Ausgerechnet im Mai haben viele Fondamanager ihre Aktienquoten erhöht. Das macht den Gesamzmarkt anfällig für kurzfristige Korrekturen.
Stuttgart, 22. Juli 2023.
Nun ist es soweit: die Hauptnachrichtensendung des Deutschlandfunks berichtet über entlaufene Löwen im Berliner Umland. Das Sommerloch ist da.
Vorher haben viele Fondsmanager prozyklisch die Aktienquoten hochgefahren und sind dann in die Ferien gefahren. Die Sell-Side-Abteilungen haben ihre Jahresprognosen für den US-Markt an die Realitäten angepasst (Wochenschlußkurs des S&P 500: 4565).
Zu Jahresbeginn sah die Mehrzahl der Banken den S&P zum Jahresende bei etwa 4.000 Punkten.
Die angepassten Jahresziele sind nur bei 22V und HSBC (4.600) und Credit Suisse … ausgerechnet! (4.700)
höher als das gegenwärtige Preisniveau. Die überwiegende Mehrzahl der
Vermögensverwalter sieht den US-Aktienmarkt weiterhin
schwächer.
Da die Pessimisten immer noch nicht kapituliert haben,
ist die Rallye noch nicht vorbei ist, lautet die Quintessenz der Optimisten.
Danach wird die Sommer-Rallye (in den USA) durch eine Short-Squeeze geschürt – erst
wenn alle in eine offensive Positionierung getrieben wurden, wird neu gewürfelt.
Das Problematische an dieser Interpretation: Die Optimisten sind faktisch in der Mehrzahl.
Folgt man dennoch dieser Lesart, dann wurden die offensiven Positionierungen ohne Überzeugung eingegangen. Die frisch gebackenen Optimisten mißtrauen im Grunde den Preisentwicklungen. Sie warten mehr oder weniger geduldig auf Ausstiegssignale, die sie bereitwillig nutzen würden um ihre eigentliche Marktmeinung zu spielen.
Ein Paradebeispiel für diesen Typus ist die Fondsgesellschaft Sentix, die in dieser Woche ihren Q3-Ausblick veröffentlicht hat. Die Fondsmanager haben den Preisentwicklungen am Aktienmarkt bislang von der Seitenlinie zugeschaut. Im Mai (Sell in May??) wurden widerwillig die Aktienquoten erhöht. Im Webinar entschuldigen Sie sich förmlich bei ihren Investoren, in den Markt eingestiegen zu sein. Im Gegensatz zum S&P 500 hat der hiesige EuroStoxx 50 seither einen Seitwärtsmarkt ausgebildet. Der Trend in den USA ist allerdings ausschließlich den Preissteigerungen von sieben (!) Titeln geschuldet.
Wall of Worry vs. Sommerdelle
Es ist ein gutes Zeichen, wenn Marktpreise steigen, Spekulanten aber skeptisch sind. Gefährlich wird es, wenn sich Euphorie ausbreitet. Deshalb ist eine Fortsetzung des Trends trotz der Kapitulation der Bären das favorisierte Szenario. Europa könnte im Schlepptau der USA seine Seitwärtsrange zur Oberseite verlassen.
Andererseits steht mit August bis Oktober die saisonal schwächste Marktphase unmittelbar bevor.
Das Maximum, dass
Traditionell steigt die Volatilität ab August. Steigende Volatilitäten gehen mit steigenden Risikoprämien einher, was für Preisabschläge bei den Marktpreisen sorgt.
Schlagendes Argument: Aktien sind teuer
Auch Syz (ein Vermögensverwalter mit Sitz in Genf) rät ihren Kunden zu offensiveren Engagements im zweiten Halbjahr. Für Investments ohne Währungsrisiko empfehlen sie die GRANOLAS, (GlaxoSmithKline, Roche Holding, ASML, Nestlé, Novartis, Novo Nordisk, L’Oréal, LVMH, AstraZeneca, SAP und Sanofi). Diese Werte entsprechen bezüglich ihrer Stellung im europäischen Aktienmarkt den Big-Seven in den USA. Sie sind jeweils globale Marktführer mit einer entsprechenden Preissetzungskraft und gelten in Inflationszeiten als sichere Häfen. Trotzdem schwanken die Marktpreise mit dem Gesamtmarkt. Die Dividendenrendite beträgt ca. drei Prozent, genausoviel, wie französische Staatsanleihen derzeit ausschütten. Ein Investment in italienische Staatsanleihen bietet sogar eine (sichere) Rendite von 3,7 % (zweijährige Bindung) bis vier Prozent (10 jährige Bindung) pro Jahr. Vereinzelt findet man auch Festgeldangebote zu ähnlichen Konditionen.
Warum man die Risiken eines Aktieninvestments bei historisch hohen Marktbewertungen tragen soll, wenn sichere Staatsanleihen gleichhohe oder sogar höhere Ausschüttungen versprechen, ist rational kaum nachvollziehbar. Die Sentix-Fondsmanager schließen aus dieser Schieflage, dass Aktieninvestments strukturell in Frage gestellt werden.
Tatsächlich existiert ein Szenario, in dem Aktieninvestments Anleihen vorzuziehen sind: moderat steigende Marktzinsen. In diesem Fall würden die Notenbanken die Leitzinsen munter weiter anheben. Aktienmärkte wären (weitgehend) stabil, Anleihen würden preiswerter werden. Aber selbst dieses Szenario hat eine kurze Halbwertzeit: eher früher denn später würden die Erträge der Unternehmen weniger stark steigen, wie die Geldentwertung fortschreitet.
Dies wäre aus heutiger Sicht das »andauernder Krieg-Szenario«. Eskalierte der Ukraine-Krieg zu einem globalen Ost-West-Konflikt, triebe Russland die Industrienationen in eine partielle Kriegswirtschaft. Die gerade begonnene Ausbildung weißrussischer Rekruten zu vollwertigen russischen Kämpfern durch die Wagner-Milizionäre ist ein möglicher Vorbote einer solchen Entwicklung, genauso wie die Sammelbestellung von Leopard-Panzern durch die westlichen Alliierten.
Stillhalter profitieren
Die Überschrift konnte aus dem vorherigen Wochenbericht übernommen werden Die aktiven Positionen in der Stillhalter Handelsstrategie schlugen sich in der Berichtswoche gut. Fresenius und Thyssen-Krupp haben ihr Ertragsziel erreicht und werden geschlossen (ROI:18% + 15%), Vonovia und Societe Generale stehen unmittelbar vor der planmäßigen vorzeitigen Schließung (ROI: 19 % + 13 %).
Die Salzgitter-Position ist in der vergangenen Woche ins Geld gelaufen. Das Sorgenkind ist weiterhin der Lenzing-Stillhalter, der aktuell ein ROI von -15% aufweist.
Wegen der Perspektive auf steigende Risikoprämien ( = höhere Preise für Optionen ) werden gegenwärtig nur sehr selektiv neue Stillhalterpositionen aufgebaut.
Ressourcen
- Sentix, Ausblick und Fondsupdate Q3/2023
- Syz Private Banking, Investmentausblick H2/23