Unterwerfen oder Kreativ werden

Bereits vor der Übernahme der Amtsgeschäfte erwartet D.Trump Unterwerfungsgesten seiner Amtskolleg*innen. Kanada und dei EU fügen sich, Mexiko nicht. In Asien kündigen sich kreative Umgehungsstrategien zur Handelspolitik in den USA an.
In der »Black Week« hatte die Welt aber eh anderes im Sinn, z.B. kollektiv Truthähne zu verspeisen.

Wochenbericht 47/24 Stuttgart, 30. Nov. 2024

Es geht wieder los. US-Regierungsvertreter manipulieren mit alternativen Fakten.
In dieser Woche stellte der zukünftige Finanzminister klar:

Tariffs can’t be inflationary because if the price of one thing goes up, unless you give people more money, then they have less money to spend on other things, so there is no net inflation.(Scott Besset in einem Radio Interview)

Der Mann hat immerhin ein Vierteljahrhundert einen HedgeFund geleitet. Unfassbar.

Unterwerfungsrituale

Die Wochen vor Weihnachten stehen für die Meisten für einen versöhnlichen Blick zurück auf das Jahr und der Vorfreude auf ein paar entspannte Tage im Kreise von Freunden und Verwandten. Das gilt (natürlich) nicht für D. Trump. Am vergangenen Montag gab es den ersten Vorgeschmack auf den Januar. Importe in die USA aus Kanada und Mexiko sollen dann mit 25 Prozent besteuert werden. Trotz bestehendem Freihandelsabkommen (unter Trump1 neu ausgehandelt).

Trump ist nicht gewählt worden, weil er ein sympathischer Typ ist. Die US-Bürger haben ihn mit einer fast totalen Machtfülle ausgestattet. Es war einfach an der Zeit, Unterwerfungsgesten einzufordern.

Gegenüber Kanada hat das geklappt. Justin Trudeau griff sofort zum Telefonhörer und versprach, die Wünsche der neuen US-Administration zu erfüllen. Am Freitag reiste er artig nach Florida und tafelte mit D.Trump.

Erstaunlich war, dass weder Korea, noch Japan oder die EU von Trump in seinem ersten Rant bedacht wurden. Dort geht nun die Angst um, welche Forderungen Trump stellen wird und welche Druckmittel zur Erzwingung von Veränderungen gewählt werden. Dass Trump sich die Gelegenheit entgehen lässt, die besten Freunde der Biden-Administration öffentlich zu demontieren, ist unvorstellbar.

Das sieht auch die EZB so. Anders ist nicht zu erklären, warum Christine Lagarde die erste Gelegenheit nutzte, um es Trudeau gleich zu tun. Gegenüber der FT erklärte sie, dass Europa bereit sei, mehr Gas und Militärgüter aus den USA zu importieren. Damit sind die Machtverhältnisse geklärt.

Kapitalmärkte unbeeindruckt

Die Drohung, das Freihandelsabkommen zwischen Kanada, Mexiko und den USA bereits im Januar auszusetzen, perlte an Finanzmarktteilnehmern in Toronto wirkungslos ab. Der TSX schloß die Woche mit einem Plus von 0,41%. Der mexikanische Aktienmarkt schloß mit -0,34 % auch nur unbedeutend niedriger, als in der Vorwoche. Hier antizipieren die Marktteilnehmer allerdings seit der US-Wahl einen Handelskrieg. Der IPC ist seit der US-Wahl von 53.000 auf 49.700 gesunken, der Peso wertete deutlich ab.

Nur wenige Einzeltitel mit langen Lieferketten beiderseits der US-Außengrenzen wurden preiswerter, bspw. General Motors.

Zufall oder Window-Dressing? Zeitgleich mit der Ankündigung der Strafzölle gegenüber Kanada und Mexiko legte Trump auch weitere Zölle auf Einfuhren aus China fest. Sofort verzeichnete Jardine Matheson an der SGX in Singapore ein ungewöhnlich hohes Handelsvolumen. Unternehmen, die US-Produkte im Ausland vertreiben, profitieren. Finanzmarktteilnehmer erwarten auch von China einen Kotau gegenüber D.Trump.

