April .. April, der macht was er will

Pünktlich zum 1. April bildeten Aktienmärkte ein Preistop aus. Höchstwahrscheinlich löst ein volatiles Seitwärtsregime den bisherigen Trendmarkt ab. Dazu passend treten geopolitische Entwicklungen als preisbestimmende Faktoren in den Vordergrund.
Mit Xiaomi betritt ein neuer Player den Automobilsektor. PKW und Smartphone bilden eine Symbiose. Ganz nebenbei reklamiert ein gewisser Lei Jun den Begriff »China-Geschwindigkeit« für sich.

Wochenbericht 14/24 Stuttgart, 06. Apr. 2024

Schildbürgerstreich in Hessen

Bis vor wenigen Jahren war es quasi unmöglich, in ländlichen Gebieten einen profitablen Dorfladen zu führen. Das hat sich in weiten Teilen der Republik verändert. Robotläden, die ein Grundsortiment des täglichen Bedarfs zu Discounterpreisen anbieten – 24/7 – nehmen landesweit die vakante Position der Tante-Emma-Läden ein..

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Abbildung 1: Ein typischer Teo Robotladen (Imagebild Tegut)

Die Angebote werden gut angenommen. Die regionalen Ketten expandieren stark, sie können sich neue Standorte aussuchen, es gibt Wartelisten.

Für die einen ist das ein längst überfälliger Schritt zur Erhaltung der Lebensqualität im ländlichen Raum, andere haben grundsätzliche Probleme mit derart revolutionären Entwicklungen. In Hessen haben sich Verdi und die katholische Kirche zusammengetan, um zumindest der gröbsten Fehlentwicklung Einhalt zu bieten: Dem Verkauf an Sonn- und Feiertagen. Die Robotläden sind schließlich keine Tankstellen oder Kioske. Deshalb, so die Protagonisten, müssten die Läden an diesen Tagen geschlossen bleiben. Die Gewerkschaft sieht die Gefahr, dass klassische Discounter auch zur Sonntagsöffnung übergehen und Mitarbeiter zu Sonntagsarbeit gezwungen werden. Die Kirche sieht den Sonntagsfrieden allgemein verletzt.

„Sonntagsschutz ist mehr als Arbeitsschutz […], sondern Erhalt eines wesentlichen Kulturguts“
Verdi in einer Pressemitteilung

„Eine Öffnung an Sonntagen ist nicht möglich und nicht mit dem Grundgesetz zu vereinen. Darin ist der Sonntag als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung klar festgeschrieben.“
Rainer Petrak, katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) im Diözesanverband Limburg.

Die Gerichte gaben den Interessensvertretern recht. Tegut musste seine Filialen in Hessen bereits im Januar bis auf weiteres am Sonntag schließen. Das Unternehmen beziffert die Umsatzeinbußen auf bis zu 30 Prozent und hat als Sofortmaßnahme die Expansionspläne auf Eis gelegt.

Faszinierend ist, dass der Richterspruch nur in Hessen gilt. Im Rest der Republik ist es Robotläden weiterhin erlaubt, am Sonntag zu öffnen. In Baden-Württemberg beispielsweise weist das grün geführte Wirtschafts­ministerium sämtliche Bestrebungen zurück, hier ähnliches zu verlangen. Danach basiert das Gerichtsurteil auf einer länderspezifischen Regelung. Die Regierungsparteien in Hessen (CDU + SPD) tun sich als Interessensvertreter der Kirchen und Gewerkschaften schwer, das Ladenöffnungsgesetz zu reformieren.

Diese Posse des bundesdeutschen Föderalismus hat es in der letzten Woche sogar in die internationale Presse geschafft. Sie hat alle Zutaten, zum Sinnbild des ökonomischen Stillstands und der Lethargie bzw. spätrömischen Dekadenz Deutschlands zu werden.

China-Geschwindigkeit bei Xiaomi

Xiaomi ist hierzulande als Hersteller preiswerter Smartphones bekannt.

Seit Januar nimmt das Unternehmen Vorbestellungen für sein erstes E-Autos entgegen. In der vergangenen Woche wurden die ersten Fahrzeuge ausgeliefert.

In China wird Lei Jun, der CEO von Xiaomi, bereits als zweiter Steve Jobs gefeiert. Vor etwa einem Jahrzehnt hat er Apple, Sony und Samsung mit der Massenproduktion hochwertiger und gleichzeitig preiswerter Smartphones das Fürchten gelernt. Nun bemüht er die Metapher »China Velocity« als Markenzeichen seines dynamischen Konzerns.

Es gelang, innerhalb von 24 Monaten ein elektrisch betriebenes »Dream Car« für etwa 35.000 USD zu entwickeln und mit der Massenproduktion zu beginnen. Trotz weltweiter Überkapazitäten ( Tesla und BYD kündigten gerade Produktionskürzungen an) gingen in drei Monaten 100.000 Vorbestellungen für das SU7 ein.

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Abbildung 2: Verkaufsbereit nach 24 Monaten: Ein Xiaomi Smartphone auf vier Rädern: der SU7

Xiaomi hat große Ambitionen. Innerhalb der nächsten 15 Jahre will es eines der Top 5 Automobilkonzere werden, also mit Toyota, VW, Stellantis, Ford und General Motors gleichziehen. Elon Musk muss sich wirklich warm anziehen.

Aktienmärkte: Korrektur nach dem Osterfest

Am 1. April bildeten die Aktienmärkte in den Industrieländern ein vorläufiges Top im Aufwärtstrend seit Oktober 2023 aus. Seitdem treten die Notierungen auf weiterhin sehr hohem Niveau auf der Stelle.

