Nach einer kurzen De-Eskalationsphase ist die US-Politik zurück im Chaos-Modus.
An China hat sich die Trump-Administration handelspolitisch die Zähne ausgebissen.
Nun ist Europa dran. Das Playbook ist identisch: Man droht mit exessiven Strafzöllen,
führt diese testweise sogar ein – oder auch nicht. Die Hauptsache: Aufmerksamkeit.
Wenn die USA Europa nun genauso behandelt, wie vorher China, warum benutzt Europa
eigentlich nicht die erfolgreiche chinesische Verhandlungsstrategie?
Wer zweimal lügt
… dem glaubt man nicht. Nach nunmehr vier Monaten Dauerbeschuß mit irritierenden Absichtserklärungen, die größtenteils unmittelbar nach ihrer Ankündigung wieder zurückgenommen wurden, fällt es der Trump-Administration zunehmend schwer, das »Momentum« aufrecht zu halten. Das Ergebnis: Immer bizzarrere Statements und damit verbunden – Glaubwürdigkeitsverlust.
Jüngstes Beispiel: Am Freitag kündigte Trump höchstpersönlich die Einführung von Strafzöllen von 50 Prozent auf alle Ausfuhren aus der EU ab dem 1. Juni an. Wenig überraschend sanken die Marktpreise für Aktien und Renditen von Staatsanleihen unmittelbar. Ein Blutbad bleib jedoch aus. Zum Wochenschluß schlossen die europäischen Indizes auf Tagesbasis zwischen einem Prozent (Niederlande) und zwei Prozent (Italien) im Minus.
Auf Wochenbasis gaben die US-Indizes etwa 2,5 Prozent ab, der EuroStoxx50 verbilligte sich um 1,8 %. Der US-Dollar verbuchte mit -2 % sein schwächstes Wochenergebnis seit dem »Liberation Day« und gab am Freitag allein 0,9% ab.
Interessant ist der folgende Vergleich der Blue-Chip-Indizes aus Deutschland und Australien

Der australische Markt reagierte mit fast identischen Abgaben auf die Ankündigung der Strafzölle gegen die EU. Hier waren Handelsroboter am Werk, die mechanisch den Newsflow auswerten und short gehen, wenn eine Nachricht bestimmte Schlüsselworte enthält.
- Die Ankündigung hoher Strafzölle auf Importe aus Europa verfängt nicht.
- Ein Zollsatz von 50 Prozent ist entweder disruptiv und schadet den USA mehr als Europa oder nur eine Nebelkerze.
- Nach einigen Wochen relativer Ruhe kündigt sich eine Phase unberechenbarer Aktionen der US-Administration an.
- Es fällt der Trump Administration schwerer, das eigene Momentum zu halten, die Aktionen werden bizarrer.
- Kurzfristig verursachen die Ankündigungen aus dem Weißen Haus Volatilität. Außer mechanischen Handelsrobotern fällt niemand mehr auf das Gefasel herein.
In der Berichtswoche billigte das Repräsentantenhaus die von der Trump-Administration vorgeschlagenen Steuersenkungen (The Big Beautiful Bill). Die Regierung verspricht, die Steuersenkungen durch Streichung von Zuschüssen zu Medicaid (Gesundheitsfürsorge für Menschen mit geringem Einkommen) zu finanzieren. Das überparteiliche Committee for a Responsible Federal Budget schätzt, dass das Steuerpaket die öffentlichen Schulden bis 2034 um 3,3 Billionen USD steigen lässt. Die Haushaltsverschuldung steigt danach auf fast sieben Prozent des GDP (pro Jahr).
Im Ergebnis werden Anleihen und die Währung gleichzeitig preiswerter (Renditen steigen, gleichzeitig wertet die Währung ab): Investoren ziehen Geld aus dem USD-Raum ab.
CATL Börsengang in Hongkong

