Gepflegte Langeweile

Aktien treten mangels neuer Nachrichten Wasser. Anleihen sind trotz weiterer Kursverluste gesucht und die Sellside-Abteilung der Bank of America protegiert mit einigem Erfolg einen Optionstrade.

Stuttgart, 12. August 2023.

Die europäischen Aktienmärkte treten auf der Stelle.

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Abbildung 1: Preisentwicklung des Eurostoxx (1 Monat, 1 Kerze = 1 Stunde)
  • Auf Monatssicht ist EuroStoxx-Index um 45 Punkte gesunken.
  • Auf Wochensicht hat sich der Wert des EuroStoxx-Index nicht verändert.
  • Seit dem 12. April ist der Wert des Index per Saldo unverändert.
  • Zwischendurch gab es bei 4.500 eine Bullenfalle (siehe Wochenbericht 29) und zweimal (31.5 + 10.7.) drehten die Notierungen bei 4.200 Punkten .
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Abbildung 2: Renditeentwicklung deutscher Staatsanleihen(10 J)

Anleihen werden immer preiswerter. Die Rendite für deutsche Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit ist auf 2,62 Prozent geklettert, das ist immer noch ein Prozent weniger, als man für Anleihen mit nur drei Monaten Restlaufzeit erhält. Trotzdem: die Zinsdifferenzen werden geringer. Wie in der vergangenen Woche ausgeführt, begünstigt die expansive Fiskalpolitik in fast allen Industrieländern einen Zinsanstieg am langen Ende der Zinsstrukturkurve.

Starke Polarisierung an den Anleihemärkten

Die deutschen Staatsanleihen könnten ein weiteres Prozent zulegen, langlaufende US-Staatsanleihen haben wegen der höheren Leitzinsen sogar ein Potenzial von 1,5 Prozent (Anleihenpreise fallen, wenn Renditen steigen).
Das hat Hedgefonds inspiriert, langlaufende US-Staatsanleihen zu verkaufen.

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Abbildung 3: Renditeentwicklung von US-Staatsanleihen und gemeldete Positionierung von Hedge-Fonds

Die Abb. 3 zeigt, dass die hohe Shortpositionierung im Jahr 2018 das Renditemaximum des Zyklus gut getroffen hat. Warren Buffet hat wohl auch deshalb angekündigt, das gegenwärtige Zinsniveau für den Kauf von US-Staatsanleihen zu nutzen. Retail-Investoren und Vermögensverwalter sehen das offenbar genauso. Rentenfonds verkaufen sich glänzend. Der iShares US-20-J-Treasury-ETF(TLT) meldete gerade einen Rekordabsatz.

Um ihre Short-Positionen zu rechtfertigen geben HedgeFondManager gern Interviews. Aktuell geht die Story wie folgt: Die FED hat ihre Bilanz bereits um 1 Billion US-Dollar bereinigt. Das hat die Kapitalmärkte nicht belastet. Der Abbau der Anleihepositionen geht munter weiter. Das entzieht dem Markt Liquidität. Gleichzeitig zapft die US-Treasury den US-Kapitalmarkt durch Rekordemissionen von US-Staatsanleihen an. Auch das entzieht dem Markt Liquidität. Die Konkurrenz um Anlagekapital treibt die Marktzinsen. Je stärker die Konjunktur, desto größer ist diese Konkurrenz. Neuerdings wird auch Japan als Kapitalsenke ins Kalkül einbezogen. Im Zuge der Normalisierung der dortigen Geldpolitik dürfte die BoJ erhebliche US-Treasury-Bestände auflösen.

Die Argumente beleuchten unisono nur die Kapitalmarkteffekte. Sie lassen die Interaktionen mit dem Wirtschaftsgeschehen ausser Acht. Volkswirtschaftlich sinnvolle Anfangsinvestitionen durch den Staat ziehen privates Kapital und erwirtschaften im streng maxistischen Sinne eine liquiditätssteigernde Wertschöpfung. Der Gesellschaft geht das Kapital nicht aus, wenn der Staat sinnvolle Schulden macht.

