Ruhe nach dem Sturm

Nach der US-Wahl ist vor dem Weihnachtsgeschäft. Die Wetten auf einen Durchmarsch der Trump-Administration sind platziert. Nun gilt es abzuwarten.
Den Handelspartnern der USA bleibt Zeit, Aktionspläne für zu erwartende Attakten aus den USA scharf zu stellen und das eine oder andere Begrüßungsbonbon zu platzieren. Die Zeit bis zur Inauguration ist aus Investorensicht prädestiniert für Seitwärtsstrategien.

Wochenbericht 45/24 Stuttgart, 16. Nov. 2024

Neokolonialismus und Abwehrstrategien

Am ersten November veröffentlichte die FT einen Meinungsbeitrag von Robert Lighthizer, einem zukünftigen Mitglied der Trump-Administration. Rückblickend ist es seine Bewerbung um einen Posten (Donald Trump’s trade remedies reflect America’s troubled reality). Darin entwirft Lighthizer eine verstörende US-zentrierte, neokoloniale Weltordnung.

Die Schlüsselsätze:

Countries that run consistently large surpluses are the protectionists in the global economy. Others, like the US, that run perennial huge trade deficits are the victims. They end up trading their assets and the future income from those assets for current consumption. Many economists will say this is all the fault of the victim, and that the US has too low a savings rate. Of course the trade deficit is equal to the difference between a country’s investment and its savings, but the causation runs the other way. Foreign industrial policy creates the deficits and with investment being set by demand for domestic investment, savings must go down.

Lighthizer dreht den Spiess einfach um. Volkswirtschaften, die ihre Waren im Ausland anbieten, sind Protektionisten, und nicht Staaten, die Handelsbarrieren errichten. Die Sparquoten in den Handelspartnern der USA sind ihm zu hoch. Die Wirtschaftssubjekte sollen konsumieren und keine Reichtümer anhäufeln. Die Wirtschaftspolitik exportorientierter Staaten hält die Bürger in seinen Augen vom Konsum ab. Statt dessen fördern die Staaten Investitionen, mit denen konkurrenzlos günstig Güter produziert werden, die anschließend den US-Markt überschwemmen.

Deutlicher kann man es nicht formulieren: Wer nicht den konsum-zentrierten Lifestyle der USA kopiert, ist ein Feind, der bekämpft werden muss. Es genügt nicht, bessere Rahmenbedingungen für die Produktion von Gütern und Dienstleistungen zu bieten, als die USA. Man muss auch genauso konsumieren. Was unterscheidet diese Handelspolitik vom Kolonialhandel im 19. Jahrhundert?

Im Grunde phantasiert sich Lighthizer einen postkolonialen Aufstand herbei: Staaten denen die USA großzügiger­weise ihre Handelsgüter abkauft, verweigern die Übernahme des American Way of Life. In imperialistischer Manier zwingt er sie, marginstarke US-Güter und -Dienstleistungen abzunehmen. Verweigern die Staaten dies, werden sie mit Strafzöllen überzogen. Mit dieser Botschaft ist die Trump-Administration auch nach dem Wahlsieg 2016 losgezogen und hat ab 2018 chinesische Waren pauschal mit 25 Prozent besteuert.

Das Ergebnis entsprach nicht den Erwartungen. Anstatt die Handelsströme zu verändern, reagierten damals die Währungsmärkte. Marktgesetze verändern sich nunmal nicht, weil ideologisch verbrämte MAGA-Brüder im Geiste die Macht in den USA an sich reissen.

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Abbildung 1: Abwertung des Yuan gegenüber dem USD als Reaktion auf die Einführung von Importzöllen auf chinesische Güter

Robin Brooks, ehemaliger Chefökonomist des Institute of International Finance, sieht darin eine Gesetzmäßigkeit.
Allgemeine Importzölle treffen die Exporteure kaum. Die Anpassungslast trägt der Währungsmarkt.
Sie sind ungeeignete Instrumente zur Bekämpfung von Handelsungleichgewichten.

China steht deshalb vor einer anderen Herausforderung, als allgemein antizipiert. Falls unter Trump-2 sogar höhere Importzölle verhängt würden, würde die chinesische Währung deutlich stärker abwerten, als 2018/9. Da das Muster bekannt ist, dürften sich vermögende Chinesen vorab mittels Kapitalflucht absichern. Das würde den aktuellen Trend nochmals verstärken und sämtliche Bemühungen der Regierung konterkarieren, die lokalen Finanzierungskonditionenzu verbessern.

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Abbildung 2: Zäsur für das Reich der Mitte – Ausländische Investoren ziehen netto Kapital ab.

Die wirksamste Maßnahme, diesen Trend zu stoppen und ggf. umzukehren wäre eine proaktive, deutliche Abwertung des Renminbi. Falls dies zeitgleich zur Inauguration am 19. Januar erfolgen würde, sendete dies ein untrügliches Zeichen an die neue Administration. Das würde natürlich an den Kapitalmärkten deutliche Wellen schlagen. Danach wären chinesische Unternehmen konkurrenzlos und die chinesischen Regierung könnte verfügen, welche Auslandsmärkte mit billigen Produkten überschwemmt würden.

Trump-2 ist zwar deutlich strukturierter und vermutlich auch schlagkräftiger, als Trump-1. Die außen- und handelspolitische Agenda unterscheidet sich aber nur graduell von der unter Trump-1. Es wirken ähnliche Marktgesetze und – ChatGPT &Co sei dank – jede/r kann die Effekte der Implementationen unter Trump-1 in den verbleibenen acht Wochen ausgiebig studieren. Es fällt schwer zu glauben, dass sich die asiatischen Exporteure einem Handelsdiktat der USA widerstandslos fügen werden.

