Big is Beautiful

Wann fällt die nächste Bank? Zuletzt zogen Kunden täglich 10 Mrd. € von der Credit Suisse ab. Entsprechend ist die Kursentwicklung der Bankenwerte. Sichere Häfen sind gesucht. Das sind aktuell (neben Geldmarktfonds) die großen, profitablen und professionell gemanagten Technologietitel.

Stuttgart, 18. März 2023.


Die russische Sberbank musste ihr Europageschäft einstellen. Nach der Abwicklung aller offenen Posten ist Firmenvermögen über 400 Mio € übrig. Ein Transfer nach Russland ist ausgeschlossen.
Die österreichische Raiffeisen International ist in einer ähnlich unkomfortablen Situation. Das Russlandgeschäft soll abgebaut werden. Es ist aber unmöglich, die Erlöse aus der Veräußerung nach Österreich zu überweisen.

Nun erwägt man einen »Gefangenenaustausch«: Das europäische Sberbank-Vermögen wird an die Raiffeisenbank überwiesen und die Sberbank bekommt die Erlöse aus der Veräußerung russischer Geschäftseinheiten der Raiffeisenbank.

Der »Deal« muss von den politischen Institutionen in Ost und West genehmigt werden. Die Welt richtet sich im neuen Kalten Krieg ein.


„Never let a good crisis go to waste“ – soll ein zentrales Motto (und Erfolgsrezept) von Winston Churchill in seinen verschiedenen öffentlichen Rollen gewesen sein. Dies macht sich Hieronymus heute zu eigen. Der Grund ist folgende Divergenz:

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Abbildung 1: Preisverlauf des Nasdaq-Index und des US-Midcapsindex(Russell 2000) im Vergleich

Die Performance des Russell 2000 unterscheidet sich nicht von der der Vorwoche. Ganz anders die Technologiewerte im Nasdaq. Hier ist – so scheint es – von Krise keine Spur.

Gut – die Preisentwicklung der vergangenen Woche ist wenig repräsentativ. Schließlich verfielen am Freitag Optionen und Futures (Hexen-Sabbat). Im Vorfeld kommt es immer wieder zu nicht erklärbaren Preis-Spikes, insbesondere wenn kurz vorher größere Preisverschiebungen stattfanden.. Spekulanten, die kurz vor der Fälligkeit der Derivate hektisch Verluste begrenzen, wirken trendverstärkend.

Die Nasdaq zog jedoch entgegen aller Vernunft Käufer an.
Schließlich ist das Ende der Silicon Valley Bank auch das Ende des Erfolgsmodells Silicon Valley selbst. Das einzigartige Ökotop, wo hochbegabte Professorenkinder in der heimischen Garage die Grundpfeiler für Weltunternehmen auslegen, um dann die besten Rahmenumstände für einen globalen Erfolg vorzufinden, war maßgeblich ein Produkt der Manager der Silicon Valley Bank.

Doch das scheinbare Paradies für eloquente Startup-Gründer ist seit langem vorallem Jagdrevier sehr reicher Selfmade-BusinessMen&Women, die so exzentrische Visionen realisieren. Die Silicon Valley Bank stellte das Spinnennetz bereit, das den Selfmade-Millionären StartUp’s zuspielte, die dann genüsslich im Valley-Ökotop verspeist wurden oder selbst zu Spinnen aufstiegen.

Andere US-Bundeststaaten machen dem Valley seit Jahren Konkurrenz. Insbesondere Texas wirkt wie ein Magnet auf StartUp’s. Könnte es also sein, dass der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank längst überfällig war und einfach nicht mehr zeitgemäße Strukturen begraben werden?

Andererseits ist der Nutzen gewachsener Netzwerke kaum zu unterschätzen. Die FT veranstaltete in der Berichtswoche eine Diskussionsveranstaltung. Dort brachte es Robot Armstrong, ein FT Kolumnist, wie folgt auf den Punkt: Das Management der Silicon Valley Bank betrieb das Bankgeschäft nur als Hobby. Die eigentliche Kernkompetenz war das Networking. Der Zusammenbruch einer über vier Jahrzehnte gewachsenen Struktur hat gravierende Auswirkungen auf das Ökotop Silicon Valley – und damit auf die Unternehmensperspektiven.

Und dennoch ist die Nasdaq der klare Gewinner der Bankenkrise.

Der Nasdaq-Index wird von wenigen Unternehmen dominiert: Alphabet, Apple, Microsoft, Amazon, ggf. Meta. Die Aktien sind bisher Underperformer, Preisabschläge von 50% auf Jahresbasis sind keine Ausnahme. Die Unternehmen sind groß, profitabel, quasi schuldenfrei und damit scheinbar günstig.