Exportorientiere Unternehmen versuchen bis zum 20. Januar so viele Waren wie irgend möglich in die USA zu liefern. Das beginnt mit italienischen Käseproduzenten, geht über spanische Olivenölhersteller und treibt selbst den Produzenten von Tiger Balsam zu ungewöhnlichen Maßnahmen.

Die angekündigten Strafzölle werden bei nicht verderblichen Produkten erst mit einer langen Verzögerung wirken.

In der Zwischenzeit ergibt sich für den US-Handel die Chance auf Windfall-Erträge. Nichts ist einfacher, als verkündete Strafzölle auf die Artikel aufzuschlagen und die Regale über 2 Jahre aus dem Lagerbestand zu füllen.

Background: Merkantilismus

Wer in der Schule gut aufgepasst hat, kennt das alles. Adam Smith (Der Wohlstand der Nationen) prägte den Begriff.

Wirtschaftliche Praxis, die Handel und Reichtum durch staatliche Kontrolle zu maximieren versucht.(Adam Smith)

Merkantilismus prägte die europäische Gesellschaft des 16. bis 18. Jahrhunderts und ist eng mit dem Kolonialhandel verknüpft. Moderne Merkantilisten verbinden die Maximierung eigener Ausfuhren mit der Ausweitung der eigenen Machtbasis. Da es kaum noch koloniale Abhängigkeiten gibt, versucht man durch mittelbare Schwächung der Handelsgegner seine eigene Position zu verbessern. Dazu gehört ein ganzer Werkzeugkasten geeigneter Maßnahmen. Die Einforderung der Unterwerfung der Vertreter anderer Handelsmächte ist ein Teil hiervon.

Spannend wird die Reaktion der USA auf die Verweigerung der Unterwerfung durch Claudia Steinbaum (Mexiko). Selbstbewußt wies sie auf die Abhängigkeiten der US-Unternehmen hin, die die Hauptlast der Strafzölle zu tragen hätten. Das kann D. Trump eigentlich nicht durchgehen lassen – insbesondere weil ihm eh unterstellt wird, dass er mit starken Frauen nicht umzugehen weiss.

Fazit: Die Welt weiss inzwischen, mit D.Trump umzugehen.

Nach kurzer Aufregung verpuffte die Wirkung der Trump’schen Drohungen sowohl in der Geopolitik wie auch an den Finanzmärkten. Es scheint, dass die Welt aus den Erfahrungen aus Trump1 gelernt hat und die USA nun ins Leere laufen lässt. Im Erfolgsfall wirkt die neue US-Administration primär destabilisierend im Inland. Dies legt auch der Blick auf die Charaktere im Kabinett von D.Trump nahe.

Investments in Nicht-US-Assets sind 2025 weniger risikobehaftet als US-Kapitalanlagen.

Alibaba

Die chinesische Regierung hat zuletzt mehrfach die Bedeutung der Kapitalanlage in Eigenkapital (Aktien) betont. Man ist zur Erkenntnis gelangt, dass es Sinnhaft ist, der alternden Gesellschaft mangels belastbarer Sozialsysteme neben Immobilien andere Kapitalanlageformen für den Vermögensaufbau anzubieten. Die jüngsten Maßnahmen waren leider nicht zielgerichtet. Anstatt das Vertrauen in die Aktie als Kapitalanlage zu stärken, zündete der Staat eine kurze Spekulation, die innerhalb weniger Wochen wieder in sich zusammenfiel.

Das zeigt sich selbst auf einem 5-Jahres-Chart der Alibaba. Diese Aktie galt als Muster für ein sinnhaftes langfristiges Aktieninvestment. Das Unternehmen ist in China omnipräsent, zugleich hoch profitabel und innovativ. Für Kleinanleger allerdings seit längerem ein Geldgrab.

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Abbildung 1: Preisentwicklung von Alibaba und Rakuten(blau)

Längst vorbei sind die Zeiten, wo sich die Aktienpreise der Online-Marktplatzbetreiber in fiebriger Erwartung der Black Week (gefolgt von der Cyber-Week) stets im 4. Quartal gut entwickelten. Der 5-Jahres-Chart in Abb. 1 zeigt sowohl für den japanischen wie den chinesischen Marktführer eine lange Konsolidierungsphase. Der Marktpreis von Rakuten hat sich per Saldo seit 2020 nicht verändert, Alibaba hat sich noch nicht von der staatlich erzwungenen Restrukturierung erholt.

