Siemens in MAGA-Zeiten

Speichertechnologien, Stromhandel und Energiemanagement-Software sind kritische Zukunftsthemen. Tesla schickt sich an, dieses Segment zu dominieren. Aber auch Siemens ist nicht untätig. Mit einem Joint-Venture mit der AES hat sich der Konzern aus Erlangen strategisch in eine Pole-Position manöviert.

Wochenbericht 46/24 Stuttgart, 23. Nov. 2024

Das Titelphoto stammt aus der Präsentation des kontroversen Jaguar-Rebrandings. Das Management hat verstanden, dass es sinnlos ist, austauschbare Fahrzeugkarrossen abzulichten. Die (erzkonservative) Kundschaft sieht das freilich anders. In den sozialen Netzen brach ein Shitsturm aus. Jaguar ist jedenfalls in aller Munde. Toll. Nun müssen sie nur noch zukunftsweisende Fahrzeuge bauen.

Fluence Energy

Fluence is a global market leader delivering intelligent energy storage and optimization software for renewables and storage. Our solutions and operational services are helping to create a more resilient grid and unlock the full potential of renewable portfolios. With gigawatts of successful implementations across nearly 50 markets, we are transforming the way we power our world for a more sustainable future.

Das kling erstmal nach einer üblichen, marketing getriebenen Selbstdarstellung eines jungen Unternehmens. Auch der Preisverlauf der Aktie an der Nasdaq ist unspektakulär.

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Abbildung 1: Preisverlauf der Fluence Energy Aktie (2 Jahre)

In den vergangenen zwei Jahren lautete das Fazit für Investoren: Außer Spesen nichts gewesen. Das Unternehmen schreibt rote Zahlen, an eine Ausschüttung von Dividenden ist nicht zu denken. Die Eigentümerstruktur ist interessant: Ankerinvestoren sind der Siemens Pension Trust (11,76 Mio Aktien) und Handelsbanken Fonders (6,37 Mio Aktien). Handelsbanken weitet sein Engagement stark aus.

Was also ist Fluence Energy? Das Unternehmen entstand 2018 aus einem Joint-Venture der AES und Siemens. 2018 war das zweite Trump-1-Jahr. Es ist nicht abwegig, die Unternehmensgründung mit den damaligen Rahmen­bedingungen zu verknüpfen. Die beiden Unternehmen bündelten ihre Speichertechnologiesparten in der Fluence Energy. Die aktuellen Mehrheitsverhältnisse sagen viel über die Rolle der AES in diesem Coup. Zugespitzt: Fluence Energy ist ein Siemens-Außenposten in den Vereinigten Staaten, eine pragmatische Lösung, den US-Markt für Speicherlösungen in MAGA-Zeiten nicht allein Tesla zu überlassen. Fluence ist offenbar operativ und strategisch hervorragend aufgestellt:

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Abbildung 2: Wettbewerbsumfeld Energy Storage Software

Die Biden-Administration forciert zum Staffetenwechsel im Weißen Haus die Auszahlung von Fördergeldern des Inflation Reduction Acts. Hiervon profitiert auch Fluence. Für das 4. Quartal 2024 erwartet der Markt den Übergang in einen profitablen Geschäftsbetrieb (Ziel: Earnings per Share: 0,3 $).

Derzeit verkauft Fluence AI-unterstützte Energiemanagement-Software (Saas) und erzielt einen prognostizierbaren Einnahmenstrom. Das Geschäftsumfeld für Speicherlösungen explodiert geradezu. Selbst in den USA verdoppelt sich die installierte Leistung jährlich. Große regenerative Stromerzeugungsanlagen werden immer öfter mit 48h-Speichern geplant. Die Energiemanagementsoftware ist eine kritische Systemkomponente. Schließlich nehmen die Speicher am Stromhandel teil. Ausgeklügelte Handelsstrategien können Goldgruben für Betreiber sein. Allein in Deutschland werden jährlich 9 Mrd. € für das nationale Lastmanagement verteilt: fette Weiden für AI-gestützte Stromhandelsmodelle.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Preisverlauf der Fluence-Aktie mysteriös. Dem Unternehmen schlug offenbar wegen der nicht vorhandenen Profitabilität viel Mißtrauen entgegen. Aktuell weist die Aktie zudem eine anormal hohe Implizite Volatilität auf. Diese erreichte am Freitag fast 80 Prozent. Zeitgleich verteuerte sich der Aktienkurs um fast zehn Prozent. Des Rätsels Lösung ist der Q4-Management-Call am kommenden Montag. Möglicherweise schauen die Marktteilnehmer auf Northvolt und setzen den Markt für Autobatterien mit dem für Großspeicher gleich. Die Ankündigung von Fluence, 2025 eine eigene Batteriefertigung in den USA zu eröffnen (und damit in direkte Konkurrenz zu Tesla zu treten), mag einige abschrecken. Eine Monopolisierung für Großspeicher in den USA liegt jedoch nicht im Interesse der Trump-Administration. Deren Protagonisten sind zwar extrem – aber allesamt eingefleischte Kapitalisten.

Fazit. Fluence ist – obwohl an der Nasdaq gelistet und mit Firmensitz in Arlington – ein global tätiges Siemens-Gewächs. Es profitiert in den USA vom Inflation Reduction Act. Ergebnistreiber ist derzeit das ai-gestützte Energiemanagement, das den Betrieb von Großspeichern optimiert. Hier ist Fluence Marktführer. Das Unternehmen steht an der Schwelle zur Profitabilität.

Handelsstrategie. Die Aktie weist eine stabile Notierung auf. Sie pendelt seit zwei Jahren zwischen 15 und 30 USD hin und her. Der Optionshandel ist liquide, Optionen sind teuer (hohe implizite Volatilität).

Es bietet sich eine Kombination aus Stillhalterhandel und Buy&Hold an. Der Buy&Hold-Anteil ist zunächst gering. Falls die Aktie über 27 $ ausbricht, könnte dieser Anteil aufgestockt werden. Primäres Ziel ist es aber, die Aktien über Stillhalteroptionen zu einem guten Kurs einkaufen zu können. Konkret wurden zu 1,25 $ Optionen veräußert, die die Aktie zu 18 $ im Februar einbuchen würden (Break Even: 16,75 $). Sollte die Aktie nicht soweit runter kommen, bleibt Hieronymus immer noch die Prämieneinnahme, die aktuell eine Rendite von aktuell 8,5 % pro zwei Monate erwirtschaftet.