Revolutionen verlaufen niemals friedlich. Das mussten gerade die
Investoren von OpenAI feststellen, nachdem sich nach einem offenbar heftigen
Streit gewichtige Entwickler neu orientieren. Nun steht Microsoft im Regen.
Mainstreet feierte diese Woche weiter sinkende Inflationsdaten. Michael Burry
sieht die Zeit dagegen reif für eine massive Wette auf sinkende Marktpreise bei
Halbleiterwerten.
Die Bombe platzte ohne Vorwarnung. Die Schockwellen verteilen sich über das ganze Wochenende. OpenAI verliert einen Großteil seines Spitzenpersonals. Das Flagschiff der AI-Szene segelt in einen heftigen Gewittersturm.
Innerhalb des Führungszirkels von OpenAI brach am Freitag vormittag eine offene Revolte aus. Noch am Donnerstag sprach Sam Altman, das quasi philantropische Gesicht von OpenAI und globaler Botschafter der Szene, auf dem APEC-Gipfel in San Francisco und feierte zuvor gemeinsam mit Satya Nadella, dem CEO von Microsoft, den einhundertmillionsten Nutzer der Plattform. Während der Vorstandssitzung muss es zu einem Eklat mit Ilya Sutskever, dem letzten verbleibenen Gründungsmitglied der Firma, gekommen sein. Anders ist nicht erklärbar, dass selbst Microsoft, der größte Investor in OpenAI, völlig unvorbereitet war und Sam Altman binnen einer halben Stunde seinen Job los war.
Microsoft found out that Altman had been forced out of the company only “minutes” before the news was broadcast to the world, according to a person familiar with the situation. Even then, it was given no more information than OpenAI released publicly, even though its giant investment and close technology partnership have done much to shape the new era of generative AI. (FT)
Der Aktienkurs sank als direkte Reaktion in einem freundlichen Gesamtmarkt um 2,6 Prozent.
Zum Wochenende wurde bekannt, dass neben Altman diverse hochrangige Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben. Dieser Aderlass verringert den Technologievorsprung von OpenAI gegenüber seinen diversen Konkurrenten abrupt. Die Karten werden neu gemischt.
Solche Meinungsunterschiede sind in jungen Geschäftsfeldern nicht ungewöhnlich. Auch das heutige Weltunternehmen Apple hatte einst seinen visionären Chef vor die Tür gesetzt. Der hieß damals Steve Jobs.
Es ist möglich, dass Altman zusammen mit anderen Ex-OpenAI-Mitarbeitern wiederum zusammen mit Microsoft die nächste
Generation von KI-Anwendungen entwickeln wird. Vor Kurzem sprach er öffentlich über die
Perspektiven einer Artificial General Intelligence
(AGI). Diese Software hat den Anspruch, dem Menschen in allen Feldern intellektuell überlegen zu sein.
Die heutigen AI-Anwendungen sind spezialisiert und können sich selbst nur unzureichend kontrollieren. Das ist bei einer AGI anders.
Diese erkennt eigene Fehler und kann sich fern der Trainingsdaten eigene Kompetenzfelder erschließen. Möglicherweise sind
die Fortschritte innerhalb der AI-Szene so dynamisch, dass man das Ziel viel schneller erreiche könnte, als selbst die Protagonisten es glaubten. Vorher müssen gravierende
moralische und gesellschaftliche Fragen beantwortet werden.
Die Frage, ob eine AGI überhaupt entwickelt werden soll, ist mindestens so polarisierend und weitreichend, wie die Entscheidung in den 1920er Jahren,
Atomforschung zu betreiben. Es verwundert nicht, dass die Entscheidungsgremien angesichts der Dynamik und kaum verstandener
Risiken vor unlösbaren Konflikten stehen.
Black-Friday Rallye
Es ist ungemütlich und früh dunkel. Bald gibt’s Weihnachtsgeld. Zu allem Überfluß wirbt jeder und jedes großformatig mit unglaublichen Schnäppchenpreisen. Hohe Kreditzinsen, beste Vorsätze, den Konsum auf ein klimagerechtes Maß zu begrenzen sind rasch vergessen. Kaufen, Kaufen Kaufen!
Das dachten sich am Montag auch Spekulanten an den Finanzmärkten. Vor Markteröffnung wurden frische US-Inflationsdaten veröffentlicht. Ohne Verzögerung sprangen die Preise an den Aktien- und Rentenmärkten in die Höhe – und veharrten bis zum Wochenschluß auf dem neuen Preisniveau.
