Revolution bei Ethereum

Ethereum (und andere Kryptowährungen) sind in der vergangenen Woche deutlich teuerer geworden. Eine Ursache: Das erfolgreiche Pectra-Update der Ethereum-Blockchain. Die Vision, eine gewöhnliche Krypto-Wallet ersetzt ein Bankkonto, wird nun Realität. Mehr noch: Die Wallet wird intelligent. Die Entwicklung ist vergleichbar mit der Einführung von SpreadSheets bei kaumännischen Anwendungen. Die Verbindung der Wallet mit einer Debitkarte ist problemlos möglich, genauso die »Programmierung« von Daueraufträgen und Lastschriften. Um so dringlicher wird eine praxisbezogene Regulierung des DeFi-Space.

Wochenbericht 19/25 Stuttgart, 10. May. 2025

Business as usual in Europa und Asien, der normale Wahnsinn in den USA, ein weiterer militärischer Konflikt, ein neuer Papst und ein sehr merkwürdiges Gedenken an die Kapitulation der dt. Wehrmacht vor 80 Jahren: Eine ganz normale Woche im Mai 2025.

Im Systemhandel wurde die Bayer-Handelsstrategie, wie im letzten Wochenbericht angekündigt, mit einem kurzlaufenden Strangle fortgesetzt. Die Erweiterung nutzt die ungewöhnlich hohe Volatilität in Optionen der Bayer-Aktie und profitiert von den stagnierenden Notierungen.

Die Musik spielt aktuell jedoch im Krypto-Segment.

Coinbase kauft Deribit

Es ist die bisher größte Firmenübernahme im Krypto-Segment. Die Publikumsbörse Coinbase erwirbt den größten Krypto-Marketmaker Deribit. Das gemeinsame Ziel: Aufbau eines liquiden Krypto-Optionsmarkts. Der Kaufpreis: 2,9 Mrd. $.

Deribit hat seinen Firmensitz in den Emiraten (UAE) und in Panama. Coinbase ist in Delaware beheimatet und betreibt Niederlassungen in Irland und Berlin. Mit dem Zukauf von Deribit streckt das Unternehmen sein Bein in den kryptoaffinen Mittleren Osten aus. Es wird erwartet, dass die Emirate ein neuer Tätigkeitsschwerpunkt sein werden.

Die Entwicklung ist für den Krypto-Markt ambivalent. Die dortigen Protagonisten sind angetreten, um den Finanzmarkt zu »entbanken«, bisherige Bankdienstleistungen zu demokratisieren und Monopolgewinne an alle Marktteilnehmer zu verteilen. Was nun passiert: Es bilden sich marktbeherrschende Unternehmen, die alles daran setzen, die Strukturen des konventionellen Finanzmarkts im Krypto-Segment zu etablieren; den Krypto-Space zu »bebanken«

Coinbase ist eine Cryptobörse, die einen zentralen Zugang zu dem Markt anbietet. Dort haben die Kunden ein ganz normales Bankkonto – keine Wallet. Coinbase bietet allerdings einen (kostenpflichtigen) Transfer von Krypto-Token zur eigenen Wallet an. Deribit speichert das eingezahlte Geld zwar in Wallets. Diese haben außer dem Namen nichts mit gewöhnlichen Krypto-Wallets gemein. Sie dienen ausschließlich dem Zugang zum Handelssystem des Brokers. Transaktionen in (Deribit) Krypto-Derivaten (Futures, Optionen) werden ähnlich wie bei einem CFD-Broker ausschließlich intern verbucht. Die Kunden handeln gegen die Bank. Zudem sind die Handelskosten hoch: Der Kauf/Verkauf einer Bitcoin-Option kostet ca. 30 $.

Fazit: Die Übernahme von Deribit durch Coinbase wurde in der Berichtswoche von den Finanzmedien gefeiert. Das fusionierte Unternehmen verspricht, einen dem US-Aktienmarkt vergleichbaren Optionshandel anzubieten. Dem Anspruch der Branche, den Finanzmarkt zu demokratisieren, hilft dies keineswegs. Im Gegenteil, aktuell werden Strukturen von CFD-Brokern kopiert. Zudem dürfte die entstehende Firma Liquidität von existierenden »OnChain« Optionsplattformen abziehen.

Etrade öffnet sich dem Kryptohandel

Die in den USA populäre Handelsplattform E-Trade (seit 2020 Teil von Morgan Stanley) ermöglicht seinen Kunden nun, Krypto-Coins zu handeln (und diese auf eine eigene Wallet zu verschieben). Morgan Stanley reagiert mit diesem Schritt der Ankündigung der Trump-Administration, Handelshürden für Kryptoassets abzuschaffen.

In der Vergangenheit war es für US-Amerikaner fast unmöglich, auf legalem Wege Krypto-Assets zu handeln. Es war allenfalls gestattet, die Token in pseudo-Wallets von Kryptobanken zu halten.

Nach der Ankündigung von Morgen Stanley kündigte auch die Bank of America an, ihren Kunden den Kryptohandel zu ermöglichen.

