Scheinfassade

Mittelalterliche Fürsten waren Meister der Selbstinszenierung. Trotz überbordener Schuldenlasten feierte man üppige Feste mit »Freunden«, prahlte mit kurzfristiigen »Deals« oder zog öffentlichwirksam gegeneinander zu Felde. Die Inszenierung der Staatsbesuche von Trump im Mittleren Osten folgt dem gleichen Schema.
Die »Moppedscheune« steht etwa 70 km von Frankfurt entfernt. Sie zeigt eine andere Realität, die auch in Osteuropa flächendeckend anzutreffen ist. Können Trump-Klone trotz der miesen Performance des Guru aus den USA hier weiterhin triumphieren? Das ist entscheidend für die Wertwahrnehmung europäischer Dividendentitel.

Wochenbericht 20/25 Stuttgart, 17. May. 2025

Popularität des Populismus

Am Donnerstag wurde das Wahlergebnis der Bürgermeisterwahlen in Davao City, Philippinen, bekannt gegeben. Rodrigo Duterte, ehemaliger Staatspräsident und bis 2016 dort als Bürgermeister tätig, gewann die Wahl mit deutlicher Mehrheit. Duterte sitzt aktuell in Untersuchungshaft in Den Haag und wartet auf seinen Prozess wegen Menschenrechtsverletzungen während seiner Präsidentschaft. Die Wahl in Davao City wird in den Philippinen als Testwahl für die Präsidentschaftswahl im Jahr 2028 angesehen. Es ist nicht klar, welcher Clan korrupter ist, die Dutertes oder die Marcos-Familie. Derzeit sind die Marcos am Ruder. Der Präsident gibt sich prowestlich, demokratisch und fortschrittlich. Auf dem Marcos-Clan lastet der Fluch des Langzeitdiktators Ferdinand Marcos. Der Duterte-Clan bewies mit dem Abstimmungsergebnis in Davao, dass seine Machtbasis auf einem soliden Fundament ruht und dass ein Trump-Klon zumindest auf regionaler Ebene weiterhin Mehrheiten findet.

An diesem Wochenende werden in Osteuropa gleich zwei Präsidentschaftswahlen abgehalten: Der erste Durchgang in Polen und die Stichwahl in Rumänien. In beiden Ländern steht trotz der begrenzten Machtfülle der Präsidenten viel auf dem Spiel. Die Kandidaten der populistischen Nationalisten übten bereits den Schulterschluß und hoffen auf eine pro-russische, trumpophile Achse Polen – Slowakei – Ungarn – Rumänien.

Die Aussicht auf einen Trump-Klon in Rumänien ließen bei institutionellen Investoren die Alarmglocken klingeln. Seit der Bekanntgabe des Ergebnisses des ersten Wahlgangs stehen rumänische Staatstitel und der Leu unter starkem Abgabedruck. Wesentliche Triebkraft ist der Bruch der fragilen Regierungskoalition. Die erste Amtshandlung des Wahlgewinners dürfte die Moderation der Regierungsbildung sein. Falls Simion gewinnt, könnten rumänische Faschisten an der Regierung beteiligt werden.

Der rumänische Leu wertete trotz Interventionen (ca. 5 Mrd. €) der Zentralbank seit der ersten Runde der Wahlen gegenüber dem Euro um etwa drei Prozent ab. Falls Simion die Wahl gewinnt, verliert Rumänien mit sehr großer Wahrscheinlichkeit sein Investmentgrade Rating. Das Land ist mit etwa 56 Mrd. Euro im Ausland verschuldet. Es wird vermutet, dass Fonds und Pensionskassen, die nur Investmentgrade Anleihen halten dürften, nach einem Wahlsieg Sinions rumänische Staatsanleihen im Umfang von 10 bis 20 Mrd. zum Verkauf stellen werden. Der Verkaufsdruck führt zu höheren Renditen und einer weiteren Abwertung des Leu.

Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass populistische Wahlversprechen finanziert werden können. Eine rechtsnationale, populistische Regierung in Rumänien wäre genau deshalb sehr empfänglich für »Wahlgeschenke« aus Russland. Die Wirkkraft der EU würde nachhaltig leiden und mittelbar würde die Wertwahrnehmung für europäische Dividendentitel deutlich sinken.

Die Präsidentschaftswahlen in Rumänien sind ein erster Test für die Popularität des Populismus trump’scher Ausprägung in Europa. Nach mehr als 100 Tagen ist Trump zwar in den USA in weiten Kreisen (inkl. der Finanzmarktteilnehmer) entzaubert. In Rumänien (und Polen) zeigt sich, ob die Botschaft auch in wenig entwickelten Staaten angekommen ist.

Gelingt es den prowestlichen Kandidaten in Polen und Rumänien zu siegen, hätte das Trump-Lager vier Niederlagen in Folge zu verkraften: Kanada, Australien, Rumänien, Polen. Werden die Trump-Klone gewählt, würde Europa massiv geschwächt.