Die Aktie gehörte zu den großen Gewinnern der kurzlebigen Herbst-Hausse in China. Die spekulativen Erträge wurden danach fast komplett »weg-konsolidiert«. Auf dem aktuellen Preisniveau, das dem Durchschnittspreis des Jahres 2023 entspricht, erscheint der Wert fair bewertet. Große Preissprünge sind angesichts der geopolitischen Gegenwinde nicht zu erwarten.

Über Alibaba schwebt weiterhin die Drohung der SEC, die Zulassung der US-Notierung zu widerrufen. Das Unternehmen hat sich über eine Notierung in Hongkong ein zweites Standbein geschaffen. Dort ist ebenfalls ein liquider Optionshandel verfügbar. Optionen sind mit einer impliziten Volatilität von ca. 30 Prozent attraktiv; der Wert bietet sich als Basis für Stillhaltertrades an!

Hongkong macht sich für Milliardäre hübsch

In der vergangenen Woche bestätigte die Justiz in Hongkong hohe Haftstrafen für Demonstranten, die für den Erhalt der Meinungsfreiheit auf die Straße gegangen waren.

Fast zeitgleich prüft die Regierung die Einführung eines Steuererlasses für »sehr vermögende Ausländer«, genauer für Vermögen, dass bei in Hongkong ansässigen Private-Equity-Fonds, HedgeFonds und andere Investmentgesellschaften angelegt wird. Wer sich als Kunde dieser Fondsboutiquen qualifiziert, soll nach den Plänen weder das Kapital selbst noch erwirtschaftete Erträge versteuern müssen.

Das wird als direkte Antwort auf die Ankündigung der neuen US-Administration angesehen, den Finanzplatz USA durch massive Steuersenkungen attraktiver zu machen. Hongkong nimmt die Ankündigungen aus Washington ernst und entwickelt neue Geschäftsmodelle als Abwehrstrategie. Solche Vorstöße erwartet Hieronymus in naher Zukunft auch aus anderen Regionen. Dies ist grundsätzlich begrüßenswert, steht aber wegen absehbarer US-Reaktionen stabilen Marktpreisen entgegen.

Insbesondere hat Hongkong das Krypto-Segment im Visier. Hier spekulieren viele, dass das Krypto-Handelsverbot für Inlandschinesen via Hongkong aufgeweicht werden kann.

Bitcoin Stillhalterstrategie?

Krypto-Assets erleben aktuell den nächsten Hype. Die Preise steigen auf breiter Front. Algorand ist im November beispielsweise um 280 Prozent teurer geworden. Stellar, die »Währung« hinter Moneygram-Geldtransfers sogar um 440 Prozent. Gleichzeitig entwickeln die Börsenbetreiber tragfähige Integrationen in den normalen Kapitalmarkt. Ab Dezember sind an der CBOE in Chicago beispielsweise Cash-settled Bitcoin-Optionen handelbar. Das stabilisiert den Basiswert. Die Phase massiver Preisschübe könnte zumindest für Bitcoin zu Ende gehen. Bitcoin ist erwachsen geworden.

Wenn Krypto-Assets an die normalen Börsen wandern, besteht andererseits keine Notwendigkeit mehr für die dort propagierten alternativen Marktplätze. Die Preisentwicklung für die o.g. Coins ist deshalb reine Spekulation und Zeichen für eine erneute Blasenbildung.

Mit der Verfügbarkeit eines (vermutlich) liquiden Optionshandels sind nicht spekulative Bitcoin Handelsstrategien möglich. Die hohe Volatilität erfordert ein angepasstes Setup. Da Bitcoin wenig mit Aktien oder Anleihen korreliert, eröffnet ein Bitcoin-Stillhalter-Handelssystem eine interessante Diversifizierung zu den bestehenden Handelssystemen. Hieronymus prüft die Eignung für ein System, für das dann auch ein Schaufenster bereit gestellt wird.