Die Schlacht um die Inflation scheint geschlagen. Die Notenbanken in den Industrieländern machen – eine nach der anderen – einen Haken an die Aufgabe: akute Inflationsbekämpfung. Aktuell vollzieht sich der Übergang vom Krisen- in den Normalmodus. Geldpolitik wird (wieder) zum Instrument, das Wirtschaftswachstum zu moderieren.
BoJ erhöht den Leitzins
Als letzte der großen Notenbanken hat die Bank of Japan am Dienstag den Leitzins angehoben: von -0,1 auf 0 Prozent. Das wurde von den Kommentatoren als Game-Changer nach 17 Jahren Zinssenkungspolitik bejubelt.
Im Juli 2008 betrug der Leitzins in Japan 0,5 Prozent. Seitdem wurden die Zinssätze stets zur Unterseite angepasst, bis -0,1 Prozent am 1.September 2016. Die japanische Notenbank hatte trotz Inflationsraten von teilweise über vier Prozent den Leitzins unverändert gelassen.
Auf der Pressekonferenz kündigte Kazuo Ueda, der Vorsitzende der BoJ, an, dass die Notenbank eine Reduzierung der Bilanz einleiten wird. Derzeit hält die BoJ über die Hälfte aller emittierten japanischen Staatsanleihen.
Nach der Zinsserhöhung stiegen die Preise für japanische Staatsanleihen, die Rendite verringerte sich. Der Yen wertete gegenüber dem US-Dollar ab. Es passierte also das genau Gegenteil der erwarteten Marktreaktion. Scheinbar nehmen die Finanzmärkte es der BoJ nicht ab, dass sie eine nachhaltige Änderung der Geldpolitik einläutet.
SNB senkt Leitzins
Das hingegen ist der Schweizer National Bank(SNB) gelungen. Völlig überraschend senkte sie am Donnerstag den Leitzins von 1,75 auf 1,5 Prozent. In der Folge überboten sich die Analysten mit Updates ihrer Lageeinschätzungen.
Hier reagierten die Finanzmärkte wie erwartet: Die Währung wertete deutlich ab, Aktien wurden teuer.
Die Notenbank reagierte auf sinkende Inflationsraten. Der Preisauftrieb ist wieder deutlich und nachhaltig unter das Zwei-Prozent-Ziel gefallen. Die Gefahr einer erneuten Trendumkehr, deren Hauptursache eine zu lockere Zinspolitik ist, besteht nicht – sagt die SNB. Sie senkte auch ihre Inflationsprognose. Noch auf der letzten Sitzung im Dezember legte sie ihre Geldpolitik auf Inflationsraten von 1,9 % für 2014 und 1,6 % in 2025 aus. Diese Projektion wurde deutlich zurückgenommen, auf 1,4% (2024), 1,2% (2025) und 1,1% im Jahr 2026. Das Oberziel der Geldpolitik ist nun die Moderation der Bewertung des Franken. Die Stärke der heimischen Währung wird gemäß der SNB zum Problem für die schweizer Exportwirtschaft.
USA: Keine Zinsänderung
Zwischen den Zinsentscheiden in Japan und der Schweiz gab die FED ihren Zinsentscheid zu Protokoll. Den Zinssatz selbst belies die US-Notenbank unverändert. Auf der Presse-Konferenz deutete Jaw Powell, der FED-Vorsitzende, drei Zinsschritte für 2024 an, obwohl die Kerninflation immer noch deutlich oberhalb der Zileinflation von 2 % ist.
Auch hier scheint die Stärke der Landeswährung in den Fokus der Geldpolitik zu geraten. Ein schwacher US-Dollar stützt in Abwesenheit von Inflation die heimische Wirtschaft…
Schweden: Zinsentscheid in der Osterwoche
Die schwedische Riksbank könnte der Geldpolitik der SNB folgen. Die Zinsen wurden aus Rücksicht auf den Immobilienmarkt erst sehr spät angehoben. Ab Mai 2022 bis September 2023 hob die Riksbank den Leitzins von null auf vier Prozent an. Vom Peak ist die Inflation bereits sehr deutlich zurückgekommen. In Schweden sind – anders als in vielen anderen Teilen Europas – Lohnsteigerungen stark zurückgegangen. Zeitgleich steigt die Arbeitslosenquote.