Seit dem Monatsbeginn hat der Aktienmarkt, getrieben von der Spekulation auf sinkende Marktzinsen, eine beeindruckende Rallye vollzogen. Auch wenn die Marktpreise gerade das Niveau des Sommers erreicht haben, ist die Stimmung bereits euphorisch. Statistiker zählen die Anzahl der grünen Kerzen: Ein neuer Trend ist geboren.
Das passt ins größere Bild: Rund um das gemeinschaftliche Putenessen am Donnerstag und dem Einkaufsmarathon am Black-Friday bilden die Aktienmärkte gern ihr Jahreshoch aus.
In den USA hat der Wahlkampf längst begonnen. Mr. Biden strebt trotz seines sehr fortgeschrittenen Alters die Wiederwahl an. Die Zustimmungsrate beträgt gerade noch 18 Prozent. Deshalb richten sich, trotz der grenzwärtigen Performance, alle Augen auf die Republikaner. Dort läuft es für Niki Haley, frühere UN-Botschafterin der USA, immer besser. Donald Trump droht zwar weiterhin, seinen Coup von 2016 zu wiederholen. Im Grunde versucht er aber »nur« noch die Themen zu setzen. Wer die Vorwahlen gewinnt, bestimmen die Großspender. Die haben Mrs. Haley ausgewählt.
In etwa einem Jahr finden die Wahlen in den USA statt. Die Abb. 3 zeigt die durchschnittlichen und individuellen Preisentwicklungen in den USA seit 1980. Im 12-Monats-Zeitfenster sind danach Ausschläge um plusminus fünf Prozent zu erwarten. Die jüngste Rallye könnte demnach nun auslaufen und einen beschaulichen Jahresausklang einleiten, wobei die erste Dezemberwoche traditionell zur Schwäche neigt.
Mr. Big Short und der US-Halbleitersektor
Zeitgleich zur großen Black-Friday-Erleichterungsrallye veröffentlicht der legendäre Trader Michael Burry (The Big Short) seine nächste Short-Attacke.
Burry wird in den USA bereits als der neue Cramer gehandelt. Jim Cramer ist ein eloquenter TV-Hedgefonds-Manager, bekannt durch die Sendung Mad Money bei CNBC. Cramer setzt auf Trends, Burry sucht Wendepunkte für strategische Wetten. Wenn der US-amerikanische Durchschnittsspekulant zukünftig weniger auf Trends, dafür mehr auf Übertreibungen schaut, könnte dies die Struktur des US-Aktienmarkts verändern. Jede Rallye würde dann konsequent abverkauft – der Markt insgesamt in ein Seitwärtsregmie eintauchen.
Die Tatsache, das Burry den Halbleitersektor öffentlich massiv shortet, steht weiteren Preissteigerungen bei Nvidia, Intel, AMD, Cicso, etc entgegen. Passend dazu kündigte Microsoft diese Woche an, spezielle GPT-AI-Chips entwickelt zu haben, die die Dominanz von Nvidia brechen. Da der Nasdaq-Index (rein zufällig) an einer wichtigen charttechnischen Marke angekommen ist, spricht einiges für eine Pause des Aufwärtstrends (siehe auch die Bemerkungen hierzu im letzten Wochenbericht).
Handelssysteme
Die Optionshandelssysteme haben die bisherige November-Rallye unisono ohne signifikante Preisrückgänge verkraftet. Das geänderte Regelwerk des Eurostoxx-Systems bewährte sich einmal mehr. Auch das passive ASX-Handelssystem entwickelte sich unauffällig. Beide Systeme reagieren jedoch nun empfindlich auf weitere Preissteigerungen bei den Indizes.
Die marktneutralen Systeme profitieren – wie der Name es ausdrückt – von langweiligen Marktphasen. Auf Trends reagieren sie negativ, egal ob es eine Rallye oder eine Korrektur ist. Das kann durch aktives »Rollen« von Positionen verhindert werden. Das ist bei nachhaltigen Preisänderungen sinnvoll. Bei Preisspikes werden so aber Verluste realisiert. Ob »gerollt« wird oder nicht, dafür sind neben den Kennzahlen (siehe Schaufenster) diese Wochenberichte essentiell.
Die bisherige Preisentwicklung im November hat die Entwicklung eines weiteren Handelssystems begünstigt. Vermutlich kann es noch vor dem Jahreswechsel in den Produktivbetrieb überführt werden. An dieser Stelle werden in den kommenden Wochen Highlights des Entwicklungsprozesses vorgestellt.