Die Aktien aus Europa sind klare Outperformer. Nicht alle. Es genügt, wenn wenige Schwergewichte gute Geschäftszahlen melden. Problematisch ist, dass Konzerne prosperieren, die Vermögenden margenstarke Produkte verkaufen während Massenhersteller Umsatzrückgänge verzeichnen. Da Vermögende Aktionäre und Kunden der Premiumunternehmen sind, besteht die Gefahr eines selbstverstärkenden Trends. Die immer noch unterschiedlichen Signale des Aktien- und Rentenmarkts könnten dies andeuten.
Januarkehraus in Europa
Die Aktienpreisentwicklung in Europa(Stoxx 50) entsprach bis November 2023 der der Technologiewerte im Nasdaq. Seit dem Jahreswechsel entwickelten sich die US-Technologiewerte allerdings deutlich positiver. Die Preise in Europa stagnierten, die Preisenticklung glich dem Russell 2000.
In der vergangenen Woche änderte sich das Bild erneut:
- Der Russell 2000 stagniert weiterhin.
- Die US-Technologiewerte korrigieren die jüngsten Preisaufschläge.
- Der EuroStoxx 50 markierte jeden Tag dynamisch ein neues All-Time-High.
Der 6-Monats-Chart in Abb. 1 zeigt die aktuelle Dynamik in Europa sehr deutlich.
Der Preisanstieg des EuroStoxx ähnelt dem des Russell 2000 im Dezember. Es spricht einiges für eine vergleichbare
Trendfortsetzung in Europa.
- Beide US-Indices haben ihre Aufwärtsimpulse zur Seite verlassen
- Die Preiszuwächse in Europa sind wenigen Unternehmen zuzuschreiben, am Freitag z.B. LVMH.
- Makrodaten stützen das aktuelle Preisniveau nicht.
Auch der DAX hat sich an sein Allzeihhoch herangepirscht – trotz der weiteren Erosion des IFO-Konjunkturindex, dessen Zukunftskomponente weiter sinkt.
Auch wenn es wegen der vielen Wiederholungen abgedroschen klingt: Der Rentenmarkt spielt weiterhin die Moll-Karte. Die Zinsen für kurzfristige Kredite sind höher, als die für langfristige Ausleihungen.
Am Markt platziert die Sell-Side recht erfolgreich das Narrativ baldiger Zinssenkungen als Treibsatz für Aktienpreise. Fakt ist aber: Wenn die Unternehmen trotz sehr hoher Leitzinsen, überproportionaler Lohnsteigerungen und explodierender Energiepreise in Europa glänzende Geschäftszahlen präsentieren, gibt es doch überhaupt keinen Grund für Leitzinssenkungen. Wenn die Zinsen für deutsche Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit trotzdem nur die Hälfte der derzeitigen EZB-Leitzinssätze betragen, preist der Markt in absehbarer Zukunft eine Zäsur ein, die eine deutliche Leitzinssenkung rechtfertigt oder gar erzwingt. Der IFO-Konjunkturindex steht auf der Seite des Rentenmarkts.
Die Zukunftserwartungen des Aktien- und des Rentenmarkts könnten verschiedener nicht sein!
Divergente Perspektiven für Aktien- und Rentenmärkte torpedieren die Ausbildung stabiler Trends. Deshalb ist es wenig wahrscheinlich, dass der aktuelle Trend am europäischen Aktienmarkt fortgeschrieben werden kann.
Eine Rallye der Vermögenden
Bernard Arnault ist wieder der vermögenste Mensch auf Erden. Herr Arnault – Kennzeichen: schwarzer Rollkragenpullover – ist COE von LVMH, einem globalen Luxus-Mischkonzern. Sein Privatvermögen wird auf 207 Mrd. US-Dollar geschätzt.