Pectra: Ethereum-Wallets werden smart

In der vergangenen Woche explodierte der Preis von Ethereum förmlich.

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Abbildung 1: Preisentwicklung von Ethereum (1 Monat)

Der Preis des Coins schwankt sehr stark: Am 19. Dezember kostete Ethereum etwa 4.000 $. In der vergangenen Woche kletterte der Preis um etwa 30 Prozent.

Solch dynamische Marktphasen sind nicht ungewöhnlich, wie der 5-Jahres-Chart zeigt:

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Abbildung 2: Preisentwicklung von Ethereum (5 Jahre)

Der aktuelle Preisanstieg ist im historischen Kontext sogar gering. Üblich sind Preissprünge von 2.000 Dollar. Gut möglich, dass die Kryptowährung in den kommenden Wochen den dynamischen Trend ohne Korrektur fortsetzt. Wie wahrscheinlich das ist, ist Gegenstand der Spekulation, an der sich Hieronymus nicht beteiligt.

Der aktuelle Preisanstieg von Ethereum wurde höchstwahrscheinlich vom erfolgreichen Upgrade der Blockchain getriggert. Das sog. Pectra-Update gilt als Game-Changer für den gesamten Bereich der Dezentralen Finanzen.  Hieronymus fühlt sich zurückgesetzt in die Mitte der 1980er. Damals veröffentlichte Lotus die Tabellenkalkulation »123«. Plötzlich waren Tabellen für jedermann »intelligent«.

Pectra macht aus jeder Ethereum-Wallet einen Smart-Contract. Ähnlich einer Tabellenkalkulation kann man mit einfachen Meta-Befehlen

  • Automatisierungen einpflegen, wie Daueraufträge, Lastschriften und andere zeitabhängigen Zahlungen;
  • Berechtigungen einrichten, z.B. Abbuchungen über eine verbundene Debit-Karte grundsätzlich bis zu einer Obergrenze automatisch legitimieren;
  • Prüfen, ob bestimmte Zahlungsströme zeitgemäß eingehen, z.B. Zinszahlungen für vergebene Kredite;
  • einfache Handelssystem erstellen, also beim Erreichen bestimmter Kriterien einen Coin kaufen oder verkaufen; usw.

Der Phantasie sind wie bei Excel-Sheets keine Grenzen gesetzt, der Einsatz von AI-enhanced-Smart-Contracts bietet sich förmlich an: Ethereum-Wallets werden sich binnen Kurzem stark verändern.

Bereits unmittelbar nach der Aktivierung von Pectra kann man eine normale Visa-Debit-Card mit einer Ethereum-Wallet verbinden und diese ganz normal nutzen. Derzeit ist hierfür ein spezialisierter Dienstleister, wie z.B. Wirex, nötig. Zukünftig kann man sich selbst mit jeder Sparkasse und jedem Zahlungsdienstleister verbinden. Eine Ethereum-Wallet kann nun ein klassisches Bankkonto ersetzen – und bietet einen zusätzlichen Mehrwert. Was derzeit fehlt ist die Umsetzung der IBAN in eine gültige Wallet-Adresse, genauer: der regulatorische Rahmen, eine Ethereum-Adresse mit einer IBAN zu versehen und in den normalen Zahlungsverkehr zu integrieren.

Die erfolgreiche Aktivierung des Pectra-Updates hat das DeFi-Space elektrisiert. Die Ethereum-Blockchain macht die Wallet der Nutzer intelligent. Die Idee, dass eine einfache Ethereum-Wallet ein Bankkonto ersetzt, wird Wirklichkeit. Es ist absehbar, dass zertifizierte Wallets ganz normal am Zahlungsverkehr teilnehmen können, also eine IBAN bekommen. Decentralized Finance hätte dann das Monopol der Banken für den allgemeinen Zahlungsverkehr gebrochen.

Wegen dieser Entwicklungen überarbeitet die europäische Finanzaufsicht gerade die Rahmenbedingungen für die Verwendung von DeFi in Europa. So wird es zukünftig wohl keine anonymen Wallets mehr geben und nur Coins, die die Datensicherheitskriterien der Finanzaufsicht erfüllen, können verwendet werden. Geldwäsche und Steuerhinterziehung dürften unmöglich werden. Das fühlt sich zwar an, wie »chinesische Verhältnisse«, ist aber der Preis für die individuelle Wahlfreiheit zwischen Bank oder DeFi.

Bitcoin wieder über 100.000 $

Die Preisdynamik ist nicht auf Ethereum und andere DeFi-Währungen beschränkt. Auch Bitcoin hat eine dynamische Rallye hingelegt. Der Coin-Preis ist binnen Kurzem von 80.000 auf 100.000 $ gestiegen.

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Abbildung 3: Preisentwicklung von Bitcoin (1 Jahr)

Hier sind die Triebkräfte klarer. Große Player versuchen, mittels koordinierter Coin-Käufe eine Knappheitssituation zu erzeugen (siehe Wochenberichte 18/25 bis 16/25). Bitcoin positioniert sich als Rohstoff.

Das Bitcoin-Handelssystem erweist sich trotz der erheblichen Preisdynamik als ausgesprochen robust.