Sell in May

Zum Monatswechsel gelang es mit vereinten Kräften, die Marktpreise in den USA auf das Niveau vor dem »Liberation Day« zu hieven. Die Q1-Berichtssaison half dabei: Vorzieheffekte inflationierten die Erträge vieler Unternehmen. Die Marktpreise haben sich zwar stabilisiert, die Volatilitäten sind aber weiterhin hoch. Mehr noch: Volatilitäten steigen mit den Marktpreisen. Das ist ungesund. Die Preisentwicklung trägt viele Elemente einer BaerMarketRallye.

Wochenbericht 18/25 Stuttgart, 03. May. 2025

Zum Monatswechsel April/Mai präsentieren US-Unternehmen Quartalszahlen, in Europa ist Hauptversammlungs-Saison. Danach beginnt üblicherweise der Sommerhandel.

2025 ist alles etwas anders. Es beginnt mit der Ankündigung, dass die Sommerferien des hiesigen Parlaments verkürzt werden sollen. Die Merz-Regierung verspricht, aufs Tempo zu drücken. Unmittelbar nach der Wahl zum Bundeskanzler wird F. Merz nach Paris und Warschau reisen. Johann Wadephul, der zukünftige Außenminister soll die Treffen in den letzten Wochen vorbereitet haben. Möglich, dass die Kanzlerschaft Merz mit einem Paukenschlag beginnt. Die Zeit erscheint günstig: mit Carney (Kanada), Starmer (UK), Tusk (Polen) und Macron (Frankreich) und ggf. Ishiba (Japan) könnte Merz ein selbstbewußtes, multinationales Gegengewicht zu den diversen autokratischen Gesellschaften schmieden.

Das Kernproblem der selbsternannten Anführer freier demokratischer kapitalistischer Gesellschaften ist deren ökonomische Erfolgslosigkeit: selbst das Wirtschaftswachstum Russlands überschreitet locker das aller, an der möglichen Allianz beteiligten Staaten.

Wobei: Autoritäre Staaten haben es ungleich leichter, statistische Erhebungen und deren Interpretation in ihrem Sinne auszulegen. Das erschwert gerade die faktenbasierte Geldanlage.

USA: Deutungshoheit über GDP-Statitik

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Abbildung 1: Entwicklung des Wirtschaftswachstums in den USA

Das der angekündigte Handelskrieg der Trump-Administration mit der übrigen Welt auch in den USA selbst Folgen haben würde, war eigentlich jedem klar. Eine Abschwächung der Dynamik der US-Ökonomie war »eingepreist«. Eine Vollbremsung der US-Volkswirtschaft hatte aber niemand auf dem Schirm.

Immerhin: Die Veröffentlichung der ernüchternden Statistik wurde von der Regierung noch zugelassen.
Im Ausland wurden das Zahlenwerk als solches emotionslos kommentiert. Hier interpretiert man die GDP-Zahlen als Indikator für das Maß der Disruption des Handelskriegs. In den USA hingegen wird der Indikator uminterpretiert. Importe gehen als Negativposten in die Ermittlung des GDP ein. Diese sind im ersten Quartal aber explodiert. Folglich ist das ausgewiesene Wirtschaftswachstum nicht korrekt. Kein Grund, an der ökonomischen Agenda der Regierung zu zweifeln.

Das Problem mit der Interpretation von Statistiken: Wenn die Aussagekraft des Indikators einmal substantiell in Frage gestellt und diese Interpretation allgemein akzeptiert wurde, ist der Indikator selbst beschädigt.

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Abbildung 2: Intraday-Preisverlauf des S&P-500 Futures in der Berichtswoche

Unmittelbar nach der Veröffentlichung der GDP-Daten sahen sich die Kritiker der Chaos-Politik im Washington bestätigt. Die Notierungen gaben um etwa zwei Prozent nach. Dann fluteten sowohl der Chef persönlich als auch diverse Sellside-Akteure mit gleichartigen Kommentaren die sozialen Medien: Die Zölle haben nichts mit den Daten zu tun. Alles ist verzerrt, glaubt keiner Statistik, die ihr nicht selbst gefälscht habt. Bis zum Handelsende konnte der S&P-500 Index sogar noch ins Plus drehen. Mit großer Wahrscheinlichkeit war das Plunge Protection Team am Werk, eine Vereinigung regierungsnaher Marketmaker, die den Index über den gesamten Handelstag stützten. Am folgenden Feiertag stagnierten die Notierungen und zum Wochenschluß setzte wegen diverser Spekulationen über mögliche Verständigungen im Handelskonflikt eine Mai-Rallye ein.

Preismanipulation bei Mc Donald’s

Die neue Regierungskoalition in Deutschland will FastFood-Restaurants mit einer ermäßigten Mehrwertsteuer unterstützen. Es entsteht die skurrile Situation, dass FastFood aus der Fritten-Bude oder dem McDonald’s DriveIn preiswerter ist, als Gleiches aus der Backwarentheke im Discounter. Merke: Subventionen sind immer ungerecht!

