Geldregen treibt Aktienmärkte

Kommunikation ist das, was ankommt. Die Bilanzsummen sind zu hoch, kommunizierten einige Notenbanken im Herbst. Doch anstatt diese abzubauen, befeuern sie die globalen Finanzmärkte weiterhin ungebremst mit Überschußliquidität. Zeitgleich geht die Suche nach Schuldigen an der Inflation weiter.

Stuttgart, 17. Juni 2023.

Die Pop-Ikone Beyoncé startete vor Kurzem mit zwei (ausverkauften) Mitsommernachtskonzerten in Stockholm ihre Renaissance Tour. Fans aus aller Welt hatten sieben Jahre darauf gewartet. Schätzungsweise 46.000 Fans benötigten Unterkünfte und Verpflegung, viele verbanden dies mit einen Kurzurlaub.

Sie waren bereit, sich dieses Erlebnis viel kosten zu lassen. Die Riksbank, die schwedische Notenbank, behauptet nun, dass Beyoncé für die aktuell hohe Inflation im Land verantwortlich ist. Die aktuelle Inflationsrate wird mit 8,2 Prozent angegeben. Ökonomen hatten mit einem Rückgang auf 7,8 % gerechnet. »Hierfür sind maßgeblich die Ausgaben der eingereisten Beyoncé-Fans verantwortlich«, so die Riksbank. Nun warten alle auf Bruce Springsteen, der in zwei Wochen an drei Tagen in Göteburg auftreten wird. Springsteen-Fans sind älter, vermögender und möglicherweise noch weniger preissensibel.

Diese kleine Anekdote zeigt, auf welchem Niveau die aktuelle Debatte um Inflationsentwicklungen geführt wird. Das bargeldlose Schweden hat vermutlich die transparenteste Inflationsstatistik überhaupt und kann deshalb derart kleinteilige Kausalitäten ausweisen. Transparenz kann auch schaden, sie lenkt dann die Aufmerksamkeit vom Wesentlichen ab, öffnet – falsch angewandt – Populismus und Scharlatanerie Tür und Tor.

Tatsächlich nahm die Riksbank viel zu lange Rücksicht auf den Immobiliensektor. Wie die EZB deklarierte sie die Inflation als »transient« und wartete mit Zinserhöhungen.

Die Woche der Notenbanken

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Abbildung 1: Zinsanhebungen einiger Notenbanken (Quelle: Bloomberg)

In der Graphik nicht enthalten: Der Zinsentscheid der chinesischen Notenbank (Senkung – Leitzins von 2,75 auf 2,65 %, Repo: 2% auf 1,9 %) und die der Bank of Japan ( Leitzins unverändert -0.1 % ).

Die EZB setzte ihren Kurs fort und erhöhte den Leitzins auf jetzt vier Prozent. Die maßgebliche Aussage: Wir haben das Ende des Zyklus noch längst nicht erreicht. So ähnlich klang es auch auf der Pressekonferenz der FED: Der Leitzins ist jetzt nicht angefasst worden. Wir sind aber definitiv noch nicht fertig. Die aktuelle Pause ist der Gefahr geschuldet, dass die USA ohne Einigung im Schuldenstreit zahlungsunfähig geworden wäre. Es war einfach nicht möglich, bis zur Sitzung in der letzten Woche, eine weitere Zinserhöhung zu kommunizieren. Das hat die FED am Mittwoch dann nachgeholt und für den Juli die nächste Zinserhöhung angekündigt. Bereits vorher hatten sowohl die australische als auch die kanadische Notenbank völlig unerwartet die Leitzinsen angehoben.

Die Verantwortlichen betonen unisono, dass die Inflation sich in den Dienstleistungssektoren eingenistet hat und hier nur schwer zu bekämpfen sei.

Tatsächlich sind die Großhandelspreise in Deutschland bereits rückläufig.

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Abbildung 2: Entwicklung der Großhandelspreise in Deutschland (Quelle: Bloomberg)

Viele Marktteilnehmer setzen darauf, dass die Notenbanken aktuell »rhetorisch übertreiben«, um keine Euphorie zu erzeugen.

Tatsächlich finanziert die japanische Notenbank mit ihren Negativzinsen weiter ungebremst den globalen Liquiditätsbedarf. Mehr noch: Als Reaktion auf den Kollaps einiger US-Banken hat auch die FED ihre Geldschleusen wieder nachhaltig geöffnet. Die Notierungen an den Aktienmärkten folgen dem Liquiditätsangebot.