Im Gegensatz zur Schweiz steht in Schweden die Schwäche der Krone im Fokus. Wegen der Offenheit des Landes verteuern sich Waren und Dienstleistungen sobald die Landeswährung abwertet. Diese Effekte hätte man leicht mit einem Beitritt zur Eurozone eliminieren können. Die Bürger des Landes stimmten 2003 mit knapper Mehrheit gegen die Einführung des Euro. Inzwischen ist die schwankungsfreudige schwedische Krone ein Standortnachteil.
Die geldpolitischen Zeichen stehen überall auf Normalisierung. In Japan heißt dies: Rückkehr zu einer Welt mit (positiven) Zinsen. Die anderen Industriestaaten sind auf einem guten Weg zur Zielinflation (meist 2%).
Die Schlacht um die Inflation scheint geschlagen. Es ist an der Zeit, die Geldpolitik auf andere Aspekte auszurichten. Für Notenbanken mit einem Doppelmandat (Preisstabilität + Wirtschaftswachstum) bedeutet dies eine Moderation der Stärke der Landeswährung.
Invertierte Zinsstrukturkurven
Als die Inflation global aus dem Ruder zu laufen drohte, schauten viele auf die Zinsstrukturkurve. Steigen die Inflationsraten rasch, steigen kurzfristige Zinsen schneller, als die Renditen langfristiger Verbindlichkeiten. Schnell steigende Zinsen für kurzfristige Ausleihungen sind Gift für die Konjunktur. Um so erstaunlicher ist der Erfolg der konzertierten Geldpolitik der Notenbanken, die überall in den Industrieländern Rezessionen abzuwenden vermochte.
Dieser »Erfolg» sollte sich in den Zinsstrukturkurven widerspiegeln. Langfristige Ausleihungen sollten in Zeiten knappen Kapitals deutlich höher verzinst werden, als kurzfristige Ausleihungen. Das Gegenteil ist immer noch der Fall. Die Abb. 4 zeigt, dass die Invertierung zuletzt wieder zugenommen hat. Von Normalisierung ist hier keine Spur.
Verknüpft man die Zinssenkungspläne der FED, die trotz weiterhin (zu) hoher Inflation drei Zinssenkungen in den USA bis zum Jahresende zum Fakt erklärt, mit den Aussagen der Notenbanker in Schweden und der Schweiz, dann sieht man überall im weiteren Jahresverlauf deutlich sinkende Inflationsdaten.
Der Markt interpretiert dies aktuell uneingeschränkt positiv: Aktienpreise steigen, Volatilitäten sind gering, Korrelationen stabil.
Die stark sinkenden Inflationserwartungen in der Schweiz können andersherum auch ein Warnsignal sein, das eine Schwäche der Exportwirtschaft anzeigt. In Schweden ist eine Abkühlung der Konjunktur offensichtlich. Dann wäre eine Abkehr der Geldpolitik von der Inflationsbekämpfung hin zur Stützung der Binnenkonjunktur eine logische Konsequenz, die zudem konsistent ist zur invertierten Zinsstrukturkurve.
Geldpolitik wirkt längerfristig. Kurzfristig profitieren die wahlkämpfenden Fraktionen in den USA von den positiven Preisentwicklungen an den Finanzmärkten.
Im Ergebnis dominieren unterstützende Faktoren für Aktien, die sich mit stetig geringerer Dynamik weiterhin von einem Allzeithoch zum nächsten hangeln. Die Osterwoche ist zudem traditionell von steigenden Aktienmarktpreisen geprägt.