USA: 90 Tage sind nicht genug

Bis zum 9. Juli gilt offiziell die 50 prozentige Ermäßigung der Strafzölle der USA für Importe aus Europa (10 % für die meisten Handelsgüter). Danach treten automatisch die »reziproken« Zölle von 20 % pauschal auf alles in Kraft, zusätzlich zu sektorbedingten Zöllen, wie für Stahl, Aluminium, Autos, etc. Üblicherweise dauert es Jahre, bis Freihandelsabkommen ausverhandelt werden. Nun soll alles innerhalb weniger Wochen abgeschlossen werden.

Immerhin hat die Verhandlungskommission aus Brüssel in der vergangenen Woche erste Vorschläge für die Ausgestaltung eines möglichen neuen Handelsregimes vorgelegt. Es scheint das primäre Ziel der USA zu sein, Handelsketten mit Komponenten aus China zu zerschlagen. Auf der einen Seite wird Europa belohnt, wenn es stabile Handelsketten mit Vorprodukten mit US-freundlichen Handelspartnern aufbaut und mit den USA gemeinsam die Entwicklung Chinas beschneidet. Auf der anderen Seite bestrafen die USA Europa massiv, wenn hier günstiger produziert werden kann oder wenn es dem MAGA-Lager einfällt, eigene Kernkompetenzen aufzubauen. Gern würden die USA Europa als »Dumping Ground« für Agrarprodukte und Kohlenwasserstoffe benutzen. Wir blicken direkt in die Fraze des Kolonialismus des 21. Jahrhunderts.

Neues Narrativ im Zollstreit

Auf dem Rückflug aus dem Mittleren Osten wiederholte Trump seine Sichtweise auf die Strafzölle:n

Die Einführzölle in die USA sind der Eintrittspreis, den Exporteure für das Privileg zahlen müssen, um ihre Waren in den USA zum Verkauf anbieten zu dürfen.

Der US-Präsident erkennt an, dass es bis zum 9. Juli nur mit wenigen Ländern gelingen wird, MAGA-konforme Handelsabkommen abzuschließen. Das US-Handelsministerium hat einfach nicht genügend Kapazitäten. Für die meisten Länder treten ab Juli absehbar die im April verkündeten reziproken Zölle in Kraft.

Der Kapitalmarkt bepreist aber das Gegenteil. Die Preissenkungen aus dem April sind weitgehend egalisiert – in den USA und auch im Rest der Welt. Die chaotische US-Zollpolitik hat demnach summarisch keinerlei negative Implikationen auf die Ertragsentwicklung von Unternehmen. Mehr noch: US-Verbraucher zahlen übergeordnet nicht mehr, als vor der Einführung der Importzölle; die US-Inflation steigt nicht. Wundersam: Der US-Staat erhält aus den Zolleinnahmen einen Einkommensschub im zweistelligen Milliardenbereich.

Das wäre ein Perpeto Mobile der Geldbeschaffung.

Wie lange gelingt es der Trump Administration, diese Illusion durch einen permanenten, positiven Nachrichtenstrom aufrecht zu halten? Auch in der vergangenen Woche verging kein Tag ohne neues »Excitement« aus dem PR-Team der Trump-Administration. Sei es die vorübergehende Absenkung der US-Zölle auf chinesische Importe auf 40 Prozent, Mega-Investments arabischer Scheichs oder Monster-Aufträge für Ikonen der US-Industrie (Boeing).

Vorbild Bayer

Der Bayer-Konzern veröffentliche in der Berichtswoche Q1-Zahlen. Perplexity fasst dies wie folgt zusammen:

  • Stabile Geschäftsentwicklung trotz Herausforderungen: Der Konzernumsatz lag im ersten Quartal 2025 mit 13,738 Milliarden Euro nahezu auf Vorjahresniveau (währungs- und portfoliobereinigt -0,1 %) und entsprach damit den Erwartungen.
  • Starke Performance der Pharmasparte: Besonders positiv wurde das deutliche Ergebnisplus im Bereich Pharmaceuticals aufgenommen. Hier profitierte Bayer von signifikantem Wachstum bei neuen Produkten wie Nubeqa und Kerendia (Umsatzplus von 80 % im Jahresvergleich), weiteren Zuwächsen bei Eylea und einer starken Entwicklung im Radiologie-Geschäft.
  • Innovationspipeline und neue Produkte: Die Einführung des Medikaments BIANTRA in Deutschland und die Vorbereitung des Launchs von Elenzanatant für die zweite Jahreshälfte 2025 wurden als Zeichen für Bayers Innovationskraft gewertet. Auch die Fortschritte bei Zulassungsanträgen für neue Indikationen (z.B. Kerendia, Eylea) unterstreichen die Dynamik der Pipeline.
  • Verbesserung beim Free Cashflow: Trotz weiterhin negativem Wert konnte Bayer den freien Cashflow im Vergleich zum Vorjahr um 1 Milliarde Euro verbessern (auf -1,5 Mrd. €).
  • Bestätigung des Jahresausblicks: Bayer bestätigte die Prognose für das Gesamtjahr 2025, insbesondere für das Pharmageschäft mit Erwartungen am oberen Ende des Zielkorridors. Dies wurde vom Markt als Vertrauenssignal gewertet.