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Abbildung 3: kommunizierter Abbau der Bilanzsumme der FED (braun, Fett), Realität (braun gestrichelt) und Aktienmarktverlauf

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis zumindest die FED und die EZB den angekündigten Abbau ihrer Bilanzsummen angehen. Die letzten Monate haben gezeigt, wie wichtig den Notenbankern stabile Finanzmärkte sind. Es würde durchaus ins Bild passen, wenn sie die aktuell entspannte Situation nutzen würden, um geordnet Liquidität abzubauen. In den USA notieren die Aktienindizes auf dem Preisniveau des Sommers 2022. Welch eine günstige Gelegenheit, nachzuholen, was versprochen wurde!

Weder der ist der Zinszyklus abgeschlossen noch hat die Reduzierung der Bilanzsumme der US-Notenbank begonnen. Zudem stehen die volatilen und meist mit Preisrückgängen verbundenen Sommermonate bevor. Hieronymus widersteht dem FOMO-Virus und setzt konsequent auf langweilige Renditepferdchen jenseits des Hypes, deren Marktpreise ruhig moderat zurückgehen dürfen, ohne dass die Zielrendite gefährdet wäre …

Hexensabbat

Am gestrigen Freitag verfielen turnusgemäß Optionen und Futures. Zumindest in den USA war es ein besonderer Tag. Erstens ist dort am Montag Feiertag. Am Montag können mögliche Portfoliorisiken also nicht verarbeitet werden. Zweitens verfielen Derivate im Wert von 4,2 Billionen US-Dollar, das ist fast Rekordniveau. Kein Wunder, dass vorher im großen Stil versucht wurde, Marktpreise in die gewünschten Zielkorridore zu handeln.

Es ist recht wahrscheinlich, dass in der Woche vor dem Verfallstag ein temporäres Preisextrem ausgebildet wurde.

Lenzing

Im Wochenbericht 21/23 wurde eine Optionsstrategie mit der Lenzing als Basiswert vorgestellt. Die damalige Quintessenz: Die Position ist zeitnah zu schließen.

Das erwies sich jedoch als schwierig. Die Liquidität war so gering, dass einfach keine akzeptablen Preise angeboten wurden. Die Marktpreise waren mit 60 € deutlich oberhalb des Strikes der Optionsposition (56 €). Deshalb konnte die Position gefahrlos auslaufen, so der geänderte Plan.

Am Freitag veröffentlichte die Lenzing eine AdHoc-Meldung: Es gibt eine Kapitalerhöhung um 400 Mio. €, Aktionäre können für je 11 gehaltene Aktien fünf neue zu 31,5 € erwerben. Das Geld ist hauptsächlich für die Rückzahlung fälliger Verbindlichkeiten vorgesehen.

Welch Wunder fiel der Aktienpreis wie ein Stein. Zum Handelsschluß kostet die Aktie 55,2 €. Die Option wird also ausgeübt, Lenzing-Aktien landen im Depot. Die Crux: Die eingebuchten Aktien tragen kein Bezugsrecht für die neuen Aktien. Das ist der Worst Case. Der Stillhalterprozess war trotzdem erfolgreich. Beim Positionsaufbau kostete die Aktie 65 €. Die Aktien wurden zu 56 € eingebucht, die eingenommen Optionsprämie beträgt 2 €. Vorbehaltlich einer Veräußerung zu 55,2 € ergibt sich eine Rendite von 8,6 Prozent.

Die Details sind im Optionsdatenblatt der Stillhalterstrategie aufbereitet.

Lenzing erhielt kürzlich den Nachhaltigkeitspreis der Wiener Börse. Das Unternehmen stellt ferner Textilfasern her, die sich nachweislich schadlos im Meer abbauen lassen. Das Unternehmen hält damit einen Schlüssel in der Hand, das existentielle Problem der Plastikverschmutzung des Globus ohne Zäsur zu lösen. Man könnte die Einbuchung als Startposition eines moralisch integeren, zukunftsgerechten Langfristinvestments nutzen. Im Rahmen der Stillhalterstrategie wird die Aktie am Montag veräußert.

Stillhalterstrategie

Aus einer Optionshandels-Diskussionsgruppe heraus entwickelte sich seit Februar das Konzept einer globalen Stillhalterstrategie. Ergebnisse dieser Evolution sind der statische Webauftritt und ein leistungsfähiges Backend.

In der kommenden Woche wird die Stillhalterstrategie voraussichtlich gemeinsam mit zwei weiteren Handelsstrategien in den Hieronymus -Webauftritt eingebunden. Der »Marktplatz für Handelsstrategien« nimmt nun definitiv Gestalt an.


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