Überall werden bis Mitte Januar Aktionspläne erarbeitet, die auf prognostierbare Maßnahmen der neuen US-Administration reagieren. Fraglich ist, ob die Aktionspläne bereits vorab scharf gestellt werden. Da mit Lighthizer und Rubio zwei China-Hardliner für Schlüsselpositionen nominiert sind, ist könnte China gezwungen sein, die Initiative zu ergreifen.

Sehr wahrscheinlich werden auch unter Trump-2 die Währungsmärkte wiederum die Hauptanpassungslast tragen.

Die Abwertung der chinesischen Währung impliziert eine (deutliche) Aufwertung des US-Dollar. Mit dieser Maßnahme könnte die chinesische Regierung die neue Trump-Administration bereits in den ersten Tagen kräftig unter Druck setzen. Eine solche Maßnahme wäre ein wirklicher Gamechanger, insbesondere da Trump versprochen hatte, die Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen über einen schwachen Dollar zu stärken.

Es ist längst nicht ausgemacht, dass die neue US-Administration ob der klaren Mehrheitsverhältnisse ihre politische Agenda gegen die Kräfte an den Finanzmärkten umsetzen kann.

Jardines: Trump in Singapore

Eine statistisch begründete Regel lautet: Steigen die Notierungen an den US-Aktienmärkten unmittelbar nach einer US-Wahl deutlich an, steigen die Marktpreise im ersten Jahr der neuen Administration weiter.

Das gilt weltweit, da eine positive US-Konjunktur normalerweise auf die gesamte westliche Welt ausstrahlt. Die Aussagekraft ist natürlich unter den gegebenen isolationistischen Tendenzen herabgesetzt. Dennoch setzen aktuell viele auf dieses Szenario, nicht nur in den USA.

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Abbildung 3: Preisentwicklung der Jardines(Singapore)

Das auf den Bermudas beheimatete, in Singapore gelistete Konglomerat mit Headquarter in Hongkong steht wie kein zweites für die postkoloniale (nicht neokoloniale!) Realität in Südostasien (einschließlich China). Die Jardines sind Distributor für Markenprodukte aus Europa und den USA (Ikea, KFC, Mercedes, etc), besitzen die legendäre Mandarin Oriental Hotelkette und sind über Hongkong Land ein Big Player im Haifischbecken des Immobilienmarkts Hongkongs.

Die Aktie weist einen ausgeprägten Konglomeratsabschlag aus. Sie kostete im April 2021 noch 70 Dollar. Seitdem ging der Marktpreis kontinuierlich zurück. Das Management kauft seit fast 2 Jahren kontinuierlich Aktien auf. Über die Sommermonate wurde ein Preisboden ausgebildet. Seit der US-Wahl hat sich die Erholung verstetigt. Hieronymus interpretiert dies im Kontext der Erwartung einer erfolgreichen US-Handelspolitik gegenüber Südostasien. Möglicherweise spekulieren die aktuellen Käufer darauf, dass es der Trump-Administration gelingt, die Marktmacht der multinationalen US-Unternehmen zu festigen, für die die Jardines exklusive Vertiebspartner sind.

In diesem Sinne sind die Jardines trotz ihrer geographischen Nähe zu China ein Trump-Trade! Die Aktie würde wegen der Konglomeratsdiversifikation höchstwahrscheinlich auch von einer erfolgreichen Abwehr eines US-Handelskrieges profitieren. Zum Konglomerat gehören mehrere Lebensmittelketten und eine Beteiligung an der indonesischen Astra, die Spiegel lokaler konjunktureller Tendenzen sind. Zuletzt wird das Unternehmen in Asien als britische Hinterlassenschaft gesehen, kann sich also gegenüber der USA einfach exkulpieren.

Vorweihnachtliche Ruhe

Gleich am Montag materialisierten in Europa Ängste bezüglich den Auswirkungen einer isolationistischen Handelspolitik in den USA. Die Marktpreise gingen auf breiter Front zurück. Zeitgleich beobachtete Hieronymus etwas merkwürdiges: die Volatilität verharrte auf einem sehr niedrigen Niveau. Sinkende Marktpreise triggerten keine Nachfrage für Absicherungen.
Der EuroStoxx markierte völlig unspektakulär ein neues Preistief im Abwärtstrend.

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Abbildung 4: Preisentwicklung des EuroStoxx und Volatilität(blau)
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Abbildung 5: Preisentwicklung des australischen Aktienmarkts zum Vergleich

Der jüngste Preisrutsch ist auf Europa beschränkt. In Australien triggerte die US-Wahl zwar Anfang des Monats einen Mini-Ausverkauf. Seitdem hat sich der Aktienmarkt eindrucksvoll stabilisiert. Anders als in den USA hat sich kein Aufwärtstrend ausgebildet.

Der australische Markt bietet nahezu ideale Bedingungen für den Stillhalterhandel. Das passive ASX-Handelssystem wurde diese Woche aufgewertet. Die übliche Laufzeit für neu aufgesetzte Spreads beträgt ca. 100 Tage. Wegen der vorteilhaften Bedingungen wurde ein zusätzliches Optionspaar mit einer geringeren Laufzeit (65 Tage) eröffnet. Die maximale Rendite beträgt ca. 20% p.a. (1.060 A$ Prämieneinnahme für 65 Tage bei 15.000 € Kapitalbindung). Das Handelssystem bleibt seinen konservativen Qualitäten treu und verspricht dem Investor eine gepflegte Seitwärtsrendite.