Fakt ist: Hohe Absätze von Staatsanleihen in den USA, Italien, Frankreich und Deutschland sind ein Vertrauensvotum der Kapitalseite für die jeweilige Wirtschaftspolitik. Es mag Gründe geben, kurzzeitig dagegen zu wetten. Die Geschichte zeigt aber, dass ein Erfolg einer solchen Spekulation stark vom Timing abhängt. Es deutete einiges darauf hin, dass die jüngste Offenlegung der Shortpositionierung von HedgeFonds das Ende dieses Trades ankündigt und die Fonds jetzt einen Exit suchen.

Einladung zur Spekulation auf einen Kurseinbruch

Die folgende Graphik ging in den vergangenen Wochen viral.

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Abbildung 4: Maximale Profitabilität eines Put-Spread auf den S&P 500 seit 2008

Sie zeichnet den maximalen Ertrag einer Optionsposition mit einem Jahr Laufzeit seit 2008 nach. Dafür wurde zu jedem Datenpunkt eine Put-Option 5% unterhalb des Marktpreises ge- und eine bei 75% des Marktpreises verkauft (Laufzeit: 1 Jahr). Damit wird ein Put-Spread eröffnet, der bei fallenden Notierungen profitabel ist. Der maximale Ertrag wird bei einem Preisrutsch um 25 Prozent zur Fälligkeit beider Optionen erzielt. Dann hat der gekaufte Put seinen maximalen Wert und die veräußerte Option wird wertlos. Der maximale Ertrag ist der Kaufpreis des Optionsspreads multipliziert mit Acht. Was die Bank of America verschweigt: Wie hoch war in der Vergangenheit die Wahrscheinlichkeit, 50, 70 oder gar 90 Prozent des Maximalertrags tatsächlich zu vereinnahmen.

Die Tatsache, dass der Maximalertrag aktuell so hoch ist, ist einer Mischung aus der immer noch inversen Zinsstrukturkurve und der gleichzeitig nachhaltig zurückgehenden Markt-Volatilität zuzuschreiben. Der Optionskäufer zahlt mit der Optionsprämie auch die Finanzierungkosten der syntetischen Aktienposition. Das ist für langlaufende Optionen günstiger, als für Kurzläufer. Da auf der anderen Seite das Narrativ eines »soft Landings« der US-Ökonomie an Wirkkraft gewinnt, ist die Nachfrage nach Absicherungen gering. Dies senkt den sonst üblichen Risikoaufschlag bei diesen Optionen nochmals.

Für in Deutschland steuerpflichtige Investoren ist diese Absicherungsposition ungeeignet. Die wahrscheinlichen Verluste des Optionskaufs können nicht gegen die Erträge aus dem Stillhaltergeschäft gegengerechnet werden. Die Erträge sind voll zu versteuern, auf den Verlusten bleibt man sitzen. Wer trotzdem eine Absicherung gegen fallende Notierungen aufbauen möchte, kann statt dessen den Verkauf von Call-Optionen erwägen.

Für US-Anleger mag der von der Bank of America breit gestreute Absicherungstrade eine sinnvolle Maßnahme sein, das Wertpapierdepot gegen unruhige Marktphasen abzusichern. Das Hieronymus -Gegenargument: Diese Art von Geldanlage ist ein Nullsummenspiel, bei dem in der Regel der Buchmacher gewinnt. Das ist in diesem Fall Bank of America, die zusammen mit anderen Marketmakern diese Absicherungstrades erst ermöglicht. Die Bank erhöht mit ihrer Veröffentlichung die Nachfrage nach SPX-Indexoptionen, die 5 % unterhalb des aktuellen Marktpreises notieren.

Das sind genau die Optionen, die maximal von stagnierenden oder leicht steigenden Notierungen des S&P-500 profitieren, wenn man in einer Stillhalterposition ist. Das ist zwar langweilig, aber (meistens) hochprofitabel. Hieronymus hat spasseshalber bard.google.com diesen Trade zur Analyse vorgelegt. Als Antwort kam die besagte Analyse der Bank of America. Dies lies alle Warnglocken klingen. Aber möglicherweise ist das ja die Zukunft: Man gibt einen Trade bei einer werbefinanzierten AI zur Begutachtung ein und erhält als Antwort die Lizenz zum Gelddrucken.


Ressourcen

  • Syz Private Banking, Charts der Woche

  • Für Details zum Put-Spread gibt man spx 1Y 95/75% put spread in Bard oder bing.chat ein.