Nachbeben

Am Freitag wurden bereits Wetten abgeschlossen, ob über das Wochenende erneut ein Krisensitzungsmaraton ansteht. Neben den Banken senden zunehmend Immobilienwerte Notsignale. Geht die Krisenentfaltung in die nächste Runde?

Stuttgart, 25. März 2023.

Eine Woche nach dem Zusammenbruch der Credit Suisse wachsen die Zweifel ob der Nachhaltigkeit und Sinnhaftigkeit des »Deals«. Die Finanzwelt schüttelte von Beginn an verwundert die Häupter: Welchen Sinn macht es für die Schweiz, eine Bank zu beheimaten, deren Bilanzsumme doppelt so groß ist wie das Bruttoinlandsprodukt? Eine nationale Bankenaufsicht ist geradezu ein Ding der Unmöglichkeit. Deswegen eine Aufnahme in die EU und die Eurozone anzustreben, fällt niemanden ein. Außerhalb der EZB existieren aber keine Formen einer supernationalen Bankenaufsicht. Die UBS ist nicht nur too big to fail, sie ist auch too big to survive – gewissermaßen ein zum Aussterben verurteilter Dinosaurier. Welche Zukunft hat ein plötzlich über alle Maßen gewachsenes Unternehmen in einem, auf Wirtschaftswachstum fußendem Wirtschaftssystem?

Mit ein paar Tagen Abstand wurden die Schweizer Bürger im Auftrag des staatlichen Fernsehens befragt: 52 % waren nicht mit der politisch gewollten neuen Situation einverstanden. Auch die Politiker scheinen zurückzurudern. Die Übernahme wird Thema bei der kommenden Parlamentssitzung. Inzwischen hat sogar die FDP ernsthafte Zweifel. Selbst eine Rückabwicklung ist nicht ganz ausgeschlossen. Vielleicht gibt es bald eine Volksabstimmung über die Zukunft der UBS.

Die Suche nach dem nächsten Riss

Sinnbildlich haben die massiven Zinserhöhungen in allen Industriestaaten den tragenden Wänden des Finanzsystems wie mit einem Sandstrahlgebläse zugesetzt. Nun reichen kleine Schläge, um Risse zu erzeugen. Den Beteiligten sind die Präsentationen der Credit Suisse nach dem Fall der Silicon Valley Bank im Ohr. Darin belegten die Führungskräfte überzeugend und nach allen Regeln der Kunst, dass die schweizer Großbank über ausreichend Liquidität verfügt. Die Erfahrung der letzten Wochen zeigt: der Vertrauensschwund ist die Achillesferse aller Banken.

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Abbildung 1: Kosten für die Versicherung von Anleihen der Deutschen Bank gegen einen Zahlungsausfall (Credit Default Swaps, 5 Jahre, Quelle: FT)

Als Maßzahl für den Vertrauensverlust gilt gemeinhin der Preis von Kreditversicherungen(CDS). Normal sind Werte klar unter 50, ab 100 Punkten beginnt der Krisenmodus, bei 200 Punkten melden sich die Träger öffentlicher Ämter zu Worte: Bundeskanzler, EZB-Vorsitzende, etc. Vor einer Woche sprangen die CDS der Credit Suisse über 1.000 Punkte.

Am Freitag sank der Aktienpreis der Deutschen Bank zeitweise um 14 Prozent. Auch die Preise für Nachranganleihen brachen ein. Hedge-Fonds und Spekulanten testen die Wandstärke, klopfen so lange, bis sich auch hier Risse zeigen. Damit ist klar: Nicht die italienischen oder spanischen Banken sind die Problemfälle in Europa, sondern die Deutsche Bank.

Der Bankvorstand hat allerdings maßgeblich zu diesem Außenbild beigetragen. Welches Signal sendet wohl die Ankündigung aus, man würde eine Nachranganleihe vorzeitig kündigen? Im Markt wurde das jedenfalls als Rauchzeichen interpretiert. Wo Rauch ist, da ist auch Feuer: Also besser alles vor dem Wochenende abstoßen.

