnener Offshore-Windkraftprojekte an der US-Atlantik-Küste.
  • Kooperation von US-Explorationsfirmen und US-Großbanken mit russischen Energieunternehmen zur Erschließung eines gigantischen Gasfeldes in Sibirien.
  • Einstellung staatlicher Förderung von Universitäten und (im Falle von Harvard) Vorbereitung einer Aberkennung des Gemeinwohlcharakters. Damit unterläge die Universität den üblichen Steuersätzen eines gewinnorientierten Unternehmens.
  • Ignorierung der Rechtsprechung des Supreme Courts (Rückholung eines versehentlich in ein Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador deportierten Familienvaters mit drei Kindern in den USA).
  • Verbot einer Beteiligung von US-Banken am geplanten Börsengang von CATL in Hongkong. JP Morgan und die Bank of America müssen ihre Mandate zurückgeben (und vermutlich hohe Vertragsstrafen zahlen).
  • Quasi-Ausschluss chinesischer Frachtschiffe vom US-Markt. Von chinesischen Reedereien betriebene Frachtschiffe müssen Strafgebühren entrichten, wenn sie US-Häfen ansteuern. Pro Schiff sind Hafengebühren von 1,5 Mio $ angekündigt.

und schließlich am Freitag:

  • Ankündigung einer Abschaffung der politischen Unabhängigkeit der FED.

Surprisingly waren nur die neuen Exportrestriktionen für KI-Chips nach China marktrelevant: Die Marktpreise von Halbleiterunternehmen setzten den Basistrend hoch korreliert fort. Die meisten übrigen Werte erholten sich weiter moderat von den vorangegangenen Preisrückgängen.

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Abbildung 1: Relative Preisentwicklung Nvidia, AMD, Intel und STMicro (6 Monate)

Die Abb. 1 zeigt die Preisverläufe großer, in den USA gelisteter Chiphersteller. Rückblickend ist die Branche bereits seit einem halben Jahr im Abwärtstrend. Die Korrelation ist in den letzten drei Wochen massiv gestiegen. Bis dahin führten zumindest Intel (orange) und STMicro (magenta) ein gewisses Eigenleben. Die Korrelation zwischen AMD (blau) und Nvidia (weiß) ist stets hoch. Seit dem 26. März spielen individuelle Entwicklungen keine Rolle mehr. Die Preisentwicklung folgt der Geopolitik.

Die Causa Intel

Isoliert betrachtet kommt ein naiver Marktbeobachter bei Einzeltiteln möglicherweise zu einem anderen Schluss. Intel profitiert wie kaum ein anderes Unternehmen vom US-Isolationismus. Eine zukunftsgerichtete Strategie fehlt aber weiterhin.

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Abbildung 2: Preisentwicklung von Intel (6 Monate)

Der Chart zeigt eine starke Unterstützung bei 19 $ pro Aktie. Andererseits werden alle Erholungsversuche konsequent wieder abverkauft. In Kombination mit dem Sektortrend steht Intel unmittelbar vor einem strategischen Verkaufssignal. Dies könnte sich im Zuge des Sell in May-Musters ausbilden.

Intel: Turnaround bzw. Spread-Strategie?

Wer sich mit den Finanzmärkten beschäftigt, kennt die Routine: Überwiegen pessimistische Nachrichten und gibt es kaum positive Perspektiven für einen Wert, sind höchstwahrscheinlich die wesentlichen preisbestimmenden Negativfaktoren eingepreist. Es ist außerdem fahrlässig, wegen der Ablehnung der politischen Ausrichtung der Gesellschaft ein mögliches Turnaround-Szenario für Tech-Werte auszuschließen.

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Abbildung 3: Preisentwicklung Intel (4 Jahre)

Im Wochenbericht 32/24 ging Hieronymus zuletzt auf die Wertentwicklung der Intel-Aktie ein. Fragt man einen beliebigen Chatbot nach den wichtigsten Entwicklungen bei Intel seit August 2024, dann spuckt der Algorithmus eine lange Liste an neuen Projekten, Verbesserungen und Investments aus. Preisrelevant war kurzzeitig der Wechsel des CEO. Die übrigen Veränderungen sind entweder strategischer Natur oder wurden vom negativen Gesamtmarkt ausgepreist.

Fazit. Die Einschätzung des naiven Betrachters, dass die Aktie auf dem aktuellen Preisniveau gut unterstützt ist, kann mit Fakten unterlegt werden. Die zentrale Frage ist: Kann sich die Aktie vom allgemeinen Trend abkoppeln, der für Technologiewerte einen hochkorrelierten Abwärtstrend ausweist?

Unabhängig hiervon ist Intel als Teil des Chip-Oligopols Profiteur der neuen »Gilded Age« in den USA. Vor diesem Hintergrund: Eignet sich der Basiswert für eine veritable Handelsstrategie für die gegenwärtige Marktphase?

Hochvolatilitäts-Handelsstrategie

Intel

Die implizite Volatilität der Intel-Aktie entspricht fast der von Bitcoin. Hier läuft seit dem Jahreswechsel eine bisher erfolgreiche, sehr defensive Hieronymus-Spread-Handelsstrategie. Auf Intel übertragen ergeben sich interessante Perspektiven.

Eine identisch aufgesetzte Handelsstrategie würde aktuell folgende Optionspaare halten:

Fälligkeit   Strike Preis Delta   Strike Preis Delta Volatilität
Juni Put 15 0,46 $ 0,15 Call 24 0,43 $ 0,19 59 %
Sep Put 15 1,05 $ 0,20 Call 27 0,65 $ 0,20 56 %

Der Juni-Spread ist an der Preisoberseite »im Risiko«. Die derzeitige Tradingrange geht bis 27 $. Andererseits ist der vorherrschende Trend abwärts gerichtet, weiter fallende Notierungen sind wahrscheinlicher. Der September-Spread bietet der Aktie viel Raum »zum Atmen« und ist zudem wenig preissensitiv. Die hohe Volatilität impliziert einen zügigen Abbau der Optionsprämie bei defensiven Strikes.

Die Bitcoin-Spread-Strategie zeigt allerdings auch, dass in Phasen stark sinkender Notierungen maximal ein Kapitalerhalt realistisch ist. Seit März korrigiert Bitcoin bzw. der iBit-ETF den Aufwärtstrend bzw. pendelt volatil zwischen 43 und 53 $. Der Buchwert der Handelsstrategie ist seitdem per Saldo konstant.