Die Finanzmärkte sind robust. Trotz einer nie dagewesenen Eskalation
im Nahen Osten und einer ungewissen Ausrichtung der USA nach den dortigen Wahlen.
Vielen unscharfen Risiken stehen – zumindest in den USA – harte Konjunkturfakten
entgegen. Der Biden Administration scheint eine Punktlandung gelungen zu sein. Selbst
Kritiker (außer Trump natürlich) ziehen den Hut.
Das hohen Risiken adäquate Chancen gegenüberstehen verspricht auch die Apollo Group.
Ob Private Capital und Private Equity, deren Produkte, tatsächlich die Finanzierungsinstrumente der Zukunft sind?
Die Börsenwoche
Die chinesischen Handelsplätze waren wegen der »goldenen Woche« geschlossen. Auch der europäische Handel war wegen des hiesigen Einheitsfeiertags quasi im Sommermodus. In genau einem Monat finden die Präsidentschaftswahlen in den USA statt. Vorher lehnt sich in den USA niemand mehr aus dem Fenster. Die Märkte »treten Wasser«.
Bis etwa zwei Wochen vor dem US-Wahltermin hedgen Marktteilnehmer üblicherweise reale und angenommene Preisrisiken. Die Nachfrage nach Absicherungsinstrumenten treibt die Volatilität und senkt perspektivisch die Marktpreise.
Am Freitag wurden in den USA neueste Arbeitsmarktdaten veröffentlicht. Danach wurden im September 254.000 neue Stellen besetzt. Das waren mehr als 100.000 Stellen mehr, als die Konsenserwartung. Trotzdem erklomm der S&P 500 danach gerade das Preisniveau der Vorwoche. Selbst linientreue Ökonomen, die gerade in Wahlkampfzeiten auf Fox-News alle Statistiken in der Luft zerreissen und in ihrem Sinne uminterpretieren, waren sprachlos. Mr. Trump gab schließlich die Parole aus, das sein ein weiterer Beweis, wie Immigranten den US-Bürgern die Arbeitsplätze wegnehmen.
Wallstreet war trotzdem nicht zufrieden. Schließlich schwindet mit diesen Arbeitsmarktdaten jede Perspektive auf einen weiteren Jumbo-Zinsschritt der FED in diesem Jahr. Die Renditen an den Rentenmärkten stiegen daraufhin, besonders am kurzen Ende. Am Rentenmarkt waren die Preise waren kräftig unter Druck.
Die Rentenmärkte preisen bereits vorsichtig längerfristig höhere Marktzinsen ein. Auch Staatsanleihen mit fünf Jahren Laufzeit sind signifikant preiswerter geworden:
Charttechnisch ist die Abb. 3 aufschlußreich. Am 2. August (Zinsanhebung in Japan) begann rückblickend mit einem Ausbruch zur Oberseite (mit Gap) die Übertreibungsphase. Das Gap wurde – wie in den USA üblich – ein paar Tage später geschlossen. Der Zinsentscheid Anfang September wurden die Höchstpreise nach dem Ausbruch nochmals angehandelt. Mit dem Preisrutsch am Freigag (wiederum mit Gap) ist eine typische Übertreibungsformation vollendet.
Dies steht stabilen Aktienmärkten (noch) nicht im Weg. Steigende Marktrenditen – insbesondere bei gleichzeitig fallenden Inflationsraten – sind Hinweise auf einen Rückgang der Liquidität an den Kapitalmärkten.
Japan weiter Liquiditätsquelle
Anfang August deutete die Bank of Japan an, die Geldpolitik nachhaltig zu straffen. Der eingeleitete Weg, den Leitzins kontinuierlich anzuheben, sollte einstweilen fortgesetzt werden. Daraufhin wertet der Yen deutlich auf, Carry-Trades wurden hektisch glatt gestellt.
Seitdem ist in Japan viel passiert. Mit Shigeru Ishiba tritt ein neuer Ministerpräsident an, der das Land klar gegen China positioniert und eine asiatische Nato aufbauen möchte. Auf seinen ersten öffentlichen Auftritten positionierte er sich überraschend klar: Die japanische Ökonomie verträgt keine weiteren Zinsanhebungen – und keine weitere Aufwertung des Yen. Die Niedrigzinsphase ist also noch längst keine Geschichte.
Die Finanzmarktteilnehmer bauen bereits wieder Yen-Carrytrades auf, verschulden sich kreditbasiert in australischen Staatsanleihen.
Der japanische Aktienmarkt hatte sich sehr rasch von den Verkaufswellen Anfang August erholt. Im Zuge der Abwertung der Landeswährung (siehe Abb.4) steigen die Notierungen an den Aktienmärkten nun weiter. Die neue Schwäche des Yen macht den Nikkei (in lokaler Währung) erneut zum Outperformer.
Per Saldo »pumpt« ein schwacher, quasi zinsloser Yen über den Carrytrade (präferiert mit dem
Australdollar als Finanzierungswährung) wieder einen ständigen Strom preiswerter Liquidität in
die internationalen Finanzmärkte.