McDonald’s kann die Unterstützung der deutschen Bundesregierung aber sehr gut gebrauchen.

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Abbildung 3: McDonald's: Entwicklung der Quartalsumsätze in den USA

Seit einem Jahr sinken die Umsätze in den USA, im ersten Quartal 2025 um 3,6 Prozent gegenüber dem Q1 2024. Getragen wurde der Absatz in den USA ausschließlich von den Besserverdienenden. Die Restaurantbesuche von “low income” und “middle income” Kunden sind im Q1 um 10 Prozent eingebrochen.

Außerhalb der USA kämpft McDonald’s gegen die Zerstörung der Marke USA durch die Vertreter der US-Regierung. Die Quartalszahlen sind eine einzige Enttäuschung. Der Konzernumsatz und der Ertrag vor Steuern gingen um jeweils drei Prozent zurück. McDonald’s profitiert von seiner Franchise-Strategie. Der Konzern ist Vermieter und Franchisegeber, die Betreiber tragen die operativen Risiken.

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Abbildung 4: McDonald's: Preisentwicklung der Aktie

In den letzten 12 Monaten gingen die Umsätze und Erträge von McDonald’s zurück. Die Aktie notiert aktuell trotzdem in Schlagdistanz zum Allzeithoch. Ketzerisch könnte man anmerken: Die Hegemonie der USA macht McDonald’s FastFood-Gerichte überall auf dem Globus unwiderstehlich, der aktuelle Umsatzeinbruch ist der Übergangszeit von Biden nach Trump geschuldet. Selbst die deutsche Regierung hilft dabei, obwohl noch nicht einmal im Amt.

Fokus auf die Vergangenheit

Gefühlt vergeht kein Tag, an dem D.Trump nicht das »Goldene Zeitalter« für die USA prophezeit. Scheinbar überzeugt dies eine immer größere Anzahl an Spekulanten an den US-Börsen. Negative Informationen werden ignoriert, selbst kleinste Bruchstücke, die eine positive Entwicklung andeuten, werden enthusiastisch gefeiert – selbst wenn sie in der Vergangenheit liegen. Entsprechend mussten rückblickende Geschäftszahlen von US-Unternehmen als »Argumente« für Kaufempfehlungen herhalten. Die überwiegend pessimistischen ökonomischen Ausblicke ignorierte man geflissentlich.

Dieses Muster spricht für eine dominante Sellside-Strategie. Institutionelle Investoren beauftragen die hauseigene Sellside-Abteilung, für gute Notierungen zu sorgen, damit man selbst seine Positionen höchstpreislich schließen kann.

Für diese Hypothese spricht das jüngste Statement von Berkshire Hathaway, die im letzten Quartal nochmals die Cashquote erhöht hat. Ferner haben offenbar US-Privatanleger die Preisrückgänge an den US-Aktienmärkten im April für den Positionsaufbau genutzt während zeitgleich institutionelle Adressen planmäßig ihre Depots weiter räumten.

Es spricht einiges für die Hypothese, dass eine Kombination aus Marketmaking des Plunge Protection Teams und enthusiastischer Zukäufe loyaler Trump-Fans Triebkräfte der Erholungsrallye der vergangenen zwei Wochen waren.

Volatilitäten weiterhin erhöht

Zum Monatswechsel haben die meisten Indizes die Preisrückgänge zu Monatsbeginn egalisiert. Normalität ist aber nicht eingekehrt. Das zeigt der Volatilitätsverlauf defensiver Optionen.

Im Mai wird ein Put(22) auf die Bayer AG fällig. Die Aktie notiert aktuell bei 24 €, die Option ist also bequem aus dem Geld. Eine Andienung ist unwahrscheinlich. Trotzdem steigt die Volatilität markant.

Abbildung 5: Volatilitätsentwicklung der aktuell aktiven Stillhalter-Position des Bayer-Turnanround Handelssystems. Die Volatilität hat das Niveau des Preiseinbruchs Anfang April erreicht.

Unmittelbar vor der Fälligkeit steigt die Volatilität grundsätzlich. Es ist nicht auszuschließen, dass die Observation mit der kurzen Laufzeit zusammen hängt. Deshalb hier ein zweites Beispiel aus der aktuellen Stillhalterstrategie.

Abbildung 5: Volatilitätsentwicklung der aktuellen Stillhalter-Position RWE. Der Aktienpreis ist nahezu konstant, die Volatilität ist deutlich höher als im März und sie steigt weiter.

Trotz der scheinbaren Beruhigung an den Finanzmärkten zeigen viele Optionen eine wachsende Nervosität der Marktteilnehmer, die sich in höheren Kosten für Absicherungen ausdrückt.