Lehren aus der Vergangenheit

Im März ist der Index der US-Banken (KBW-Index) um 30 Prozent eingebrochen. Der S&P 500 notiert dagegen fast unverändert. In Europa sind nicht nur die Preise für Bankaktien gesunken. Der österreichische ATX ist beispielsweise auf Monatssicht um 13,5 % preiswerter geworden. Der marktbreite Stoxx 600 hat fast 5 Prozent seines Werts eingebüßt. Trotz einer objektiv besseren Regulierung der Banken sind die Finanzmärkte hier nervöser als in den USA.

Marktstress bei Bankentiteln hat weitreichende Konsequenzen.

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Abbildung 2: Sinkende Notierungen für Banken waren vor 2010 stets Vorboten von Preisrückgängen auf breiter Front

Die Abb. 2 zeigt, dass es durchaus normal ist, dass Bankenwerte isoliert heftige Kursverluste erfahren. Vor 2010 bereiteten Preisrückgänge bei Banktiteln die Märkte auf größere Marktkorrekturen vor. Danach fluteten die Notenbanken die Märkte stets mit Geld, um diese Kausalität außer Kraft zu setzen.
Die Abbildung zeigt zusätzlich den enormen und nachhaltigen Bewertungsverlust des Bankensektors seit der Jahrtausendwende. Inzwischen bewerten die Märkte gute Banktitel zum Buchwert. Der KBW-Index der großen US-Bankenwerte weist beispielsweise ein KBV von 1,3 auf. Bei der Deutschen Bank sind es gerade 0,27. Der KBV trennt bei Banktiteln die Spreu vom Weizen: Die niederländische ING wird mit einem KBV von 2,2 bewertet.

Neben der Deutschen Bank gehört auch die Societe Generale und die Raiffeisen International zu den Wackelkandiaten (KBV: jeweils 0.26). Die geringere Marktbewertung europäischer Banken mag ein Grund für die nicht nachlassende Verkaufsdynamik bei den Titeln sein. Es gibt wenig Gründe, die Titel im Depot zu halten, für Hedge-Fonds sind Short-Attacken preiswert.

Unmittelbare Wirkung der Vertrauenskirse bei Banken: Höhere Kreditzinsen.

Auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid äußerte sich die FED zu den unmittelbaren Konsequenzen der Bankenkirse: Die Marktzinsen steigen um 1,5 Prozent.
Hinzu kommt: Die Vertrauenskrise führt sofort zu schärferen Kreditvergabekriterien. Kredite werden teurer und die Hürden zur Zusage steigen. Dies würgt in der Konsequenz die Konjunktur ab. Dies ist das Muster der Bankenkrisen vor 2010.

Diese Entwicklung konterkariert sämtliche Anstrengungen fortschrittlicher Politiker, eine klimafreundliche industrielle Transformation zu orchestrieren. Leuchtturmprojekte, wie z.B. Batteriefertigungsstätten (Sichwort: Northvolt), werden mit politischem Rückenwind finanziert. Das Problem ist die Kreditvergabe in der Fläche.

Immobilienmärkte

Die Preise für Immobilien haben sich trotz stark gestiegener Finanzierungskosten kaum verändert.

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Abbildung 3: Preissteigerung bei Immobilien

Fremdkapitalfinanzierte Immobilien sind in den USA aktuell doppelt so teuer wie vor einem Jahr. Das ist die Aussage der Abb. 3. Entsprechend ist die Neubautätigkeit eingebrochen. Hausbesitzer, die preiswerte Alt-Hypotheken besitzen, haben keinerlei Anlass umzuziehen. Der private Immobilienmarkt ist zu einem Zombie-Markt geworden.

Im Gegensatz hierzu sind die Preise für börsengehandelte Immobilienwerte stark zurückgegangen.

