50 Jahre Optionshandel in Chicago

Seit dem Platzen der Dot.Com-blase floriert der Optionshandel. Wer es geschickt anstellt, kann in jeder Marktphase Geld mit Geld verdienen, verspricht das Marketing der Handelsplätze. Zuletzt ist dieses Marktsegment zu einem Eldorado für Daytrader geworden. Dabei ist Optionshandel viel mehr.

Stuttgart, 25. Februar 2023.

Die Berichtssaison ist zu Ende. Nun bereiten die Unternehmen die Hauptversammlungen vor. Dann beginnt die Dividendensaison. Dazwischen passiert nicht wirklich viel. Die Finanzmärkte beschäftigen sich mit sich selbst, Trends werden fortgeschrieben, Marktpreise fluktuieren, Preistrends sind wenig nachhaltig. Hieronymus nutzt die Gelegenheit, den Geburtstag der CBOE gebührend zu würdigen.

50 Jahre Optionshandel in Chicago

Im März feiert die Chicago Board Options Exchange (CBOE) ihren fünfzigsten Geburtstag. Aus einem Nischenprodukt ist ein florierendes Geschäftsmodell geworden. In den USA konkurrieren nicht weniger als 16 Optionsbörsen, im steten Wettbewerb um die fairsten Marktpreise.

Das Options-Handelsvolumen wächst exponentiell. An handelsstarken Tagen im Jahr 2000 wurde eine Million Optionskontrakte umgesetzt. Gemäß ChatGPT lag das durchschnittliche Handelsvolumen 2021 bei 31 Millionen Kontrakte, aktuell werden an Spitzentagen 45 Millionen Optionen gehandelt (Steven M.Sears im Barrons).
Der zweit liquideste Optionshandel findet mit etwa 6 Millionen Kontrakten an der Eurex in Frankfurt statt. Die Korea Exchange (KRX) betreibt mit fast 4 Mio. Kontrakten pro Tag den liquidesten Marktplatz in Asien. Dann folgen mit Abstand Hongkong (ca. 800.000 Kontrakte pro Tag), Sydney (650.000), Montreal (600.000), Paris (270.000), Osaka (250.000), Singapore (250.000), Amsterdam (150.000) und weit abgeschlagen Milano (33.000). Die CBOE wird ihren Jahrestag feiern und eine Roadshow starten, mit dem Ziel, den Optionshandel weiter in die US-Gesellschaft zu tragen.

Im Vergleich zum Aktienhandel ist das börsliche Optionssegment klein: Das Handelsvolumen für Aktien beträgt allein in den USA durchschnittlich 6 Milliarden pro Tag, das sind eineinhalb Zehnerpotenzen mehr.

Institutioneller Optionshandel

Neben dem börslichen Optionshandel existiert im institutionellen Bereich ein lebhaftes OTC-Segment(over the counter: Nicht öffentlicher Telefonhandel). Optionen aller Art sind essenziell zur Absicherung von Handelsstrategien und Investmentprozessen sowie Voraussetzung für die Emission von Retail-Produkten (Zertifikate + Optionsscheine). Nicht jeder Hedge-Fond möchte seine Handelsstrategien für alle sichtbar öffentlich platzieren.

Die Short-Selling-Attacke von Hindenburg gegen Adani wäre ohne den Optionshandel kaum möglich gewesen.

Der börsliche Handel ist selbst in den USA nicht liquide genug, um flexible ETF-Produkte zu gestalten. Der JP Morgen Equity Premium Income ETF (Marktvolumen: 18 Mrd. $) verspricht den Anlegern eine Mischung aus Optionen und Aktien. Tatsächlich wird die Optionskomponente über Equity Linked Nodes abgebildet, das ist die OTC-Variante einer Aktienanleihe.

Der ETF ist also eine Mogelpackung. Er zeigt die Grenzen des öffentlichen Optionshandels auf. Die Nodes sind nicht liquide und müssen bis zur Fälligkeit gehalten werden. Nur so kann ein Fonds mit diesem Volumen überhaupt die Vorteile von Optionen ausschöpfen.

Kleinanleger sind in diesem Marktsegment im Vorteil. Sie können die breite Liquidität für chance-risiko-optimitert Handelsansätze nutzen.

Optionen sind überall

Optionen sind nicht auf Aktien beschränkt. Theoretisch kann jedes finanzielle Asset mit einem Optionshandel unterfüttert werden. So gibt es Optionen auf Indizes, ETF’s, Futures und Währungen. Anleihen enthalten häufig implizite Optionen, über die z.B. Kündigungsrechte bepreist werden. Wandelanleihen haben per Design eine Options- und eine Anleihenkomponente. Insbesondere in den USA sind Mitarbeiteroptionen als Gehaltsbestandteil nicht ungewöhnlich.

Über Optionen kann ein Investor sich bestimme Rechte kaufen. Er entscheidet, ob er die Option ausübt und damit sein Recht wahrnimmt, die Aktie zu einem vorher definierten Preis zu kaufen oder zu verkaufen, oder nicht. Der Verkäufer einer Option verhält sich wie eine Versicherung, die ihren Kunden bestimmte Risiken abnimmt. Außerhalb des Börsensaals sichern sich Versicherungen über Rückversicherungen oder die Vergabe von Risikoprodukten (z.B. CAT-Bonds) ab, innerhalb mischen Optionshändler verschiedene Optionen zu einem balancierten, krisenfesten Portfolio.