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Abbildung 3: Preisverlauf des S&P 500

Es ist zu früh, um aus dem Mini-Preisrutsch etwas abzuleiten. Unsere Arbeitshypothese: Die Notierungen pendeln auf absehbare Zeit im Bereich 5000 bis 5300 im S&P 500 bzw. zwischen 4800 und 5150 beim Stoxx 50. Die absehbare Zeit endet im Herbst. Etwa 8 Wochen vor der US-Wahl ist eine »Risk Off«-Korrektur sehr wahrscheinlich. Vorher reagieren die Märkte auf geopolitische Zuspitzungen.
Es ist ein ideales Umfeld, um hohe Notierungen zum Abbau taktischer Positionen zu nutzen. Ob bei sinkenden Notierungen weitere Käufer in den Markt drängen, wird sich zeigen.

Insbesondere in der angelsächsischen Presse häufen sich Meinungsbeiträge über die Konsequenzen einer zweiten Amtszeit Donald Trump’s. Die ausgebreiteten Szenarien sind teilweise drastisch.

Vor diesem Hintergrund erwartet Hieronymus bei weiter sinkenden Notierungen maximal Interesse taktisch orientierter Adressen. Damit ist die Preisunterseite latent verletzlich.

Auf der Preisoberseite sehen wir einen nachhaltigen, Verkaufsdruck für gut gelaufene, strategische Einzelwerte. Das Angebots-volumen bei hohen Preisen übersteigt damit das Nachfrage-volumen bei niedrigen Preisen. Ein volatiler und sehr flacher Abwärtstrend wäre die logische Konsequenz dieses Szenarios.

Faustpfand Ölpreis

An diesem Wochenende treffen sich die Vertreter des OPEC+-Kartells zu ihrer Frühjahrssitzung. Allgemein wird eine Fortsetzung der Politik des knappen Angebots erwartet. Da auch Russland mit am Tisch sitzt, ist allerdings Alles möglich.

Der Ölpreis reagiert aktuell auf die Zerstörung russischer Erdölterminals durch die Ukraine und die die Zuspitzung des Nahost-Konflikts. Der Iran hat nach der Bombardierung seiner Botschaft in Damaskus für die kommende Woche einen größeren Angriff auf israelische Institutionen angekündigt. Mit dem Ende des Ramadan’s droht Israel eine zweite Front.

Die westlichen Unterstützer Israels müssen dann Farbe bekennen, ob sie das kriegslüsterne Regime in Jerusalem weiter bedingungslos unterstützen oder ob sie auch eine Zerstörung der faschistischen Strukturen in Israel als Konsequenz des Staatsterrors gegenüber den Bewohnern der besetzten (und annektierten) Gebiete sowie des Gaza-Streifens als gerechtfertigt ansehen. Insbesondere Spanien und Frankreich stehen diesbezüglich unter besonderer Beobachtung. Eine zweite Front bedeutet das Ende der sog. »werteorientierten Außenpolitik« von Annalena Bärbock. Mr. Biden hätte allerdings das größte Problem.

Die Tatsache, dass sich viele westliche Staaten eine derartige Eskalation überhaupt nicht leisten können, ist aktuell der einzige Lichtblick, der gegen die weitere Eskalation spricht.

Der Ölpreisverlauf zeigt eine weitere Zuspitzung im Krieg gegen Israel an.

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Abbildung 4: Preisverlauf des United States Oil ETF

Charttechnisch steht der Ölpreis unmittelbar vor der Ausbildung eines strategischen Kaufsignals.

Auch wenn die Ökonomie der Industriestaaten deutlich weniger von preiswerten fossilen Energieqeuellen abhängt, spielt der Preisverlauf bei Öl den Interessen Russlands in die Karten. Nachdem der Erpressungsversuch beim Erdgas nicht wirklich geklappt hat, bietet die geopolitische Großwetterlage die Chance einer Wiederholung der Preistreiberei beim Erdöl. Immerhin gelang es Russland, mit seiner Energiepolitik im Jahr 2022 eine globale Inflationswelle auszulösen, die inbesondere hoch verschuldete Länder strukturell schwächte. Was Putin nicht wissen konnte: Die AI-Revolution setzte ein erhebliches Produktivitätswachstum frei, dass die negativen Effekte der Inflation überkompensierte. Eine zweite Inflationswelle hätte höchstwahrscheinlich die von Russland beabsichtigte Wirkung.

Der gegenwärtig wieder hohe Ölpreis steht einer weiteren Eindämmung der Inflation entgegen.
Das sind kurzfristig schlechte Nachrichten für Gläubiger von Staats- und Unternehensanleihen. Deren Notierungen steigen zumindest nicht weiter.

Aktienmärkte profitieren kurzfristig. Schließlich bieten Eigenkapitalinvestments per Se einen Inflationsschutz. Das gilt, solange die Inflation keinen Rezession auslöst.

In der aktuellen geopolitischen Großwetterlage ist ausgerechnet die Rüstungsindustrie der beste Konjunkturmotor. Der hohe Ölpreis ist Konsequenz einer Zuspitzung im Nahost-Konflikt. Er spielt Russland in die Hände. Die einzig mögliche Antwort des Westens ist, ebenfalls in die Kriegswirtschaft einzutreten. Dabei müssten wir alles verfügbare Kapital in die klimaneutrale Transformation der Industriegesellschaften stecken …