Zusammen mit den chinesischen Liquiditätsspritzen ergibt sich eine auskömmliche Liquiditätsversorgung,
unabhängig von der Geldpolitik der FED.
Vor den US-Wahlen werden kaum noch Risikopositionen aufgebaut. Der Strom ausgezeichneter Wirtschaftsdaten in den USA reisst nicht ab. Deshalb blieb die sonst übliche Marktdelle im Vorfeld des Wahltermins bisher aus.
Mit China und Japan stehen zwei Liquiditätsgeber bereit, eine mögliche US-Nachwahlrallye zu stützen. Dafür müssen die USA der Welt jedoch zuerst beweisen, dass sie friedvolle, demokratische Wahlen abhalten können.
Berkshire 2.0 ?
In der vergangenen Woche veranstaltete die Apollo-Group ihren Investorentag. Das Unternehmen kann aktuell vor Kraft kaum laufen und wird als Berkshire 2.0 gehandelt. Große multinationale Konzerne wie Intel, AT&T, AB InBev und Sony Music sind »Kunden«.
Das Geschäftsmodell ist aus den Verfehlungen traditioneller Banken während der Finanzkrise geboren. Apollo stellt seinen Kunden innovative, individuelle maßgeschneiderte Finanzierungen bereit (Stichwort: Private Credit) – und lässt sich diesen Service mit ebenfalls überdurchschnittlichen Renditen vergüten. In einem zweiten Standbein ist Apollo im traditionellen Private Equity-Geschäft tätig und erwirbt nach dem Muster von Berkshire Hathaway Unternehmensbeteiligungen oder ganze Firmen. Ein Aktiendepot fehlt jedoch.
Privat Credit ist in den USA der Nachfolger der Kreditderivate, die bekanntlich die Finanzkrise ausgelöst haben. Der Sektor ist genauso opak wie damals z.B. das Subprime-Segment. Apollo behauptet selbstbewußt, nach 2007 in die Fußstapfen der traditionellen Geschäftsbanken geschlüpft zu sein und (mangels Regulierung) deren damalige Geschäftspraxis systematisch weiterentwickelt zu haben.
Angefangen hat Apollo mit dem Verkauf individueller Lebensversicherungsverträge aus zweiter Hand. Je früher der Versicherungsnehmer verstarb, desto höher war die Rendite des Investors. Daneben baute Apollo systematisch sein Geschäft als unerschrockener Finanzierungspartner auf, der – anders als Banken – auch eigene Risiken nicht scheut. Intel hatte für den Bau einer Fertigung in Irland eine Finanzierungslücke, die keine Bank tragen wollte. Apollo sprang mit 11 Mrd. $ ein. AT & T war zu hoch verschuldet, um die essentielle Mobilfunksparte zu finanzieren. Apollo ging selbst mit 2 Mrd. $ ins Risiko.
Private Credit geht insbesondere in Niedrigzinsphasen asymmetrische Risiken ein.
Das ist einerseits das Erfolgsrezept, Investoren müssen aber hoffen, dass das Risikomanagement effizient ist.
Zurück zum Investorentag. Die Veranstaltung dient primär für die Kundenbindung. Nichts ist für eine börsennotierte Private-Equity-Gesellschaft gefährlicher, als »zittrige Hände« unter den Aktionären. Die eigene Kreditwürdigkeit steht und fällt mit dem Aktienkurs. Letztlich ist der Investorentag eine Sell-Side-Veranstaltung.
Trotzdem, zwei Graphiken stachen heraus:
Der obere Teil der Abb. 6 ist weder ungewöhnlich noch neu. Interessant ist die Zuordnung der Strategen von Apollo. Sie begraben die Phase florierender öffentlicher Kapitalmärkte. Tatsächlich sind die Triebkräfte Globalisierung, Fiat-Money und (als Konsequenz) steigende Bewertungen an den Kapitalmärkten gefühlt ihren Kipppunkten sehr nah.
Deshalb ist es erlaubt, die Finanzierung der Wachstumssektoren der Zukunft neu zu denken.
Und da kommt die Abb. 7 ins Spiel. Lag der Schwerpunkt von Apollo bislang in der Bereitstellung von Krediten, sieht das Unternehmen seine Zukunft in maßgeschneiderte Equity-Konzepten. Genauso wie Private Credit das Fremdfinanzierungsgeschäft revolutioniert hat, wird Private Equity die Funktion und Ausgestaltung von Eigenkapital neu denken, sagt Apollo.
Was hiervon Wunschdenken der Marketing-Abteilung ist und was in die Realität gegossen werden kann, wird sich zeigen. Die Apollo-Aktie ist auf jeden Fall ein volatiler Highflyer. Die Risiken des Geschäftsmodells übersetzt der Kapitalmarkt in große Preisamplituden. Zwar stimmt die Langfristrendite, ruhig schlafen kann Mensch als Investor jedoch nicht. Da hilft auch kein sorgfältig inszenierter Investorentag.