Wer jetzt fragt: wie war das nochmal – Konglumerate sind nicht unbedingt Börsenlieblinge – wird nicht enttäuscht. Wer vor zwei Jahren LVMH-Aktien erworben hat, schaut nach der jüngsten positiven Marktreaktion auf das Jahresergebnis 2023 auf einen Buchgewinn von etwa 10 Prozent. Die meiste Zeit war das Investment z.T. deutlich unter Wasser. Link zum Chart bei TradingEconomics
Arnault ist reich, weil reiche Menschen die primäre Zielgruppe von LVMH sind. Reiche Menschen konsumieren Produkte und Dienstleistungen mit hohen Margen. Unternehmen, die Vermögende begeistern, geht es gut.
Das gilt scheinbar überall. Auch bei Automobilen.
Was war der Top-Pick unter den globalen Automarken 2023?
Antwort: Tata (ausgerechnet)
Zentraler Erfolgsfaktor für Tata ist nicht die indische Massenproduktion. Es sind ausgerechnet die Luxusautos der englischen LJR (Jaguar Land Rover), das gemäß Bloomberg für mehr als 60 Prozent der Erträge von Tata verantwortlich ist. Ein Land Rover kostet heute 260.000 US-Dollar. Die Zielgruppe ist also klar abgesteckt. Die Autos haben Kult-Status. JLR konnte die Preise seit 2019 um 70.000 $ anheben. Merke: Wer die Zielgruppe nur klar genug adressiert, kann mit wenigen verkauften Einheiten sehr profitabel sein.
Das eint Tata und LVMH.
Tesla geht den entgegengesetzten Weg. Raus aus der Nische, rein in den Massenmarkt. Aktuell ist der Konzern weder Fisch noch Fleisch. Die Autos sind zu zahlreich um noch Kult zu sein, die Reputation der Marke hat durch die Eskapaden von Musk, insbesondere dem Twitter-Fiasko, erheblich gelitten. Nun sucht das Management sein Heil in immer preiswerteren Modellen und immer höheren Verkaufszahlen. Das tut der Börsenbewertung des Unternehmens nicht gut.
Und hier schließt sich der Kreis. In der aktuellen Berichtssaison kristallisiert sich ein klarer Trend heraus. Klar auf das Premiumsegment fokussierte Unternehmen prosperieren. Firmen, die den Massenmarkt bedienen, berichten über sinkende Verkaufszahlen, hohen Margendruck und schauen verhalten in die Zukunft.
Die weltweit beobachtete gesellschaftliche Spaltung bewegt auch die Aktienmärkte. Luxushersteller prosperieren.
Massenhersteller leiden unter Nachfrageeinbußen. Das gilt Branchenübergreifend.
Die Phase der Outperformance der Wenigen und einer Underperformance der Vielen ist noch nicht zu Ende.
Der zu erwartende Rechtsruck bei der Wahl zum Europäischen Parlament und der zu befürchtende Durchmarsch der
Rechtsaußen in den USA im November dürften den Trend sogar noch verstärken.
Handelssysteme
Die dynamische Rallye beim EuroStoxx hat beim Estx-Handelsystem erste Spuren hinterlassen. In der ersten Wochenhälfte wurden wir vorzeitig (aber dennoch profitabel) aus der März-Position herausgedrängt. Das Performance-Datenblatt zeigt, wie schnell die vormals defensive Position ob der jüngsten Preisveränderung ins Risiko lief.
Auch die noch offene April-Position reagiert trotz einer deutlichen Anpassung an das höhere Preisniveau bereits wieder sensibel auf Preisveränderungen des Index. Die Gesamtposition ist aktuell Deltaneutral (Delta:-0.1, Toleranz: 0.25), die Sensitivität gegen Preisveränderungen des Index ist dem positiven Gamma geschuldet und eine Konsequenz des Aufbaus des Optionsspreads nach der Anpassung. Angesichts des Fortschritts der aktuellen Rallye und der langen Restlaufzeit der offenen Optionen (80 Tage) ist es nicht zielführend, die Position selbst anzupassen. Statt dessen wird das Portfolio nun durch einen preiswerten Long-Call gegen eine mögliche Übertreibung zur Preisoberseite abgesichert. Dieser adressiert primär das Risiko einer Gamma-Explosion des offenen Call 4700.