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Abbildung 4: Preisentwicklung des Alexander

Die börsengehandelten Titel haben stark auf die Anhebung der Leitzinsen vor der Covid-Pandemie reagiert und die Wirkungen der Zinserhöhungsorgie des Jahres 2022 erstaunlich gut verkraftet. Am Beispiel des Alexander’s REIT sticht der Preisrückgang von 240 auf 190 $ ins Auge, der als Fall-Out der Bankenkrise zu werten ist. Die Bewertung des Alexander’s-REIT ist mit einem KBV von 4 trotz der Kursverluste nachvollziehbar. Die Bewertung anderer REITS folgt denen von (schlechten) Banken. So handelt der JGB Smith REIT zu einem KBV von 0,5. Das bedeutet, dass der bilanziell ausgewiesene Immobilienbestand von den Marktteilnehmern mit einem Abschlag von 50 Prozent bewertet wird. Der REIT hat seit Mitte Februar über 30 Prozent an Wert eingebüßt. Die beiden hier erwähnten REITS haben je eine Marktkapitalisierung von ca. 1 Mrd. $.

Die Marktpreise für Immobilientitel fallen weiter. Bei privaten Immobilientransaktionen geht der Umsatz zurück, nicht der Preis.

Real-Estate-Investment-Trusts sind in den USA langfristig gehaltene, steuerlich begünstigte Investments. Die attraktiven Ausschüttungen müssen nicht versteuert werden. Die Anlageklasse ist kein Epizentrum der Spekulation. Dennoch muss angesichts der aktuellen Preisveränderungen erwogen werden, dass die jüngsten Abgaben eine spekulative Übertreibung darstellen. Ob dies der Fall ist, kann nur rückblickend bestätigt oder falsifiziert werden. Deshalb gilt auch hier: Maßzahl für ein Festhalten am Investment oder einem Verkauf ist die Größe “Vertrauen”.

In Europa sind REITS wenig verbreitet. Der Kursverlauf der börsengelisteten Deutsche Wohnen spricht allerdings auch hier Bände.

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Abbildung 5: Preisentwicklung der Deutsche Wohnen SE

Diesseits wie jenseits des Atlantik gilt: Solange die Realität nicht am privaten Immobilienmarkt angekommen ist, bleiben die Transaktionsvolumina eingefroren. Es ist zu befürchten, dass sich die aufgestaute Untätigkeit zu einem Unzeitpunkt entlädt und Immobilienbesitzer dann urplötzlich (mental order real) die Wertverluste ihrer scheinbar sicheren Vermögenswerte realisieren. Spätestens dann bricht die Nachfrage der Haushalte ein.

Perspektive: Ungewiss

Deutschland bereitet sich auf ein Frühjahr mit vielen Arbeitskämpfen vor. Allein der Streik bei der Bahn zeigt, dass Lohnerhöhungen völlig abgekoppelt sind, von Produktivität und Unternehmenserfolg. Überall steigt zudem die Kerninflation. Hohe Lohnabschlüsse führen unmittelbar zu höheren Lohnstückkosten. Sinkende Energiepreise haben in dieser Phase keine inflationsdämpfende Wirkung mehr.
Der für die Konjunktur wichtige Immobiliensektor ignoriert sowohl die veränderte Zinslandschaft als auch die neue Inflationsrealität. Gemäß Lehrbuch beginnt eine Rezession mit schnell steigenden Marktzinsen. Sinkende Preise an den Immobilienmärkten sind die nächste Stufe. Üblicherweise kommen Banken in dieser Phase wegen ausgefallener Hypotheken unter Druck. Das ist diesmal anders.

Die Tatsache, dass die »richtigen« Immobilienmärkte starr an den Marktpreisen der Nullzinsphase festhalten, könnte als Laissez faire der Immobilienbesitzer gewertet werden. Leider hat dieses Verhalten viele Gemeinsamkeiten mit der Ignoranz der Banken bezüglich der Risiken der eingelagerten und nun verlustbehafteten Anleihen. Je länger die Hochzinsphase anhält, auf desto mehr Haushalte schlägt die Verdopplung der Hypothekenzinsen durch.

Diese Perspektiven lasten auf der saisonal positiven Preisentwicklung an den Aktienmärkten. Aktien sind per se gute Instrumente, um Kapital durch eine Inflationsphase zu bringen. Eine passive Allokation ist allerdings denkbar ungeeignet. Das ist die Quintessenz aus dieser schlaglichtartigen Betrachtung des Banken- und Immobileinsektors.

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