Das Zahlenwerk hievte den Aktienkurs kurzfristig auf 27 €. Bereits zum Handelsschluß am 13. Mai war die Euphorie verflogen. Zurück blieb eine kleine grüne Kerze mit einem sehr langen Docht.

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Abbildung 1: Preisentwicklung der Bayer Aktie

Am Mittwoch dann die Trendwende. Der Preis der Aktie sank um 10 Prozent. Der Aufwärtstrend seit dem Markttief bei 18 € ist Geschichte.

Maßgeblich war eine Nachricht, wonach US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. plant, Glyphosat als potenziell gesundheitsschädlich einzustufen. Kennedy verantwortet die Initiative “Make America Healthy Again”. Diese soll in Kürze veröffentlicht werden und die offizielle Neueinschätzung enthalten. Möglicherweise beginnt die Prozesslavine gegen Bayer nun von vorn.

Im Ergebnis handelt die Aktie zwar weiterhin in der Tradingrange 22 – 24 € (seit März 2025). Der Nachrichtenstrom rechtfertigt die hohe Volatilität, verbunden mit teuren Aktienoptionen.

Das Turnaround Handelssystem profitierte von den Preiskapriolen. Es war mit einem defensiven Strangle (22/27) positioniert. Der Call(27) verbilligte sich im Zuge des Preisverfalls und konnte bereits nach weniger als zwei Wochen mit dem Zielertrag geschlossen werden. Der Put(22) verbleibt als Stillhalterposition im Depot. Angesichts der neuen Risikobewertung der Aktie ist es zielführend, eine weitere Call-Option mit einer Laufzeit von zwei Monaten zu schreiben.

Die Bayer-Aktie zeigt exemplarisch die Risiken des US-Geschäfts für europäische Unternehmen. Es gibt einfach keine Rechtssicherheit. Ausländische Unternehmen stehen im Fadenkreuz innenpolitisch motivierter Manöver der US-Politik. Das die Bayer AG mehr als 20.000 Mitarbeiter in den USA beschäftigt, ist wenig relevant. Auch in anderen Branchen droht ein politisch motiviertes Bashing, das primär vom Sitz der Konzernzentrale abhängig ist.

Fazit: Die Bayer-Aktie zeigt exemplarisch, welche Risiken aktuell im US-Geschäft für europäische Unternehmen bestehen. Egal wie viele US-Mitarbeiter beschäftigt werden, im Zweifel sind europäische Unternehmen Hauptadressaten der toxischen US-Handelspolitik. Bayer zeigt auch, wie wenig Rechtssicherheit in den USA herrscht und wie schnell ein global tätiger Konzern in das Fadenkreuz der Ränkespiele der US-Innenpolitik geraten kann.

Aktien Europa: Business as Usual?

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Abbildung 2: Preisentwicklung des EuroStoxx

Der Preischart des EuroStoxx zeigt die beeindruckende Erholung der Marktpreise seit dem Preiseinbruch im April. In der vergangenen Woche stagnierten die Notierungen. Dies mag dem kleinen Optionsverfall am Freitag geschuldet sein.

Allein die Tatsache, dass die Notierungen mehr als einen Monat kontinuierlich gestiegen sind, dass keine Korrektur des Aufwärtstrends stattfand, ist ein Novum.

Falls eine Korrektur einsetzt sieht es charttechnisch nun allerdings Mau aus.
Unterstützungen sind bei 5.200 und 5.100 auszumachen. Die Notierungen können technisch bedingt und anlasslos jederzeit mehr als 5 Prozent sinken (Sell in May). Europäische Aktien sind genauso teuer, wie im Februar und März. Bereits damals konnte Hieronymus außer Vorschußlorbeeren für die neue konservative Regierung in Deutschland keinen Grund für die Preistreiberei erkennen. Daran hat sich nach der Präzisierung der US-Handelspolitik nichts geändert. Zugegeben: die Wertwahrnehmung europäischer Dividendentitel hat sich im Zuge des Realitätschecks der Trump-Politik deutlich verbessert. Ob dies deutlich höhere Notierungen rechtfertigt?

Die bessere Wertwahrnehmung zieht effektiv einen Preisboden in den Markt. Es ist wenig wahrscheinlich, dass die Notierungen unter 5.000 sinken. Spätestens bei 4.900 ist eine solide Unterstützung aus dem Markttief im Dezember ableitbar. Höchstwahrscheinlich spannt der Preisbereich 5.000 – 5.700 die Handelsspanne für den Sommerhandel auf. Hierauf wird die Handelsstrategie für den Sommer aufbauen, die in den kommenden Tagen aufgesetzt wird.