Die Kombination aus dem aktuell ambitionierten Preisniveau, die weiterhin hohe Volatilität und der Beginn der saisonal schwierigen Sommerzeit bietet gute Rahmenbedingungen für den Aufbau von defensiven Call-Optionen, die von stagnierenden oder leicht sinkenden Marktpreisen für den Basiswert profitieren. Insbesondere für die Fortsetzung der Bayer Turnaround Handelsstrategie bietet sich wegen der sehr attraktiven Volatilität (in Anlehnung an die Bitcoin-Hochvolatilitäts-Handelsstrategie) ein gleichzeitiger Verkauf einer Put- und einer Call-Option an.

Microstrategy && Copycats III

Das Management von Microstrategy hat sich eine weitere Geldspritze genehmigt. Per Kapitalerhöhung sollen weitere 21 Mrd. $ eingenommen werden, die umgehend in Bitcoin umgetauscht werden um dann im firmeneigenen Tresor zu verschwinden.

Aktuell liegen 553.555 Bitcoin im Tresor, 2,64 % der Gesamtmenge geschürfter Bitcoins überhaupt. Microstrategy hat die Coins zu einem Durchschnittspreis von 68.459 $ erworben. Der aktuelle Tresorwert: 52.330 $. Die derzeitige Marktkapitalisierung des Unternehmens: 106.650 $. Wer in Microstrategy investiert, erwirbt Bitcoin mit einem Aufschlag von mehr als 100 Prozent.

Die Kapitalerhöhung ist im Grunde eine Wertvernichtung im großen Stil. Man erwirbt Anteile an einem Unternehmen, dass doppelt so teuer ist, als die Assets im firmeneigenen Tresor und das außerhalb dessen keine Wertschöpfung betreibt. Das Management erwirbt mit dem eingenommenen Kapital ein einziges, hochvolatiles Asset ohne inneren Wert. Das Geschäftsmodell der Firma ist es, den Handelspreis des erworbenen Assets durch geschickte Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit zu stützen. Das beginnt mit der Erzählung, dass es lukrativer ist, neue Microstrategy-Aktien zu erwerben, anstatt Bitcoin direkt zu kaufen. Für 24 Mrd. $ können aktuell 249.115 Bitcoin erworben werden. Der Tresorbestand würde nach der Kapitalerhöhung auf 802.670 Bitcoin anwachsen; der Buchwert von Microstrategy beträgt dann 79,620 Mrd. $. Das ist immer noch erheblich weniger, als die aktuelle Marktkapitalisierung.

Warum erwägen Spekulanten überhaupt, die Kapitalerhöhung mitzumachen? Ganz einfach: In der Vergangenheit gelang es dem Management, den Buchwert einer Depotposition stärker steigen zu lassen, als es ein Direktinvestment in Bitcoin selbst erlaubte.

Zusammen mit den Copycats versucht Microstrategy für Bitcoin eine permanente Knappheitssituation herzustellen. Die Strategie erinnert an die berühmte Silberstrategie der Gebrüder Hunt. Der Silberpreis stieg wegen kreditfinanzierter, koordinierter Silberkäufe binnen weniger Monate von 6 auf 50 $. Am 27. März 1980 kollabierte der Silberpreis, weil die Hunt-Brüder nach Margin-Calls zu Notverkäufen gezwungen waren. Microstrategy und die diversen Copycats gehen geschickter vor. Die Gesellschaften betreiben modernes Financial Engineering. Das Ergebnis ist aber identisch: Ein bereits spekulativ hoch bewerteter Rohstoff wird kreditfinanziert durch eine permanente Knappheit immer weiter von der Wirklichkeit entkoppelt. Wie bei jedem Schneeballsystem besteht die Kunst der Protagonisten darin, die Masse der Spekulanten davon zu überzeugen, dass der Trend zu immer höheren Marktpreisen vollkommen intakt ist und die Nachfrage mit weiter steigenden Preisen zu- und nicht abnimmt.

Der jüngste Coup der Lutnick Familie wurde im vergangenen Wochenbericht ausführlich dargestellt: Microstrategy-Copycats sichern Stablecoins ab und werden so implizit zur USD-Währungsreserve. Damit geht das Versprechen einher, dass die hochvolatile Periode von Bitcoin vorbei ist und das Asset ein langweiliger Wertspeicher wird. Das Geschäftsmodell der Microstrategy-Copycats ist mit dieser Vision allerdings inkompatibel.

Großer Profiteur der Entwicklung könnte China werden. Es ist absehbar, dass Stablecoins vollwertige Zahlungsmittel werden. Deren dezentraler Charakter macht eine direkte Kontrolle durch eine Notenbank unmöglich. Mehr noch: verschiedene Stablecoins konkurrieren im Kryptospace um Investorengelder. Gelänge es China , einen HKD-Stablecoin zu etablieren und mit eigenen Assets zu besichern, entstünde wegen der Bindung des HKD an den USD ein alternativer USD außerhalb der Kontrolle der FED. Das würde das aktuelle Währungsgefüge in seinen Grundfesten erschüttern. Wenn man dies parallel zur Invasion in Taiwan orchestriert, wäre es Teil moderner hybrider Kriegsführung.