Sie profitieren vom Zerfall des Silicon-Valley-Netzwerks. Die StartUp-Szene im Valley ist geschwächt, das ist vorteilhaft für konzerneigene Projekte und senkt den Preis für Zukäufe.

Aus Investorensicht sind die Aktien kurzfristig sogar Renten vorzuziehen. Die dortigen Preisausschläge (s.u.) stehen Engagements entgegen.

Amazon und Microsoft kommen aus dem Nord-Westen der USA (Seattle und Redmond), Alphabet und Apple sind Geschöpfe des Valley. Alphabet hat sein eigenes Netzwerk aus StartUp-Unternehmen aufgebaut. Microsoft lockt mit seiner strategischen Ausrichtung und Unabhängigkeit. Apple hat ein strategisches China-Problem, dessen Lösung nicht absehbar ist und fällt deshalb aus. Amazon ist ebenfalls strategisch im Umbruch – mit ungewissem Ausgang. Alphabet und Microsoft sind derzeit die besten »Schüsse« mit einer guten Mischung aus Wachstumsperspektive und Seriosität.

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Abbildung 2: Preisverlauf der Microsoft- und Google-Aktien im Vergleich

Beide Aktien haben sich in der Berichtswoche diametral gegen den Trend gestellt. Microsoft hat nach der Freigabe der Chat-GPT-Version 4.0 ein Kaufsignal generiert.

Die sehr großen US-Technologiefirmen profitieren vom Zerfall des Spinnennetzes der Silocon Valley Bank.

Fallout einer turbulenten Woche

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Schlug man in der letzten Woche die Finanzmedien auf, schien der Doomsday nicht weit zu sein. Kollabierende Banken-Notierungen, hektische Rettungspakete, kontroverse Diskussionen und eine permanente Furcht vor dem nächsten Kollaps. Dazu maximal volatile Rentenmärkte.

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Abbildung 3: Preisverlauf des Futures der 10-jährigen US-Traesuries

Weitet man den Blick, relativieren sich die kurzfristigen Preiskapriolen.

Trotz der sehr starken Preisbewegungen notieren sowohl die deutschen wie die US-Staatsanleihen in Abwärtstrends. Starke Preisausschläge sind ein Merkmal von Bearmarkets. Die aktuellen Notierungen sind eine Gelegenheit zum Abbau von Rentenpositionen – zumindest kurzfristig.

Ein ähnliches Bild zeigt sich an den Aktienmärkten. Selbst beim bankenlastigen EuroStoxx-Index ist das Chartbild allenfalls eingetrübt.

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Abbildung 4: Preisverlauf des EuroStoxx Index

Nachdem höchstwahrscheinlich ein Kollaps der Credit Suisse vermieden werden kann, sollte sich in den kommenden Wochen wieder die Ratio durchsetzen. Die positive Saisonalität (bis Ende April) dürfte zusätzlich stützend wirken.

Abschließend ein Blick auf einen ebenfalls positiv stimmenden Chart:

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Abbildung 5: Preisverlauf Bloomberg Agriculture ETF

Der Agriculture ETF bildet die Wertentwicklung des Bloomberg Agriculture Index ab. Dieser enthält die wichtigsten handelbaren Agrar-Futures und ist ein guter Inflations-Proxy.

Das zuletzt hohe Handelsvolumen in Kombination mit der Ausbildung eines Preistop ist ein guter Frühindikator für sinkende Lebensmittelpreise, eine Grundvoraussetzung für sinkende Inflationsraten. Der Ukrainekrieg wirkt nicht mehr Inflationär, die Geldpolitik der Notenbanken könnte nun auf fruchtbaren Boden treffen.

Ressourcen

  • Raiffeisen seeks to swap €400mn with Sberbank in ‘financial prisoner exchange’, FT 15.3.2023
  • The collapse of Silicon Valley Bank, FT-Conference, Anat Admati, Robert Amstrong, Elaine Moore; 17.März 2023
  • Fed bound – Silicon Valley Bank’s demise signals a painful new phase in financial markets, Bottonwood, Econmist 18.03.2023 p.56
  • Global banks shed $459bn in market rout as Goldman loses on rate swing – First Republic shares close down 33% despite $30bn lifeline, FT 17.02.2023
  • Switzerland prepares emergency measures to deliver UBS takeover of Credit Suisse, FT 18.03.2023