Ein Paradies für Spekulanten

Optionen sind natürlich auch Spekulationsobjekte. So hat eine Gruppe von Tradern bei Softbank im Jahr 2020 zuerst massiv mit Optionen auf eine Erholung der US-Technologiewerte gewettet und dann öffentlich die Werbetrommel gerührt. Die Trader von Softbank platzierten ihre Wetten öffentlich an den US-Optionsbörsen. Sie kauften im große Stile Call-Optionen. Im Ergebnis existierten sehr viele offene Call-Optionen und ganz wenige offene Put-Optionen. Offene Put-Optionen sind Absicherungen, offene Call’s Spekulationen. Die US-Märkte waren damals überzogen von spekulativem Kaufinteresse. Alle hofften, dass die Preise in der Folge weiter anziehen würden.

Wenig überraschend schwankten die Marktpreise in dieser Phase sehr stark. Die Dominanz des Optionshandels destabilisierte das gesamte Marktgeschehen. Die Lehre, dass Derivate nicht die Preishoheit über die Primärmärkte erhalten dürfen, ist leider weder bei Investoren noch bei den Regulierungsbehörden angekommen. Das zeigt der gegenwärtige Hype um sog. DTE0-Optionen.

Daytrading mit Optionen

Irgendwann werden Optionen abgerechnet. Dann verfallen sie entweder wertlos oder das vereinbarte Recht wird ausgeübt. Ob eine Ausübung lohnt, entscheidet sich oft erst kurz vor dem Verfallszeitpunkt. Aktien- und Futures-Optionen müssen i.d.R. manuell ausgeübt werden, Index-Optionen werden automatisch monetär abgerechnet.

Am letzten Handelstag verlieren Optionen, die wertlos ausgebucht werden, ihren kompletten Wert. Die anderen können bereits bei geringen Preisschwankungen große Erträge abwerfen. Handelsstrategien, die Preismuster unmittelbar vor dem Verfall von Optionen nutzen, werden als DTE0-Strategien bezeichnet.

Seit einigen Monaten ist bei den großen Indizes jeder Handelstag ein Optionsverfalltag. Spekulanten können jeden Tag ihre Wetten platzieren, ob der Markt höher oder tiefer schließt. Diese Maßnahme war sehr erfolgreich:

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Abbildung 1: Daytrading-Handelsvolumen bei Optionen auf den S&P500 (in Millionen) (Quelle: FT)

Das Daytrading-Volumen hat sich Verdreifacht! Beim Daytrading verdienen: Börsenbetreiber, Banken, Market-Maker, Berater und Coaches. Manchmal auch die Trader. Im Allgemeinen finanzieren diese aber die gesamte Prozesskette.
Das ficht die Spekulanten nicht an. Gemäß J.P.Morgen macht dieser Intraday-Optionshandel inzwischen 44 Prozent des gesamten Optionshandels aus.

In Deutschland hat der Gesetzgeber diesem Treiben einen steuerrechtlichen Riegel vorgeschoben. Verluste aus derartigen Geschäften können nur begrenzt steuerlich geltend gemacht werden. Leider ist das Finanzministerium ein wenig über das Ziel hinausgestoßen. Auch Depotabsicherungen können gegenwärtig nur sehr eingeschränkt mit Erträgen an anderer Stelle verrechnet werden. Damit sind die Depots deutscher Staatsbürger größeren Risiken ausgesetzt als anderen EU-Bürgern. Dass das FDP-geführte Finanzministerium diese Praxis stützt, sagt viel über die politische Wirkmacht der Partei und dessen Führungspersonals aus.

Konservativer Optionshandel.

Optionen verhalten sich anders als Aktien, Anleihen und Rohstoffe. Im Rahmen einer Assetallocation können sie die Ertragskurve stabilisieren. Spread-Strategien werfen in langweiligen Marktphasen hohe Erträge ab. Über den Verkauf von Put-Optionen können Aktien mit Rabatt eingekauft und über den Verkauf von Call-Optionen zu einem Wunschpreis veräußert werden. Der im Aufbau befindliche Marktplatz für Handelsstrategien konzentriert sich auf solche Handelsansätze. Ein Spread-Handelssystem mit dem EuroStoxx 50 als Basiswert ist im Testbetrieb. Weitere Strategien werden gerade implementiert.

Das aktuelle Marktgeschehen beschreibt in dieser Woche der Blog der Eurostoxx-Handelsstrategie.

Ressourcen

  • How did Hindenburg short Adani stock?, FT 12.2.2023
  • This dividend-stock ETF has a 12% yield and is beating the S&P 500 by a substantial amount, Hamilton Reiner co-manages the $18.7 billion JPMorgan Equity Premium Income ETF and explains his strategy, Marketwatch 28.1.2023
  • How Options Could Help Equity Options Solve the Retirement Crisis, Barrons 20.2.2023, p. 32
  • How Softbank made billions using biggest gamma squeeze in history, Zerohedge
  • What just happened?’ ask bruised tech investors Unusual options trading by SoftBank and others gave a clue to risks building in the market, FT 4.9.2020
  • Speculation in tech derivatives points to wild swings, FT 3.9.2020