Seit dem 20. Mai ist die Contemporary Amperex Technology Co., Limited (CATL), der global größte Produzent von LithiumIonen-Batterien auch an der Börse in Hongkong gelistet. Der Börsengang erlöste etwa 4,5 Mrd. $. Das Unternehmen öffnet sich internationalen Investoren.
In einem begleitenden Statement prognostizierte das Unternehmen für China eine Revolution im LKW-Bereich. Batteriebetriebene LKW’s haben gemäß dem CATL-Management bereits in wenigen Jahren 35 % geringere Betriebskosten als fossil betriebene Lastwagen. Bereits 2028 erwartet CATL in China eine Marktdurchdringung von 50 Prozent. Das Herzstück der CATL-Strategie ist die »Batterie Nr. 75«. In China baut CATL damit eine Infrastruktur für einen Batteriewechsel auf. Das erscheint nach den jüngsten Erfolgen beim Schnellladen zwar unnötig, senkt aber die Investitionskosten für Transporteure. Elektrisch betriebene LKW sind in der Anschaffung in China günstiger, als LKW mit Dieselaggregat – eine entscheidende Triebkraft für die rasche Elektrifizierung des Transportwesens.
Die Einnahmen aus dem Börsengang in Hongkong sind jedoch für den Aufbau in die Batterieproduktion in Europa investiert. In Debrecen (Ungarn) errichtet CATL für 7,1 Mrd. $ eine Gigafabrik. Da auch BYD seine europäische Produktion aus Ungarn organisiert, entsteht dort gerade ein europäischer Elektroautomobil-Cluster. CATL liefert an die heimischen Automobilhersteller, BYD baut lokal Batterien für die eigenen Fahrzeuge. Von NorthVolt spricht niemand mehr …
Die CATL-Gigafabrik könnte auch den Markt für stationäre Speicher in Europa revolutionieren. CATL hat kürzlich die zweite Generation von Natrium-Batterien vorgestellt. Diese sind prädestiniert für stationäre Speicher, die Tagesschwankungen abdecken.
Der Marktwert von CATL ist stark von Entwicklungen bei US-Handelszöllen abhängig. Mangels Alternativen importiert die USA zähneknirschend CATL-Batterien. Sinken die Zölle, ordern US-Kunden große Volumina, steigen die Zölle dann wieder, versiegt das Interesse. Der Aktienpreis ist nach der vorläufigen teilweisen Aussetzung der Strafzölle wieder auf das AllTimeHigh geklettert.
Target verliert Kunden

Nach den US-Wahlen (3.11.24) kletterte der Preis für Target-Aktien mit dem breiten US-Markt. Am 20. November veröffentlichte der US-Einzelhändler enttäuschende Quartalsergebnisse. Der Aktienpreis sank deutlich und erholte sich bis Mitte Januar zaghaft. Dann folgte das Management dem allgemeinen Trend und beendete Programme, die Gleichstellung, Diversität und Inklusion (DEI) fördern sollten. Die Aktie nahm ihren Abwärtstrend wieder auf.
Ein Preisrutsch von 140 auf 90 $ pro Aktie ist ein Statement. Offenbar identifizierten sich sehr viele Kunden mit dem sozialen Engagement des Retailers. Der Verlust der Kundenbindung hat konkrete finanzielle Auswirkungen. Die Q1-Zahlen sind eindeutig:
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Umsatzrückgang: Die Gesamtumsätze sanken auf 23,8 Mrd. USD, was einem Rückgang von 2,8 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dies lag unter den Erwartungen der Analysten.
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Same-Store Sales: Die vergleichbaren Umsätze, eine wichtige Kennzahl für Einzelhändler, fielen um 3,8%, Filialumsätze allein sanken sogar um 5,7 %.
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EPS: Der bereinigte Gewinn pro Aktie lag bei 1,3 USD, was deutlich unter den Erwartungen der Analysten von 1,64 $ lag.
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Ausblick: Target senkte seine Prognose für das Gesamtjahr und erwartet nun einen Rückgang der Umsätze im niedrigen einstelligen Prozentbereich sowie einen Gewinn pro Aktie zwischen 7 und 9 USD (zuvor 8,80 bis 9,80 $).
Target spürt die Abstimmung mit den Füßen. Aus Protest über das Einknicken des Managements vor den Forderungen der Trump-Administration boykottierten viele »ihre« Target-Filialen. Man kann dies scheinbar bis auf die Bewegungsmuster der Kunden in Shopping-Malls zurückverfolgen: Um Target-Märkte machten viele schlicht einen großen Bogen.
Die für die Anbiederungsstrategie an die Forderungen der Trump-Administration verantwortlichen Manager haben das Unternehmen bereits verlassen. Nun kann sich eine neue Manager-Riege die Zähne an einer Strategie ausbeissen, die verlorenen Kunden wieder zu gewinnen.
Target blickt auf eine Tradition als innovativer Einzelhändler zurück. Bis zur Pandemie wurde die Kette als Konkurrenz zu Walmart, als »Aldi der USA« gehandelt: Ein klar fokussiertes Sortiment, Standorte in urbanen Vorstädten und ein »europäisches« Einkaufserlebnis. Hierauf kann das Management aufbauen. Ob sich die Manager einen alternativen Entwicklungspfad trauen? In diesem Fall wäre ein Spread: Buy Target, Sell Walmart zielführend.